Arbeitsrecht30.09.2025 Newsletter

Fokus Arbeitsrecht 3. Quartal 2025

Der Sommer neigt sich dem Ende zu - Zeit für die dritte Ausgabe des Fokus Arbeitsrecht 2025 mit einem aktuellen Überblick über wichtige arbeitsgerichtliche Entscheidungen der letzten Monate sowie ein Update zu neuer Gesetzgebung. Besonders relevant für die Praxis: Eine Entscheidung des LAG Düsseldorf über die unternehmensseitigen Pflichten für die Zeiterfassung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern und die Entscheidung des BAG über Schadensersatzansprüche aufgrund einer unzulässigen Datenweitergabe im Rahmen eines Workday-Testbetriebs. Schließlich widmen wir uns in der Rubrik „HR neu denken!“ dem Jahresendspurt für die HR-Abteilungen und welche To-Dos Sie noch vor dem Jahreswechsel abhaken sollten. 

1. Neue Rechtsprechung

1.1 Zeiterfassung bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern 

1.2 Workday-Testbetrieb: BAG bestätigt Schadenersatzanspruch wegen unzulässiger Datenweitergabe

1.3​​​ Anspruch eines befristet beschäftigten Betriebsratsmitglieds auf Vertragsverlängerung? ​​

1.4 Virtuelle Aktienoptionen im Fokus: So beeinflussen sie die Karenzentschädigung 

1.5 ​Das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX und wann es zu beachten ist 

1.6 Freistellungsklausel unwirksam: LAG Niedersachsen unterstreicht Stellenwert des Beschäftigungsinteresses 

1.7 Kürzung der Betriebsratsvergütung: Wer trägt die Beweislast? 

1.8 Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Einrichtung einer internen Meldestelle 

1.9 Kein Sonderkündigungsschutz für Betriebsrats-Initiatoren in der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG

2. Gesetzgebung

2.1 Referentenentwurf zur Reform des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes

2.2 Stärkung der betrieblichen Altersversorgung – Bundeskabinett beschließt Entwurf des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz

3. HR neu denken!

Alle Jahre wieder – Jahresendspurt für die HR-Abteilungen

4. Arbeitsschutz im Fokus

Wo steht Ihr Unternehmen?

 

1. Neue Rechtsprechung

1.1 ​Zeiterfassung bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern

Freigestellte Betriebsratsmitglieder dürfen bei der Arbeitszeiterfassung nicht „unsichtbar“ gemacht werden. Ein Urteil des LAG Düsseldorf (v. 27.03.2025 – AZ. 11 SLa 594/24) verpflichtet Unternehmen, vollständig freigestellten Betriebsräten die vollständige Nutzung des elektronischen Zeiterfassungssystems zu ermöglichen. Zudem greifen betriebliche Kappungsgrenzen hier nicht.

Die Klägerin war seit 1996 in einem Chemieunternehmen beschäftigt und als Betriebsrätin vollständig von der Arbeitspflicht freigestellt. Zeiterfassung und Pausen waren durch Betriebsvereinbarungen geregelt. Die Klägerin verlangte abweichend von der betrieblichen Praxis unter anderem die Unterlassung eines automatischen Pausenabzugs von 45 Minuten bei tatsächlich kürzeren Pausen sowie die vollständige Erfassung ihrer Betriebsratstätigkeit im elektronischen Zeiterfassungssystem ohne Kappung bei Überschreitung bestimmter Zeitgrenzen. Die Beklagte lehnte eine umfassende Zeiterfassung ab, da Betriebsratstätigkeit nicht weisungsgebunden sei und das System dafür nicht ausgelegt sei.

Zum Streit über die Erfassung der Betriebsratstätigkeit bejahte das LAG einen Anspruch der Klägerin. Nach § 37 BetrVG ersetzte die Freistellung die Arbeitspflicht durch diejenige Pflicht, während der Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen. Auch vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder hätten nach ständiger Rechtsprechung des BAG ein schutzwürdiges Interesse an der Dokumentation, nachträglichen Feststellung und Überprüfung ihrer Anwesenheitszeiten, unter anderem zur Vermeidung unberechtigter Entgeltkürzungen. Das Unternehmen sei daher verpflichtet, ihnen die Teilnahme an einem betrieblichen Zeiterfassungssystem zu ermöglichen. Allerdings seien betriebliche Regelungen, die automatisch Pausenzeiten abzögen und Arbeitszeiten ab bestimmten Grenzen „kappen“ auf freigestellte Betriebsratsmitglieder nicht anwendbar. Für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit gelte ausschließlich § 37 Abs. 3 BetrVG; die Norm sei zwingend und weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarung abänderbar.

Nach dem Urteil des LAG Düsseldorf sollten Unternehmen elektronische Zeiterfassungssysteme ausdrücklich für freigestellte Betriebsratsmitglieder öffnen und eine vollständige Dokumentation sicherstellen. Da es sich bei der Betriebsratstätigkeit allerdings nicht um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG handelt, sind automatische Abzüge oder Kappungen zu vermeiden. Sinnvoll wäre demgegenüber eine klare Regelung in einer Betriebsvereinbarung zum gesamten Prozedere nach § 37 Abs. 3 BetrVG, also zur Dokumentation, Beantragung und zum Ausgleich außerhalb der Arbeitszeit anfallender Betriebsratstätigkeit, sowohl für freigestellte als auch nicht freigestellte Mitglieder.

Dr. Alexander Willemsen

Zurück

1.2 Workday-Testbetrieb: BAG bestätigt Schadenersatzanspruch wegen unzulässiger Datenweitergabe

Datenschutz im Arbeitsverhältnis bleibt ein Minenfeld. Das BAG hat entschieden, dass die unzulässige konzerninterne Übertragung von Beschäftigtendaten zu Testzwecken der Software Workday einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz begründen kann. Unternehmen müssen künftig noch genauer prüfen, welche Daten sie wirklich benötigen – und was sie keinesfalls übertragen dürfen.

