Arbeitsrecht24.03.2021 Newsletter

Fokus Arbeitsrecht - 1. Quartal 2021

Es stand zu erwarten, dass sich aufgrund des während der Pandemie vermehrt genutzten Home-Office auch zunehmend die Gerichte mit dieser Arbeitsform beschäftigen müssen. Dabei geht es nicht nur um Fragestellungen, die sich unmittelbar aus der Nutzung des Home-Office ergeben, wie etwa Kostenerstattungsansprüche der Arbeitnehmer oder Rückrufmöglichkeiten der Arbeitgeber. Vielmehr findet das Home-Office auch vermehrt Eingang in die rechtliche Bewertung von Kündigungsschutzklagen, wie eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin zeigt. Aber auch andere interessante Entscheidungen, so z. B. die des BAG zur „Blanko“-Kündigung oder des LAG Düsseldorf zur Kürzung von Urlaub während Kurzarbeit, stellen wir Ihnen im ersten „Fokus Arbeitsrecht“ des Jahres 2021 vor. Selbstverständlich informieren wir Sie in gewohnter Weise zudem über wichtige Rechtsentwicklungen. 

1. Neue Rechtsprechung

1.1 Die außerordentliche „Blanko“-Kündigung

1.2 Die Beschäftigung im Home-Office als milderes Mittel zur Kündigung?

1.3 Kein Wegeunfall im Home-Office

1.4 Automatische Kürzung des Urlaubsanspruches bei Kurzarbeit Null

1.5 Hilfestellung zur Zuvor-Beschäftigung bei sachgrundloser Befristung durch das BAG

1.6 Entgeltgleichheitsklage – Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts

1.7 Unternehmensfremde Arbeitnehmer im Gesamtbetriebsrat

1.8 Rechtswidrige Regelung von Kinderzuschlägen in Sozialplänen

1.9 Keine Anpassung von Versorgungszusagen aus bilanziellen Gründen

1.10 Mitgliedschaft im Betriebsrat erlöscht nicht mit Freistellung des Arbeitnehmers

2. Rechtsentwicklungen

2.1 Entsendungen in das Vereinigte Königreich – Worauf gilt es nun zu achten?

2.2 Umsetzung der „Whistleblower“-Richtlinie: Angriff auf das Geschäftsgeheimnis?

1. Neue Rechtsprechung

1.1 Die außerordentliche „Blanko“-Kündigung

Für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 BGB ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung in Kenntnis eines wichtigen Grundes ist. Er kann sie auch „blanko“ erklären. Entscheidend ist, dass ein solcher Grund zu diesem Zeitpunkt zumindest bereits objektiv vorliegt.

Im Rahmen der Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde hat das BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung auch dann wirksam aussprechen kann, wenn er bei Zugang der Kündigung lediglich hoffen konnte, im Verlaufe des zu erwartenden Kündigungsrechtsstreits werde sich ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung noch „offenbaren“ (Beschluss vom 12.1.2021 – 2 AZN 724/20). Die Rechtsordnung missbillige es keineswegs, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung zunächst ohne jeden auch nur ansatzweise tragfähigen Grund erkläre. Denn er dürfe durchaus auf den Eintritt der Wirksamkeitsfiktion aufgrund nicht rechtzeitiger Klageerhebung durch den Arbeitnehmer gemäß §§ 4, 7 KSchG hoffen oder auch auf einen gerichtlichen Abfindungsvergleich. Da es nur darauf ankomme, ob zum Zeitpunkt der Kündigung ein wichtiger Grund zumindest objektiv vorgelegen habe, sei die subjektive Kenntnis des Arbeitgebers davon bei Zugang der Kündigung ohne Bedeutung. Eine Grenze sei lediglich dort zu ziehen, wo sich die Kündigung als sittenwidrig, maßregelnd oder diskriminierend darstelle. Dementsprechend spiele es auch keine Rolle, ob ein ursprünglich herangezogener Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung bereits verfristet war (§ 626 Abs. 2 BGB).