Eine deutsche Konzerngesellschaft plante 2017 die Einführung von Workday als konzernweit einheitliches Personalverwaltungssystem. Mit dem Betriebsrat schloss sie hierzu eine „Duldungs-Betriebsvereinbarung“, die festlegte, welche Stammdaten zu Testzwecken übertragen werden durften. Das Unternehmen übermittelte jedoch auch weitere personenbezogene Daten an die Konzernobergesellschaft in den USA. Der Kläger, seines Zeichens Betriebsratsvorsitzender, verlangte hierfür immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Das BAG gab der Klage statt und sprach ihm einen Schadensersatz in Höhe von EUR 200 zu (Urteil vom 08.05.2025 – 8 AZR 209/21)

Das BAG stellte klar, dass § 26 Abs. 1 BDSG (Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses) keine „spezifischere Vorschrift“ i.S.v. Art. 88 DSGVO (Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext) darstellt, da es an den erforderlichen Schutzmaßnahmen fehlt. Damit richtet sich die Zulässigkeit der Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext unmittelbar nach der DSGVO. Eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO („berechtigte Interessen“) kommt zwar grds. in Betracht, wenn Dummy-Daten für einen Testlauf nicht genügen. Im vorliegenden Fall war die Verarbeitung jedoch unzulässig, weil sie über die in der Duldungsbetriebsvereinbarung ausdrücklich erlaubten Daten hinausging.

Das BAG bejahte aus diesem Grund einen immateriellen Schaden. Bereits die unzulässige Weitergabe sensibler Daten an die Konzernobergesellschaft genüge, um einen Ersatzanspruch auszulösen. Der zugesprochene Betrag von EUR 200 verdeutlicht, dass Gerichte nicht zwingend hohe Summen zusprechen, sofern aber eine Vielzahl an Beschäftigten von der unzulässigen Datenverarbeitung betroffen sind, kann dies empfindliche finanzielle und auch reputative Auswirkungen auf ein Unternehmen haben.

Die Entscheidung des BAG zeigt plastisch, worauf beim Einsatz eines Testsystems zu achten ist:

  • Abschließende Aufzählung der durch das Testsystem erhobenen Daten
  • Dummy-Daten bevorzugen bzw. Notwendigkeit von Echtdaten begründen
  • Rechtslage im Konzern mit Blick auf Auslandsübertragungen prüfen
  • Vorab-Prozesse bei Ergänzungen/Erweiterungen der Datennutzung vereinbaren

Für die Praxis bedeutet dies, dass der Abschluss eines sorgfältig erarbeiteten (Duldungs-)Betriebsvereinbarung unerlässlich ist.

Die aktuelle Entscheidung zum datenschutzrechtlichen Schadenersatzanspruch steht dabei nicht im Widerspruch zu anderen Entwicklungen der Rechtsprechung. Zwar entschied das LAG Hessen am 04.12.2024 (5 TaBV 4/24), dass sich Regelungen zum Datenschutz in einer Betriebsvereinbarung nicht erzwingen lassen, da diese bereits gesetzlich vorgeschrieben sind Jedoch muss sich das Unternehmen an (datenschutzrechtliche) Regelungen halten; erst recht, wenn er diese in einer (freiwilligen) Betriebsvereinbarung tatsächlich vereinbart hat.

Jörn Kuhn und Annabelle Marceau

Zurück

1.3 Anspruch eines befristet beschäftigten Betriebsratsmitglieds auf Vertragsverlängerung?

Das BAG hat entschieden, dass die Wahl einer befristet beschäftigten Person in den Betriebsrat nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Befristung führt. Allerdings darf ein Unternehmen Betriebsratsmitglieder nicht wegen ihrer Betriebsratstätigkeit benachteiligen, etwa durch die Verweigerung eines Folgevertrags – andernfalls droht ein Anspruch auf den Abschluss des verweigerten Folgevertrags als Schadensersatz (BAG, Urt. v. 18.06.2025 – 7 AZR 50/24).

Beklagte war ein Unternehmen für logistische Dienstleistungen und schloss Anfang 2021 mit dem Kläger einen zunächst sachgrundlos auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag, der bis zum 14.02.2023 verlängert wurde. Im Sommer 2022 wurde der Kläger in den Betriebsrat gewählt. Von 19 Beschäftigten mit auslaufenden befristeten Verträgen erhielten 16 ein Angebot auf einen unbefristeten Vertrag – der Kläger nicht. Er machte geltend, dass dies allein an seiner Betriebsratstätigkeit liege, insbesondere an seiner Kandidatur auf der Gewerkschaftsliste. Das Unternehmen begründete seine Entscheidung mit der Arbeitsleistung und dem Verhalten des Klägers, nicht mit seiner Betriebsratstätigkeit.