Die Entscheidung ist nicht nur wegen ihrer Klarheit erfreulich. Sie vergrößert die Handlungsoptionen des Arbeitgebers erheblich. Es sind durchaus Fallgestaltungen denkbar, in denen der Arbeitgeber bei Ausspruch einer fristlosen Kündigung (noch) keine Gewissheit über einzelne Verfehlungen des Arbeitnehmers hat und die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung (noch) nicht vorliegen, der Arbeitgeber aber aus unterschiedlichsten Gründen bereits kurzfristig eine fristlose Kündigung aussprechen möchte. Ihm ist es nach dieser Rechtsprechung möglich, die Dauer des Kündigungsrechtsstreits zu nutzen, um bereits erfolgte schwere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu Tage zu fördern und in den laufenden Prozess einzubringen. Dass dies bei Bestehen eines Betriebsrats auch noch dessen vorherige Beteiligung erfordert, darf natürlich nicht vergessen werden.   

Kathrin Vossen

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1.2 Die Beschäftigung im Home-Office als milderes Mittel zur Kündigung?

Infolge der Corona-Pandemie hat die Nutzung von Home-Office sehr stark zugenommen und wird vor allem auch für die Zeit nach der Corona-Krise als Arbeitsmodell von vielen Beschäftigten stärker als früher präferiert. Dies hat allerdings auch kündigungsschutzrechtliche Auswirkungen. So hat das ArbG Berlin mit Urteil vom 10.8.2020 - 19 Ca 13189/19 einer Kündigungsschutzklage stattgegeben, da es die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung im Home-Office eines von einer Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmers als milderes Mittel zu dessen Versetzung an einen anderen Standort der Beklagten bewertete.

Im Streitfall ging es um die geplante Schließung einer Filiale in Berlin, in der die Klägerin als Vertriebsassistentin tätig war. Die Arbeitgeberin kündigte der Klägerin im Wege der Änderungskündigung und bot dieser gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Arbeitsort in Wuppertal an. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sei allerdings eine Änderung der Arbeitsbedingungen dergestalt, dass die Klägerin ihre Tätigkeit von zu Hause fortsetze, weniger einschneidend und damit ein milderes Mittel im Vergleich zur ausgesprochenen Änderungskündigung. Zwar bestehe derzeit kein grundsätzlicher Anspruch eines Arbeitnehmers auf einen häuslichen Arbeitsplatz, allerdings seien immer sämtliche Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Im besagten Fall hatte der Arbeitgeber nicht dargelegt, warum eine physische Präsenz der Klägerin am Standort Wuppertal zur Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben notwendig sei. Demgegenüber hatte die Klägerin substantiiert begründet, dass ihre Tätigkeit derart digitalisiert sei, dass sie auch von zu Hause aus arbeiten könne.

Arbeitgeber sollten daher nicht nur ihre bisherige Praxis bei der Gewährung von Home-Office auch in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht überdenken, sondern bereits im Vorfeld betrieblicher Restrukturierungen oder Kündigungsszenarien das Thema Home-Office entsprechend beleuchten, um einem vergleichbaren Einwand, wie ihn diesem Fall beschrieben, wirksam zu begegnen.

Isabel Hexel

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1.3 Kein Wegeunfall im Home-Office

Aufgrund der andauernden Tätigkeit vieler Arbeitnehmer im Home-Office stellt sich immer wieder die Frage, ob und in welchem Umfang ein Unfallversicherungsschutz von Beschäftigten im Home-Office besteht. Der Unfall auf dem Weg ins Home-Office zur Arbeitsaufnahme stellt jedenfalls – anders als der Unfall auf dem Weg zur Betriebsstätte des Arbeitgebers – keinen von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckten Wegeunfall dar.

Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst gem. § 8 SGB VII grundsätzlich auch Unfallereignisse auf Wegen innerhalb des häuslichen Bereichs. Entgegen der Vorinstanz hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 9.11.2020 – L 17 U 7487/19 jedoch festgestellt, dass ein Arbeitnehmer, der sich auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zu Arbeitsaufnahme im Home-Office verletzt, keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung genießt.