Der Kläger blieb in allen drei Instanzen mit seiner Klage erfolglos. Das BAG erachtete die Befristung des Arbeitsvertrags für wirksam. Die Wahl in den Betriebsrat führt nicht zur automatischen Entfristung. Weder die Richtlinie 2002/14/EG noch die Artikel 27, 28 und 30 der Grundrechtecharta erfordern eine unionsrechtskonforme Reduktion von § 14 Abs. 2 TzBfG. Betriebsratsmitglieder sind ausreichend durch das Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG geschützt. In Streitfällen über eine mögliche Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds durch die Ablehnung eines Folgevertrags gilt ein abgestuftes System der Darlegungs- und Beweislast. Das Betriebsratsmitglied muss Indizien vortragen, die darauf schließen lassen, dass die Entscheidung des Unternehmens auf der Betriebsratstätigkeit beruht, da es sich hierbei um eine „innere Tatsache“ des Unternehmens handelt, die nicht direkt bewiesen werden kann. Kritische Äußerungen des Unternehmens, die einen Zusammenhang zur Betriebsratstätigkeit nahelegen, können dabei als belastende Indizien gewertet werden. Im streitgegenständlichen Fall konnte das Unternehmen aber nachvollziehbar darlegen, dass dem Kläger nur aufgrund seiner Arbeitsleistung und seinem Verhalten kein Folgevertrag angeboten wurde. Der Kläger konnte keine ausreichenden Indizien vorbringen, die eine Benachteiligung belegen.

Die Entscheidung zeigt, dass die Wahl in den Betriebsrat keine automatische Entfristung bewirkt. Unternehmen sollten jedoch sorgfältig vorgehen, um den Eindruck einer Benachteiligung zu vermeiden. Sie sollten stets nachvollziehbar dokumentieren, warum ein Folgevertrag nicht angeboten wird. Auch Führungskräfte sollten für den besonderen Schutz von Betriebsratsmitgliedern und das Begünstigungs- sowie Benachteiligungsverbot –auch im Umgang mit Befristungen - sensibilisiert werden.

Isabel Hexel

Zurück

1.4 Virtuelle Aktienoptionen im Fokus: So beeinflussen sie die Karenzentschädigung

Virtuelle Aktienoptionen galten lange als attraktives Vergütungsinstrument, da sie aufgrund des ihnen zuerkannten spekulativen Charakters weniger strengen Regeln unterlagen als z.B. klassische Boni. Doch das hat sich geändert: Das BAG hat neue Maßstäbe gesetzt und ein wegweisendes Urteil gefällt. Wie beeinflussen virtuelle Aktienoptionen nun die Karenzentschädigung bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot?

Ein Beschäftigter hatte mit seinem Unternehmen ein Wettbewerbsverbot vereinbart, das ihn für 12 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an einer Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen hinderte. Als Ausgleich sollte er eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erhalten. Der Streitpunkt war, ob virtuelle Aktienoptionen (sog. „Virtual Stock Options“ oder „VSOPs“), die dem Beschäftigten während seiner Tätigkeit gewährt wurden, als Teil der vertragsgemäßen Leistungen anzusehen sind.

Das BAG hat mit Urteil vom 27.03.2025 – 8 AZR 63/24 klargestellt, dass VSOPs bei der Berechnung der Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot entschädigungserhöhend zu berücksichtigen sind, wenn sie während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurden. Sofern sie nicht ausgeübt wurden, sind sie nicht entschädigungserhöhend zu berücksichtigen. Der spekulative Charakter der Optionen steht ihrer Berücksichtigung nicht länger entgegen, da auch andere variable Vergütungsbestandteile wie Boni oder Provisionen regelmäßig in die Karenzentschädigung einfließen.

Der Wert der zu berücksichtigenden VSOPs ist anhand des durchschnittlichen Marktwerts der letzten drei Jahre bzw. dem Durchschnitt des gesamten Arbeitsverhältnisses zu ermitteln. Unternehmen sind insoweit verpflichtet, die Berechnungsgrundlagen für den Wert der VSOPs offenzulegen, um eine transparente und nachvollziehbare Berechnung sicherzustellen.

Das Urteil des BAG zeigt deutlich, dass Unternehmen ihre Vergütungsmodelle und vertraglichen Regelungen genau unter die Lupe nehmen sollten. Insbesondere Arbeitsverträge mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten müssen überprüft werden. Unternehmen sollten sich fragen, ob ein solches Wettbewerbsverbot für bestimmte Beschäftigte wirklich notwendig ist oder ob es sinnvoller wäre, sich frühzeitig davon zu lösen. Falls ein Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nicht möglich ist, müssen Unternehmen damit rechnen, dass Karenzentschädigungen bei virtuellen Aktienoptionsprogrammen künftig deutlich höher ausfallen können.

Wenn es im Einzelfall nicht möglich ist, auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu verzichten, sollten Unternehmen prüfen, ob das VSOP anders gestaltet werden kann. Eine Möglichkeit wäre, die virtuellen Optionen nicht direkt durch das Unternehmen, sondern über die Konzernmuttergesellschaft zu gewähren. Dadurch würden sie nicht mehr als vertragsgemäße Leistungen im Sinne von § 74 Abs. 2 HGB gelten. Ebenso denkbar ist, die Ausübung der virtuellen Optionen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen. Diese Anpassungen können dazu beitragen, die finanziellen Auswirkungen auf die Karenzentschädigung zu reduzieren und gleichzeitig die rechtlichen Vorgaben einzuhalten.

In jedem Fall zeigt das Urteil einmal mehr, dass Vergütungsmodelle regelmäßig überprüft und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden müssen, um die daraus resultieren finanziellen Risiken für Unternehmen zu minimieren.

Alexandra Groth

Zurück

1.5 Das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX und wann es zu beachten ist

Das BAG hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der Kündigung einer schwerbehinderten Person stets ein Präventionsverfahren vorangehen muss, und kam dabei zu erfreulichen Erkenntnissen für Unternehmen. 

Das beklagte Unternehmen stellte den schwerbehinderten Kläger im Januar 2023 ein; die Schwerbehinderung war dem Unternehmen bekannt. Noch im März 2023 kündigte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis zum 15.04.2023. Der Kläger vertrat im Kündigungsschutzprozess die Auffassung, die Kündigung sei unter anderem wegen der unterbliebenen Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX unwirksam.

Die Angriffe des Klägers gegen die Kündigungen verfingen in letzter Instanz beim BAG nicht (Urteil vom 03.04.2025 – 2 AZR 178/24). Insbesondere lag nach Auffassung des BAG kein Verstoß gegen § 167 Abs. 1 SGB IX vor, da diese Vorschrift während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses nicht zur Anwendung komme. Grund dafür sei ein Gleichlauf mit der Geltung des KSchG, das gem. § 1 Abs. 1 KSchG erst nach Ablauf einer sechsmonatigen Wartezeit gelte. Der Wortlaut des § 167 Abs. 1 SGB IX stelle auf das „Eintreten von personen-­, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten“ im Arbeitsverhältnis ab und knüpfe damit erkennbar an die Terminologie des KSchG an. Zwar sei die vorherige Durchführung eines Präventionsverfahrens keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung, jedoch konkretisiere § 167 Abs. 1 SGB IX den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der eben nur im zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des KSchG Anwendung fände.

§ 167 Abs. 1 SGB IX ist eine Vorschrift, die in der Praxis kaum wahrgenommen wird. Dabei hat sie durchaus das Potential, die ohnehin erschwerte Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten noch weiter zu verkomplizieren. Anders als § 167 Abs. 2 SGB IX, der das betriebliche Eingliederungsmanagement für alle Beschäftigten regelt, gilt § 167 Abs. 1 SGB IX tatsächlich nur für Beschäftigte mit Behinderung. Die Auswirkungen einer Missachtung des § 167 Abs. 1 SGB IX sind indes ähnlich wie bei einem Verstoß gegen § 167 Abs. 2 SGB IX: Eine arbeitgeberseitige Kündigung kann sich allein aus diesem Grund als unverhältnismäßig und damit als unwirksam erweisen. Auch kann das Integrationsamt bei der Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung gem. § 168 SGB IX ein fehlendes Präventionsverfahren zu Lasten des Unternehmens bewerten.

Für die Praxis zudem erfreulich dürfte eine eher beiläufig erfolgte Äußerung des BAG sein: Zwar könne ein Verstoß des Unternehmens gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung begründen. Denn solche Pflichtverletzungen könnten den Anschein erwecken, dass an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen kein Interesse bestünde. Kenne das Unternehmen allerdings bei Einstellung die Behinderung, sei es zweifelhaft, ob diese Vermutung unbesehen eingreifen könne, wenn erst im Lauf des Arbeitsverhältnisses gegen behinderungsspezifische Regelungen verstoßen werde. Dieser Hinweis des BAG kann sich als durchaus hilfreich erweisen, wenn sich Unternehmen mit einem Entschädigungsverlangen wegen vermeintlicher Diskriminierung aufgrund einer Behinderung nach § 15 AGG und den damit verbundenen Beweiserleichterungen gem. § 22 AGG konfrontiert sehen.

Kathrin Vossen

Zurück

1.6 Freistellungsklausel unwirksam: LAG Niedersachsen unterstreicht Stellenwert des Beschäftigungsinteresses

Eine pauschale arbeitsvertragliche Klausel, die es dem Unternehmen erlaubt, einen Beschäftigten ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen innerhalb der Kündigungsfrist freizustellen, ist nach § 307 BGB unwirksam. So entschied das LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 22.05.2025 (5 SLa 249/25) und erhöht damit die Anforderungen an die Formulierung von wirksamen Freistellungsklauseln unter dem Gesichtspunkt des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger begehrte eine Entschädigung für den Entzug seines Dienstwagens nach erfolgter Freistellung aufgrund seiner Eigenkündigung während noch laufender Kündigungsfrist mit der Begründung, eine Freistellung sei nicht wirksam erfolgt. Die arbeitsvertragliche Freistellungsklausel berechtigte die Beklagte, den Kläger „bei oder nach Ausspruch einer Kündigung – gleich von welcher Seite – unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung von der Arbeitsleistung freizustellen“. Die Dienstwagenregelung sah wiederum eine Widerrufsmöglichkeit der Dienstwagennutzung für den Fall der Freistellung des Klägers vor.

Das LAG Niedersachsen gab der Klage mit der Begründung statt, der wirksame Widerruf der Dienstwagennutzung sei entsprechend den arbeitsvertraglichen Regelungen nur im Falle einer wirksam und rechtmäßig erfolgten Freistellung möglich. Eine Freistellungsregelung, die dem Unternehmen die Berechtigung einräumt, einen Beschäftigten im Falle einer Kündigung ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen freizustellen, sei mit den wesentlichen Grundgedanken des höchstrichterlich anerkannten Beschäftigungsanspruchs allerdings nicht vereinbar und daher wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist könne der Beschäftigungsanspruch nur dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwürdige Interessen des Unternehmens oder jedenfalls sachliche Gründe entgegenstünden. Letztere müssen dabei jedoch auch ein konkretes Freistellungsinteresse des Unternehmens wiederspiegeln. Die Beschäftigungspflicht im laufenden Arbeitsverhältnis habe einen derart hohen Stellenwert, dass allein der Umstand einer Kündigung die gegenteiligen Interessen des Unternehmens nicht ausreichend zum Ausdruck bringen könne.

Das LAG Niedersachsen wirft mit seiner Entscheidung die Frage auf, ob eine formularmäßige Freistellungsmöglichkeit von Beschäftigten allein aufgrund einer Kündigung wirksam sein kann. Sollte dies nicht der Fall sein, sind Arbeitsverträge zu überprüfen und ggf. anzupassen. Die Revision ist anhängig unter dem Aktenzeichen 5 AZR 108/25. Die mit Spannung zu erwartende Entscheidung des BAG dürfte vor diesem Hintergrund eine massive Auswirkung auf die arbeitsrechtliche Vertragsgestaltung in der Praxis mit sich bringen.