Der Kläger, ein Gebietsverkaufsleiter im Außendienst, war auf dem Weg in das sich in seinem Wohnhaus befindliche Arbeitszimmer die Treppe hinuntergestürzt und hatte sich einen Bruch eines Brustwirbels zugezogen. Der beklagte Unfallversicherungsträger wollte den Unfall nicht als Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 2 SGB VII anerkennen, da sich der Sturz im privaten Treppenhaus zugetragen hatte. Diesem Ergebnis schloss sich das LSG Nordrhein-Westfalen an. Für das Vorliegen des Versicherungsschutzes sei erforderlich, dass sich der Unfall entweder auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg von und nach dem Ort der Tätigkeit oder auf einem versicherten Betriebsweg ereignet. Für die Anerkennung eines Wegeunfalls sei mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich, dass der Beschäftigte die Außentür seines Wohnhauses durchquere. Auch lehnten die Richter einen Unfall auf einem Betriebsweg ab, da dies voraussetze, dass der Weg in Ausübung einer versicherten Tätigkeit zurückgelegt werde, Teil der versicherten Tätigkeit sei und damit der Betriebsarbeit gleichstehe. Da sich der Kläger bei dem Sturz erst auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme seiner Tätigkeit im Home-Office befand, lag auch kein solcher Betriebsweg vor.

Die Entscheidung reiht sich in die Linie der Rechtsprechung zum Unfallversicherungsschutz im Home-Office ein und ist damit wenig überraschend. Wenngleich die Grenze der Außentür für Betriebswege bei Tätigkeiten im Home-Office nicht greift, bleibt sie die für den Unfallversicherungsschutz beim Wegeunfall maßgebliche Schwelle.

Alexandra Groth

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1.4 Automatische Kürzung des Urlaubsanspruches bei Kurzarbeit Null

Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers wird automatisch im Falle von Kurzarbeit Null anteilig gekürzt. Dies entschied jüngst das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 12.3.2021 - 6 Sa 824/20.

Im streitgegenständlichen Fall begehrte die in Teilzeit tätige Klägerin die Feststellung, dass ihr für das Kalenderjahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zusteht, obwohl bei der Beklagten in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 infolge der Corona-Pandemie Kurzarbeit Null eingeführt worden war. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat, ebenso wie die Vorinstanz, die Klage abgewiesen. In Monaten der Kurzarbeit Null habe die Klägerin nach Auffassung des Gerichts keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 BUrlG erworben. Der Jahresurlaub stünde ihr deshalb nur anteilig in gekürztem Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurarbeit Null sei der Urlaub um 1/12 zu kürzen, da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben seien. In Kurzarbeit Null befindliche Arbeitnehmer seien daher wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen sei.

Das LAG hat die Revision zum BAG aufgrund grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Es steht aber zu erwarten, dass auch das BAG der automatischen Kürzung des Jahresurlaubs bei Kurzarbeit Null zustimmen wird. Wir gehen allerdings davon aus, dass das BAG die Umrechnung taggenau anhand der bereits mit Urteil vom 19.3.2019 - 9 AZR 315/17 entwickelten Formel vornehmen wird. Zu begrüßen ist, dass das LAG Düsseldorf von einer automatischen Kürzung des Urlaubsanspruches ausgeht. Arbeitgeber, die infolge der Corona-Pandemie gezwungen waren, Kurzarbeit Null einzuführen, haben daher nur einen anteilig gekürzten Urlaubsanspruch ihrer Arbeitnehmer zu erfüllen. Dies steht auch im Einklang mit einem Urteil des EuGH, der bereits 2012 – im Anschluss an die Finanzkrise – Regelungen zur anteiligen Kürzung des Jahresurlaubs in einem Sozialplan bei Einführung von Kurzarbeit Null für zulässig erachtete.