Lisa Striegler

Zurück

1.7 Kürzung der Betriebsratsvergütung: Wer trägt die Beweislast?

Das BAG hat mit Urteil vom 20.03.2025 – 7 AZR 46/24 Klarheit geschaffen: Unternehmen tragen die Darlegungs- und Beweislast, wenn sie zuvor gewährte Vergütungserhöhungen, welche das Betriebsratsmitglied als Anpassung seines Entgelts entsprechend § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG verstehen durfte, korrigieren. Das Unternehmen hat in diesem Fall darzulegen und zu beweisen, dass die zuvor gewährte Vergütungserhöhung objektiv fehlerhaft war.

Nach der Entscheidung des BGH vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22 zur Untreuestrafbarkeit bei überhöhtem Arbeitsentgelt für ein Betriebsratsmitglied unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot, sah sich die Beklagte zur Überprüfung der gewährten Einstufung und Vergütung des Klägers, eines seit 2002 freigestellten Betriebsratsmitglieds, veranlasst. Infolgedessen wurde seine Vergütung nach unten hin „korrigiert“ - er wurde von der Entgeltstufe 20 in die Entgeltstufe 17 bzw. 18 zurückversetzt. Daraufhin zog er vor Gericht.

Die Vorinstanz, das LAG Niedersachsen, hatte mit Urteil vom 08.02.2024 – 6 Sa 559/23 entschieden, dass auch bei einer Korrektur der Vergütungserhöhung, die Darlegungs- und Beweislast weiterhin beim betroffenen Betriebsratsmitglied liege. Auch in diesem Fall müssen die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs auf Vergütungsanpassung vom Betriebsratsmitglied dargelegt werden.

Diese Grundsätze hatten vor dem BAG jedoch keinen Bestand. In seiner Entscheidung stellt das BAG klar, dass bei einer Korrektur der Vergütungserhöhung eine umgekehrte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bestehe. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass das Betriebsratsmitglied bei einer unter Berufung auf § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG gewährten Entgelterhöhung in der Regel davon ausgehen dürfe, das Unternehmen erfülle seine betriebsverfassungsrechtliche Anpassungsverpflichtung. Aufgrund dessen habe das Betriebsratsmitglied keine Veranlassung dazu, eigene Vorkehrungen zu treffen, um seinen Entgeltanpassungsanspruch zu sichern, und sei im Ergebnis auf Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast angewiesen.

Die Entscheidung des BAG bringt neue Herausforderungen für Unternehmen mit sich. Möchte ein Unternehmen eine bereits erfolgte Vergütungsanpassung nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG rückgängig machen, ist es nun verpflichtet, konkret darzulegen und nachzuweisen, warum die bisherige Vergütungsentwicklung nicht mit derjenigen vergleichbarer Beschäftigter übereinstimmt. Die bloße Behauptung einer überhöhten Zahlung stellt keinen ausreichenden Nachweis dar. Unternehmen sollten daher die Tatsachengrundlagen, insbesondere die konkreten Daten der Vergleichspersonen sowie deren betriebsübliche Gehaltsentwicklung, sorgfältig und rechtssicher dokumentieren, um die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Streitfall vollumfänglich erfüllen zu können. Denn trotz des damit verbundenen höheren Darlegungsaufwands, sollte die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder – insbesondere unter Berücksichtigung der BGH-Entscheidung zur Untreuestrafbarkeit – angepasst werden, sofern in der Vergangenheit eine überhöhte Vergütung gewährt wurde.

Dora Udovičić

Zurück

1.8 Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Einrichtung einer internen Meldestelle

Die Nutzung einer internen Meldestelle für Hinweisgeber (Whistleblower) bedarf der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (ArbG Zwickau, Beschl. v. 20.03.2025 – 9 BV 12/24).

Das Unternehmen, ein Senioren- und Seniorenpflegeheim, hatte auf Konzernebene eine interne Meldestelle eingerichtet und hierzu eine Verfahrensanweisung im Intranet veröffentlicht, die den Umgang und das Verfahren bei internen Meldungen unternehmensübergreifend regelte. Der bei dem Unternehmen gebildete, lokale Betriebsrat machte daraufhin Mitbestimmungsrechte bei der Nutzung und Ausgestaltung der internen Meldestelle geltend. Bei dem Unternehmen existiert ebenfalls ein Konzernbetriebsrat.

Während das „Ob“ der Errichtung einer internen Meldestelle aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung nach § 12 Abs. 1 HinSchG der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen ist, soll das „Wie“, d.h. die konkrete Nutzung der Meldestelle, der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen. Es komme nach Auffassung des Gerichts nicht darauf an, ob eine Pflicht der Beschäftigten zur Meldung bestehe. Maßgeblich sei allein, dass das Verhalten der Beschäftigten durch Verfahrensanweisungen zur Nutzung der internen Meldestelle gesteuert werden solle; eine Steuerung werde aber nicht nur durch obligatorische Vorgaben erreicht. Auch die in der Verfahrensanweisung gegebenen „Soll-Vorgaben“ seien geeignet, das Verhalten der Beschäftigten zu steuern.

Darüber hinaus stellte das ArbG klar, dass dem Betriebsrat auch ein Initiativrecht zur Verhandlung über Verfahrensanweisungen zustehe. Selbst wenn das Unternehmen also nur eine interne Meldestelle errichtet und keine entsprechende Verfahrensanweisung erlässt, kann der Betriebsrat von sich aus initiativ Regelungen zur Nutzung der internen Meldestelle fordern.