Isabel Hexel

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1.5 Hilfestellung zur Zuvor-Beschäftigung bei sachgrundloser Befristung durch das BAG

Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierte Verbot einer sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber gilt nach Entscheidungen des BVerfG nicht, wenn seine Anwendung unzumutbar wäre (Beschl. v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14). Dies kann dann der Fall sein, wenn die Vorbeschäftigung ganz anders geartet war, z. B. bei zwischenzeitlicher beruflicher Neuorientierung oder einer absolvierten Aus- und Weiterbildung. Das BAG hat nun in seiner Entscheidung vom 16.09.2020 - 7 AZR 552/19 klargestellt, dass nicht jede Art von Weiterbildung hierfür ausreicht, sondern ein inhaltlicher Bruch der Erwerbsbiografie erforderlich ist.

Der klagende Arbeitnehmer hatte bis zum Jahr 1988 ein Hochschulstudium in der Fachrichtung Technische Gebäudeausrüstung mit der Qualifikation als Dipl.-Ingenieur absolviert. Nach verschiedenen Beschäftigungen bei anderen Unternehmen war der Kläger befristet für zwei Jahre bis zum 13.4.2011 bei der Beklagten im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement als Sachbearbeiter u.a. zur Vorbereitung und Durchführung von Bauverträgen tätig. Nach einem berufsbegleitend absolvierten Studium, dass der Kläger mit dem Abschluss „Verwaltungs- und Betriebswirt“ beendete, wurde er nach Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen erneut bei der Beklagten befristet für zwei Jahre ab dem 1.6.2015 als Referent im Referat „Betriebssicherheit“ eingestellt. Der Kläger machte sodann die Unwirksamkeit der Befristung aufgrund seiner Vorbeschäftigung geltend.

Das BAG gab dem Kläger recht und stellte fest, dass bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht jede Aus- und Weiterbildung zu einer Unterbrechung der Erwerbsbiografie führe, die das Verbot der wiederholten sachgrundlosen Befristung unzumutbar mache. Erforderlich sei vielmehr, dass die neue Tätigkeit die im Rahmen der Weiterbildung erlangten Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordere und sich diese wesentlich von denjenigen unterschieden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich gewesen seien. Im entschiedenen Fall erhalte die Erwerbsbiografie des Klägers jedoch keine neue Richtung durch die Weiterbildung, da die Vorbeschäftigung dem Kläger schon Fähigkeiten vermittelt habe, die er auch für die neue Tätigkeit benötige.

Angesichts der Vorgaben des BVerfG überrascht die Entscheidung des BAG zwar nicht, allerdings ist zu beachten, dass sie außerordentlich hohe Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG stellt. Arbeitgeber sollten daher, auch wenn Arbeitnehmer aufgrund einer Fortbildung neue Qualifikationen erhalten haben, eine Befristung sorgfältig abwägen und prüfen, ob durch diese tatsächlich eine Unterbrechung in der Erwerbsbiografie bewirkt wird und sich dies in der neuen Tätigkeit wiederspiegelt.

Anja Dombrowsky

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1.6 Entgeltgleichheitsklage – Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts

Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit und liegt nach Mitteilung des Arbeitgebers das Vergleichsentgelt der männlichen Kollegen über dem Entgelt der Frau, begründet allein dieser Umstand regelmäßig die widerlegbare Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist (BAG, Urteil v. 21.01.2021 – 8 AZR 488/19).

Die Klägerin, die bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt ist, erhielt im Jahr 2018 von der Beklagten Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG. Daraus ging hervor, dass das Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin lag. Mit ihrer Klage beanspruchte die Klägerin Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt und der ihr gezahlten Zulage sowie der ihr mitgeteilten Median-Entgelte. Die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen und argumentiert, es fehle an ausreichenden Indizien im Sinne von § 22 AGG, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren hätte.

Dem folgte das BAG nicht und erklärte vielmehr, die Klägerin habe gegenüber der ihr mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs.2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, da ihr Entgelt geringer sei als das der Vergleichsperson. Dieser Umstand begründe zugleich die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren habe. Das BAG konnte auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trage, diese Vermutung den Vorgaben von § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hatte und verwies das Verfahren daher zurück an die Berufungsinstanz. 

Diese viel beachtete Rechtsprechung des BAG wie auch der neue EU-Richtlinienvorschlag zur Gewährleistung von Lohntransparenz und einem besseren Zugang zur Justiz in Fällen von Lohndiskriminierung lassen erwarten, dass das Thema Entgeltgleichheit künftig vermehrt an Bedeutung gewinnt. Arbeitgeber sollten daher frühzeitig bestehende Entgeltstrukturen überprüfen und sich etwaiger Gehaltsdifferenzen zwischen männlichen und weiblichen Kollegen bewusstwerden, um diese anzugleichen oder im Zweifel darlegen zu können, dass es sich hierbei nicht um eine Lohndiskriminierung wegen des Geschlechts handelt.

Jennifer Bold

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1.7 Unternehmensfremde Arbeitnehmer im Gesamtbetriebsrat

Normalerweise handelt es sich bei Mitgliedern der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungsgremien um Arbeitnehmer des Unternehmens. Dass dies im Fall der Besetzung eines Gesamtbetriebsrats auch anders sein kann, hat nun das LAG Baden-Württemberg klargestellt.

Unterhalten mehrere Unternehmen gemeinsam einen Betrieb, spricht man von einem Gemeinschaftsbetrieb. Wird dort ein Betriebsrat gewählt, setzt sich dieser in der Regel aus Arbeitnehmern der beteiligten Unternehmen zusammen; je nach Wahlergebnis kann es jedoch auch sein, dass Arbeitnehmer eines beteiligten Unternehmens nicht gewählt worden sind. Wenn in den Trägerunternehmen des Gemeinschaftsbetriebes Gesamtbetriebsräte existieren, stellt sich die Frage, wen der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes dorthin entsenden soll.

Mit Beschluss vom 5.11.2020 - 14 TaBV 4/20 hat das LAG Baden-Württemberg klargestellt: Der Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebes darf auch „unternehmensfremde“ Arbeitnehmer in die Gesamtbetriebsräte der jeweils beteiligten Unternehmen entsenden. Für eine wirksame Entsendung in den Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 2 BetrVG bedarf es keines Arbeitsverhältnisses zum jeweiligen Trägerunternehmen, für den der Gesamtbetriebsrat gebildet wurde.

Damit wächst die Liste der Landesarbeitsgerichte, die eine Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat nicht davon abhängig machen, dass das jeweils entsandte Mitglied auch tatsächlich Arbeitnehmer des Trägerunternehmens ist (vgl. LAG Hessen v. 11. Dezember 2017 - 16 TaBV 95/17 und LAG München v. 22. Dezember 2017 - 9 TaBV 93/17). Die Fachliteratur ist in dieser Frage hingegen gespalten: Vielfach wird ein Systembruch bemängelt, wenn unternehmensfremde Arbeitnehmer über Angelegenheiten von Arbeitnehmern mitbestimmen, zu deren Arbeitgeber sie in keiner rechtlichen Beziehung stehen.

Da die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen wurde, wird dieser Disput bald höchstrichterlich geklärt. Das BAG dürfte die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg bestätigen. Künftig dürfte dies Betriebsräten in Gemeinschaftsbetrieben von Unternehmen, die ihrerseits über Gesamtbetriebsräte verfügen, zusätzliche strategische Möglichkeiten eröffnen: Die Entsendung eines „unternehmensfremden“ Mitglieds in den jeweiligen Gesamtbetriebsrat kann beispielsweise den Informationsfluss aus einem beteiligten Trägerunternehmen in ein anderes Trägerunternehmen des Gemeinschaftsbetriebes erhöhen. Dem Geheimnisschutz im Betriebsverfassungsrecht (vgl. § 79 BetrVG) wird in diesen Fällen besondere Bedeutung zukommen.