Wichtig für Unternehmen ist, dass weder die Entscheidung über das „Outsourcing“ der Meldestelle noch die Beauftragung eines konkreten Dritten mit der Errichtung der Meldestelle der Mitbestimmung unterliegen. Das Unternehmen kann also etwa frei entscheiden, die Meldestelle an eine externe Rechtsanwaltskanzlei auszulagern (hierzu LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 08.07.2025 – 2 TaBV 16/24).

Unternehmen, die Teil eines Konzerns sind, können die interne Meldestelle auch bei einer anderen Konzerngesellschaft errichten und so verschlankte Strukturen nutzen, vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HinSchG (sog. „Konzernlösung“). Dies bietet den großen Vorteil, dass für die interne Meldestelle konzerneinheitliche Vorgaben getroffen werden können. Für die Verhandlungen über die Verfahrensanweisung zur Nutzung der internen Meldestelle ist in dieser Konstellation der Konzernbetriebsrat zuständig, sodass divergierende Regelungswerke vermieden und Beteiligungsrechte nur von einem Gremium ausgeübt werden können.

In dem vom ArbG Zwickau zu entscheidenden Fall konnte der lokale Betriebsrat aufgrund der vorrangingen Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gemäß § 58 Abs. 1 BetrVG im Ergebnis keine Beteiligungsrechte geltend machen. Der Antrag wurde daher zurückgewiesen.

Marko Vraetz

Zurück

1.9 Kein Sonderkündigungsschutz für Betriebsrats-Initiatoren in der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG

Seit Juni 2021 genießen auch die sog. „Vorfeld-Initiatoren“ einer Betriebsratswahl einen besonderen Kündigungsschutz. Dies sind Beschäftigte, die eine Vorbereitungshandlung für die Errichtung eines Betriebsrats unternommen und eine öffentlich beglaubigte Erklärung nach § 129 BGB mit dem Inhalt abgegeben haben, dass die Absicht besteht, einen Betriebsrat zu errichten. In einer Entscheidung vom 20.08.2025 (10 SLa 2/25) hat das LAG München nun entschieden, dass dieser Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 3a KSchG nicht während der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG greift. Zudem wurde klargestellt, dass das Recht, sich auf diesen Sonderkündigungsschutz zu berufen, verwirkt sein kann, wenn der Beschäftigte das Unternehmen nicht zeitnah über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG informiert.

Nach der nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung hat das LAG München anders als noch die Vorinstanz einem sich noch in der Wartezeit befindlichen Sicherheitsmitarbeiter, der kurz nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses die Gründung eines Betriebsrats initiiert und dies durch eine notarielle Erklärung gemäß § 15 Abs. 3b KSchG dokumentiert hatte, einen Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3a KSchG abgesprochen. Die von dem Unternehmen nach Information des Beschäftigten über die beabsichtigte Gründung eines Betriebsrats noch in der Wartezeit ausgesprochene ordentliche fristgerechte Kündigung unterfalle nicht § 15 Abs. 3a KSchG. Die Auslegung der gesetzlichen Regelung ergebe, dass dieser ausschließlich für Kündigungen im zeitlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gelte. Darüber hinaus sei das Recht des Klägers sich auf den Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG zu berufen verwirkt, da er die Beklagte nicht innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, jedenfalls aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der öffentlich beglaubigten Absichtserklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG informiert hat.

Das Urteil des LAG München ist zu begrüßen, wird doch so verhindert, dass Beschäftigte versuchen, sich bereits ab dem ersten Tag ihrer Tätigkeit einen Kündigungsschutz zu verschaffen und so den gesetzgeberisch gewollten Erprobungszeitraum von 6 Monaten, in dem eine unternehmensseitige Kündigung erleichtert möglich ist, zu umgehen. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie noch intensiver diese Zeit nutzen, um den Beschäftigten zu erproben, und frühzeitig reagieren, sollte der Beschäftigte kulturell nicht zu dem Unternehmen passen. Da auch in der Probezeit die Kündigung nicht auf der Gründungsinitiative beruhen darf, sollte die hiervon losgelösten Kündigungsgründe zudem dokumentiert werden.

Das Urteil des LAG München ist noch nicht rechtskräftig, da die Revision im Hinblick auf die noch nicht entschiedenen Rechtsfragen einer Geltung von § 15 Abs. 3b KSchG in der Wartezeit und die Frage der Verwirkung des Rechts, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen, zugelassen wurde.

Anja Dombrowksy

Zurück

2. Gesetzgebung

2.1 Referentenentwurf zur Reform des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes

Am 07.07.2025 ist der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung bekanntgegeben. Der Koalitionsvertrag hatte zum Inhalt, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) weiter gestärkt wird. Die Novelle zielt nun darauf ab, Kontrollen zu fokussieren, digitale Verfahren zu stärken und Sanktionen zu verschärfen.

Im Anschluss an die letzte größere Änderung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes in 2019 soll erneut die Prüf- und Ermittlungskompetenzen der FKS ausgeweitet werden. Ein Schwerpunkt des Referentenentwurfs bilden insoweit die Anpassungen in § 14a SchwarzArbG („Kleine Staatsanwaltschaft“). Im Referentenentwurf bildet sich an vielen Stellen ab, dass das gesamte Vorgehen der FKS noch stärker Risiko-orientiert erfolgen soll. So sollen „rechtstreue“ Unternehmen auch weniger geprüft werden. Umgekehrt sollen Betriebe nach Gefährdungspotenzial priorisiert kontrolliert werden.

Eine zentrale Rolle spielt die Digitalisierung von Prozessen. Dieses zieht sich an vielen Stellen durch und ist im Besonderen im Bereich des behördlichen Datenaustauschs wieder zu finden.

Der Branchenkatalog nach § 2a SchwarzArbG wird durch die Aufnahme des Friseur- und Kosmetikgewerbe angepasst. Damit gelten die Ausweis- und Aufzeichnungspflichten in einem sehr weiten Sektor, der bislang möglicherweise etwas unterm Radar lief. Zeitgleichem entfällt der Sektor Forstwirtschaft.

Unternehmen, Auftraggeber und Entleiher müssen sich auf erweiterte Mitwirkungs- und Duldungspflichten einstellen (§ 5 SchwarzArbG). Ausdrücklich sieht der Referentenentwurf die Verpflichtung zur elektronische Datenbereitstellung und eine aktive Erläuterungspflicht vor.

Interessant ist die beabsichtigte Neuregelung des § 7 Abs. 1a SchwarzArbG, die die Grundlage von Sammelauskunftsersuchen gegen Plattform- und Medienanbieter bei Verdacht illegaler Arbeitsvermittlung beinhaltet. Es steht zu erwarten, dass sich das auf bestimmte Plattformen, auf denen Werk- oder Dienstleistungen angeboten werden, erheblich auswirkt.

Daneben wird es weitere, schärfere Sanktionen. Beispielhaft ist hier der neue Straftatbestand für banden- bzw. gewerbsmäßige Schwarzarbeit.

Jörn Kuhn

Zurück

2.2    Stärkung der betrieblichen Altersversorgung – Bundeskabinett beschließt Entwurf des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz

Das Bundeskabinett hat am 03.09.2025 den Entwurf des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes beschlossen. Der nunmehr beschlossene Entwurf des BRSG II ist inhaltlich weitgehend an den ursprünglichen Entwurf aus September vergangenen Jahres angelehnt. Das macht einige Änderungen nicht weniger begrüßenswert. Der Entwurf des BRSG II bezweckt insbesondere einen Ausbau der Maßnahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes aus 2018. Nachfolgend wer-den einige der zentralen Aspekte skizziert. 

Zentraler Bestandteil des Entwurfs ist die Weiterentwicklung des Sozialpartnermodells und damit der reinen Beitragszusage als Zusageform der betrieblichen Altersversorgung. Die Weiterentwicklung soll insbesondere die Teilnahme von nicht tarifgebundenen Unternehmen und Beschäftigten als Dritte ermöglichen. Dazu sollen Sozialpartnermodelle – mit Zustimmung der jeweiligen Sozialpartner – für alle Beschäftigten im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Gewerkschaft geöffnet werden. Das erscheint nicht nur angesichts einer rückläufigen Tarifbindung sinnvoll, um die betriebliche Altersversorgung in Deutschland insgesamt zu verbreitern. 

Ebenfalls zur Verbreiterung der betrieblichen Altersversorgung beitragen sollen die erweiterten Möglichkeiten für sogenannte Opting-Out-Systeme zur automatischen Entgeltumwandlung auf betrieblicher bzw. betriebsverfassungsrechtlicher Ebene. Zukünftig sollen die Betriebsparteien unter bestimmten Voraussetzungen „auch ohne tarifvertragliche Grundlage“ ein Opting-Out-System via Betriebs- oder Dienstvereinbarung einführen können. Opting-out meint, dass die Ent-geltumwandlung automatisch erfolgt, ohne dass eine separate Zustimmung jedes einzelnen Beschäftigten erforderlich ist. Die Beschäftigten müssen einer Partizipation aktiv widersprechen (Opting-Out), um nicht an der betrieblichen Altersversorgung teilzuhaben.

Unternehmen sollen zukünftig – mit Zustimmung des Arbeitnehmers – Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung im doppelten Umfang als bislang abfinden können. Allerdings muss das Unternehmen den Abfindungsbetrag unmittelbar zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung verwenden.

Im Übrigen sieht der Entwurf vor, dass die Einkommensgrenze beim sogenannten „BAV-Förderbetrag“ gem. § 100 EStG für Beschäftigte mit geringen Einkommen moderat erhöht und künftig regelmäßig angepasst wird. Auf diesem Wege soll der Zugang zu einer betrieblichen Altersversorgung für Beschäftigte mit geringen Einkommen verbessert werden. 

Häufig ist die (rechtliche) Perspektive in der betrieblichen Altersversorgung eine analysierende vergangenheitsbezogene Betrachtungsweise. Der Blick des gegenständlichen Entwurfs geht zumindest in die Zukunft. 

Moritz Coché

Zurück

3. HR neu denken! – Alle Jahre wieder – Jahresendspurt für die HR-Abteilungen

Das letzte Quartal des Jahres steht vor der Tür. Für viele HR-Abteilungen bedeutet das noch einmal Hochbetrieb. In unserer Kategorie „HR neu denken!“ möchten wir daran erinnern, welche To-Dos noch vor dem Jahreswechsel abgehakt werden sollten:

1. Vorbereitung Zielvorgaben und Zielvereinbarungen

Erst kürzlich sprach das BAG einem Beschäftigten einen Schadensersatzanspruch aufgrund verspäteter Zielvorgabe zu (Urteil vom 19.02.2025 – 10 AZR 57/24). Unternehmen sollten sich deshalb bereits rechtzeitig zum Jahresende mit persönlichen, aber auch den unternehmenserfolgsabhängigen Zielen auseinandersetzen und diese festlegen und vereinbaren. Eine rechtzeitige Festlegung bzw. Vereinbarung von Zielen minimiert das Risiko teurer Schadensersatzforderungen. Eine sorgfältige Dokumentation erleichtert zudem die Auseinandersetzung im Streitfall.