Dr. Alexander Willemsen

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1.8 Rechtswidrige Regelung von Kinderzuschlägen in Sozialplänen

Mit Urteil vom 28.10.2020 entschied das LAG Hessen, dass die pauschale Anknüpfung eines Kinderzuschlags an die Eintragung von Kindern auf der Lohnsteuerkarte innerhalb eines Sozialplans eine mittelbare Benachteiligung von Frauen darstellt und mithin unzulässig ist.

Auf die zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin fand ein zwischen der beklagten Arbeitgeberin und dem Betriebsrat vereinbarter Sozialplan Anwendung, welcher neben der Zahlung einer Abfindung die Auszahlung eines Kinderzuschlags für jedes am Stichtag auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Kind vorsah. Die Klägerin erhielt keinen Kinderzuschlag, da sie die Lohnsteuerklasse V gewählt hatte und darin das Lohnsteuerabzugsmerkmal “Kinderfreibetrag“ keine Berücksichtigung fand.

Das LAG Hessen gab der Berufung der Klägerin statt. Der Klägerin stehe der Kinderzuschlag nach dem Sozialplan i. V. m. dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG zu, da die Regelung innerhalb des Sozialplans unwirksam sei. Grundsätzlich werde der Kinderfreibetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal nach §§ 38b Abs. 2, 39 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 EStG berücksichtigt. Durch die Regelung im Sozialplan würden aber solche Mitarbeiter ausgeschlossen, die die Lohnsteuerklasse V gewählt hätten, da Kinderfreibeträge nur bei den Steuerklassen I bis IV berücksichtigt würden. Diese Regelung enthalte eine mittelbar auf dem Geschlecht beruhende Ungleichbehandlung, da die Lohnsteuerklasse V überwiegend von Frauen gewählt würde. Ehepaare entschieden sich häufig für die Lohnsteuerklassenkombination III/V, wenn erhebliche Unterschiede in der Höhe des Bruttoerwerbseinkommens bestünden. Zumeist seien es Frauen, die auch wegen Teilzeitarbeit das geringere Einkommen erzielten. Aufgrund dessen wirke das unterscheidende Kriterium, das Lohnsteuerabzugsmerkmal “Kinderfreibetrag“, als mittelbar diskriminierendes Merkmal i. S. v. § 1 AGG, wobei eine sachliche Rechtfertigung nicht gegeben sei.

Bei dem Abschluss von Sozialplänen mit dem Betriebsrat findet grundsätzlich über den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG eine Prüfung der Anforderungen des AGG statt, sodass bei der Gewährung von Kinderzuschlägen – der Rechtsprechung des LAG Hessen folgend – auf die grundsätzliche Existenz von unterhaltsberechtigten Kindern abgestellt werden sollte.

Annabelle Marceau

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1.9 Keine Anpassung von Versorgungszusagen aus bilanziellen Gründen

Das BAG hat mit Urteil vom 8.12.2020 - 3 AZR 64/19 über die Zulässigkeit einer Anpassung von Versorgungsregelungen auf Grundlage der Störung der Geschäftsgrundlage entschieden: Änderungen der bilanzrechtlichen Bestimmungen und die aktuelle Niedrigzinsphase reichen hierfür nicht aus.

Die Klägerin bezieht auf Grundlage einer ihrem verstorbenen Ehemann erteilten Ruhegehaltszusage aus dem Jahr 1976 eine Witwenrente. Die beklagte Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemanns hatte sich hierin verpflichtet, die Versorgungsbezüge entsprechend den maßgeblichen Tarifgehältern zu erhöhen. Dem kam sie bis 2016 auch nach, wobei sie in der Folge die Erhöhung aussetzte und sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage berief. Aufgrund des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes habe sie erheblich höhere Rückstellungen in ihre Handelsbilanz einstellen müssen, so dass sich der Barwert der Zusage mittlerweile verdoppelt habe.