2. Hinweis auf Urlaubsanspruch und Verfall von Urlaubsansprüchen

Die Beschäftigten sollten nachweisbar jährlich zu Beginn eines Jahres auf ihren Urlaubsanspruch sowie den Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen werden. Denn nach dem Urteil des BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15 verfallen und verjähren Urlaubsansprüche nur, wenn die Beschäftigten durch das Unternehmen vorher rechtzeitig auf einen drohenden Verfall bzw. eine herannahende Verjährung hingewiesen haben. Sollte ein entsprechendes Musterschreiben hierfür noch nicht existieren sollte das Q4 dafür genutzt werden, entsprechende Muster zu erstellen und an die Beschäftigten (bestenfalls in Textform, z.B. per E-Mail) zu versenden. Sollten langzeiterkrankte Beschäftigte jedenfalls einen Teil des Jahres noch beschäftigt worden sein, sollten auch diese auf die Urlaubsansprüche und deren Verfall hingewiesen werden (vgl. BAG, Urt. v. 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19).

3. Vergütungsanpassungen (Mindestlohn; Tariferhöhungen), Anpassung BBG, Rückstellungen bilden, Meldungen an Finanzamt, Sozial- und Krankenversicherungen,

Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 01.01.2026 auf EUR 13,90 brutto pro Stunde an. Hieran orientiert sich sodann auch die Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigungen (Minijobs), die ab 2026 auf EUR 603 (derzeit EUR 556) ansteigt. Auch erfolgen im Jahr 2026 wieder Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst. Die Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) soll 2026 insbesondere für die Renten- und Arbeitslosenversicherung von aktuell EUR 8.050 auf EUR 8.450 monatlich angehoben werden. Auch in der Kranken- und Pflegeversicherung sind Anstiege der Beitragsbemessungsgrenze geplant. Unternehmen sollten frühzeitig sicherstellen, dass die Meldungen an Finanzamt, Sozial- und Krankenversicherungen rechtzeitig erfolgen und, falls dieser erforderlich ist (mind. 10 Beschäftigte), ein Lohnsteuerjahresausgleich vornehmen. Auch etwaige Rückstellungen (Urlaub, Pensionen, variable Vergütungsbestandteile, Zuwendungen, Überstunden, Abfindung) sollten frühzeitig gebildet werden, um zukünftigen Verpflichtungen nachkommen zu können.

4. Umsetzung der EU-Entgelttransparenz-RL

Mit der Entgelttransparenzrichtlinie 2023/970/EU versucht der europäische Gesetzgeber die Gender-Pay-Gap zwischen Männern und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu schließen. Das Ziel der Herstellung von Entgelttransparenz und Entgeltgleichheit soll unter anderem durch deutlich umfangreichere Pflichten für alle Unternehmen sowie deutlich strengere Konsequenzen bei Verstößen erreicht werden. Bis zum 07.06.2026 müssen die Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Die Richtlinie gilt für alle privaten und öffentlichen Unternehmen, unabhängig von der Größe des Unternehmens, sodass mit der Prüfung von bestehenden Entgeltsystem frühzeitig begonnen werden sollte.

Katharina Schäffer

Zurück

4. Arbeitsschutz im Fokus: Wo steht Ihr Unternehmen?

Hand aufs Herz: Wie konsequent wird Arbeitsschutz in Ihrem Unternehmen gelebt?
Unsere kompakte Übersicht zeigt Ihnen die wichtigsten Maßnahmen und liefert eine praxisnahe Checkliste zur Arbeitsschutzorganisation. So erkennen Sie auf einen Blick, wo Ihr Unternehmen bereits gut aufgestellt ist – und wo ggfs. noch unentdeckte Risiken stecken.

Zurück

 

Zurück zur Übersicht

Anja Dombrowsky

Anja Dombrowsky

PartnerinRechtsanwältin

OpernTurm
Bockenheimer Landstraße 2-4
60306 Frankfurt am Main
T +49 69 707968 184
M +49 151 1164 8694

E-Mail

LinkedIn

Alexandra Groth

Alexandra Groth

PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 341
M +49 152 2417 4406

E-Mail

LinkedIn

Isabel Hexel

Isabel Hexel

PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 348
M +49 172 1476 657

E-Mail

LinkedIn

Jörn Kuhn

Jörn Kuhn

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 349
M +49 173 6499 049

E-Mail

LinkedIn

Kathrin Vossen

Kathrin Vossen

PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 352
M +49 173 3103 154

E-Mail

LinkedIn

Dr. Alexander Willemsen

Dr. Alexander Willemsen

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 551
M +49 173 6291 635

E-Mail

LinkedIn

Moritz Coché

Moritz Coché

Junior PartnerRechtsanwalt

OpernTurm
Bockenheimer Landstraße 2-4
60306 Frankfurt am Main
T +49 69 707968 272
M +49 151 7037 8228

E-Mail

Dr. Johannes Kaesbach

Dr. Johannes Kaesbach

Junior PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 445
M +49 173 6254 719

E-Mail

LinkedIn

Annabelle Marceau

Annabelle Marceau

Junior PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 347
M +49 172 4610 760

E-Mail

LinkedIn

Katharina Schäffer

Katharina Schäffer

Junior PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

OpernTurm
Bockenheimer Landstraße 2-4
60306 Frankfurt am Main
T +49 69 707968 224
M +49 151 18441620

E-Mail

LinkedIn

Lisa Striegler

Lisa Striegler

AssociateRechtsanwältin

OpernTurm
Bockenheimer Landstraße 2-4
60306 Frankfurt am Main
T +49 69 707968 124
M +49 175 421 0847

E-Mail

LinkedIn

Dora Udovičić

Dora Udovičić

AssociateRechtsanwältin

T +49 (0) 221 2091 454

E-Mail

LinkedIn

Marko Vraetz

Marko Vraetz

AssociateRechtsanwalt

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 623
M +49 151 7031 4439

E-Mail

LinkedIn