Das BAG bekräftigte in seiner Entscheidung zwar, dass eine Anpassung von Versorgungsregeln im Wege der Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich möglich sei, die Voraussetzungen hierfür in der streitbefangenen Konstellation aber nicht vorlägen. Die Änderung der Rechtslage und damit verbundener erheblicher finanzieller Mehrbelastungen begründen dieses jedenfalls nicht. Auch die aktuelle Niedrigzinsphase führe nicht zu einer Äquivalenzstörung. Die geltend gemachte Erhöhung der Rückstellungen sei bereits in der Versorgungszusage angelegt und nicht zwingend durch gesetzliche Änderungen bedingt. So handele es sich bei Rückstellungen lediglich um ein Instrument der Innenfinanzierung. Soweit diese zwar einen Einfluss auf die Bilanz des Unternehmens hätten, berechtige dies noch nicht zu einer Anpassung der Versorgungsregelung, da die gesetzliche Risikoverteilung bei betrieblicher Altersversorgung selbst bei wirtschaftlicher Notlage keine Anpassung laufender Betriebsrenten auf Grundlage einer Störung der Geschäftsgrundlage vorsehe.

Im Ergebnis werden sich Unternehmen, welche in der Vergangenheit vergleichbare Versorgungszusagen erteilt haben, weiterhin die Frage stellen müssen, wie sie in der anhaltenden Niedrigzinsphase und den ansteigenden Verpflichtungen aus Versorgungszusagen eine rechtlich und betriebswirtschaftlich vertretbare Lösung finden können. Die Optionen möglicher „De-Risking“-Maßnahmen sind vielfältig. Mit dem Argument der Störung der Geschäftsgrundlage wird man nach dieser Entscheidung hingegen keine Aussicht auf Erfolg haben.

Jörn Kuhn, Annabelle Marceau

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1.10 Mitgliedschaft im Betriebsrat erlöscht nicht mit Freistellung des Arbeitnehmers

Wird ein Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von seiner Arbeit freigestellt, führt dies nicht zum Erlöschen seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat gem. § 24 Nr. 4 BetrVG. Die Mitgliedschaft endet erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 24 Nr. 3 BetrVG (LAG Hessen, Beschl. v. 21.12.2020 – 16 TaBVGa 189/20).

Die Beteiligten hatten einen Aufhebungsvertrag geschlossen, in dem neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2021 auch die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht vereinbart wurde. Im Nachgang bestand Streit darüber, ob der Arbeitnehmer aufgrund des Aufhebungsvertrages und der darin vereinbarten Freistellung auch sein Betriebsratsamt verloren habe.

Das LAG Hessen entschied – anders als zuvor das ArbG Frankfurt a. M. – zu Gunsten des Arbeitnehmers: Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages sei das Betriebsratsamt nicht erloschen. Maßgeblich für das Erlöschen der Mitgliedschaft nach § 24 Nr. 3 BetrVG sei der Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ferner führe auch die Freistellung von der Arbeitspflicht nicht zum nachträglichen Verlust der Wählbarkeit gem. § 24 Nr. 4 BetrVG. Die Beteiligten hätten in dem Aufhebungsvertrag nur ihre individualvertragliche Rechtsbeziehung (Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Freistellung) geregelt. Ihre kollektivrechtliche Beziehung sei hiermit indes nicht verändert worden. Den Beteiligten sei es ohne Weiteres möglich gewesen, auch den Rücktritt von dem Betriebsratsamt zu einem fixen Zeitpunkt zu vereinbaren. Ihr Schweigen sei daher so zu verstehen, dass der Aufhebungsvertrag keine unmittelbare Auswirkung auf die Betriebsratstätigkeit haben sollte. Gleichzeitig stellte das LAG Hessen klar, dass die Freistellung von der Arbeitspflicht auch nicht zum Verlust der Wählbarkeit nach §§ 24 Nr. 4, 8 BetrVG führe. § 38 BetrVG zeige, dass auch Betriebsratsmitglieder, die keine Arbeitsleistung erbrächten und insoweit keinem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht unterlägen, dem Betrieb zugehörig seien. Hinge die Eingliederung in den Betrieb von der tatsächlichen Erbringung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten ab, stünde dies in Widerspruch zu § 38 BetrVG.

Bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebsratsmitglied durch einen Aufhebungsvertrag sollte daher gleichzeitig eine zeitliche Regelung zur Aufgabe des Betriebsratsamts aufgenommen werden.

Johannes Peter Kaesbach

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2. Rechtsentwicklungen

2.1 Entsendungen in das Vereinigte Königreich – Worauf gilt es nun zu achten?

Der Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union (EU) zum 1. Januar 2021 bringt weitreichende Veränderungen mit sich. Allerdings einigten sich die EU und das Vereinigte Königreich am 30.12.2020 auf ein Handels- und Kooperationsabkommen, welches unter anderem auch Regelungen zur Arbeit ausländischer Arbeitskräfte in Großbritannien festlegt. Die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit zum Handels- und Kooperationsabkommen vom 30.12.2020 steht zudem unmittelbar bevor.Der Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union (EU) zum 1. Januar 2021 bringt weitreichende Veränderungen mit sich. Allerdings einigten sich die EU und das Vereinigte Königreich am 30.12.2020 auf ein Handels- und Kooperationsabkommen, welches unter anderem auch Regelungen zur Arbeit ausländischer Arbeitskräfte in Großbritannien festlegt. Die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit zum Handels- und Kooperationsabkommen vom 30.12.2020 steht zudem unmittelbar bevor. 

Einsatzmöglichkeiten nach dem Handels- und Kooperationsabkommen

Grundsätzlich unterscheidet das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen verschiedenen Kategorien der Einreise zu Geschäftszwecken:

  • Durch das Handels- und Kooperationsabkommen ist die Einreise von EU-Bürgern zu kurzzeitigen Geschäftsreisen grundsätzlich ohne Arbeitserlaubnis oder ähnliche Genehmigungen möglich. Die zulässige Aufenthaltsdauer beträgt bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten. Bei den erlaubten Tätigkeiten im Rahmen kurzzeitiger Geschäftsreisen handelt es sich u. a. um die Teilnahme an Sitzungen, Konferenzen und Beratungen mit Geschäftspartnern, die Teilnahme an Messen und Ausstellungen und die Abwicklung von geschäftlichen Transaktionen durch Führungs- und Aufsichtskräfte. Der Anlass der Geschäftsreise muss bei der Einreise durch geeignete Dokumente belegt werden können.
  • Die Einreise von EU-Staatsangehörigen zwecks Erbringung von Dienstleistungen oder freiberuflichen Tätigkeiten ist nach dem Handels- und Kooperationsabkommen nur noch unter engen Voraussetzungen möglich, da u.a. die Tätigkeiten auf bestimmt Bereiche beschränkt werden und hohe Anforderungen an die Eigenschaft als Erbringer vertraglicher Dienstleistungen gestellt werden. Nur wer sämtliche Anforderungen erfüllt, kann ein Visum für die Einreise beantragen („Temporary Worker – International Agreement Worker visa (T5)“). Die Aufenthaltsdauer darf die Dauer des Dienstleistungsvertrages nicht überschreiten und maximal 12 Monate betragen.
  • Die unternehmensinterne Entsendung ist grundsätzlich nur für Führungskräfte, Spezialisten oder Trainees zulässig, wobei die zulässige Aufenthaltsdauer für Führungskräfte und Spezialisten bis zu drei Jahre, für Trainees bis zu einem Jahr und für zu Niederlassungszwecken einreisende Geschäftsreisende bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten beträgt. Für Arbeitnehmer, die aus dem Ausland entsendet werden und sich mehr als 14 Tage ununterbrochen in Großbritannien aufhalten, muss der Arbeitgeber eine spezielle Versicherung (employers’ liability insurance) abschließen.

Sozialversicherungspflicht und Besteuerung

Die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen beruflich bedingter Aufenthalte von EU-Bürgern im Vereinigten Königreich werden durch das Protokoll zur Koordinierung der Sozialversicherung im Handels- und Kooperationsabkommen geregelt, dessen Anwendung die Bundesrepublik Deutschland noch nicht zugestimmt hat.

Sofern eine Zustimmung erteilt wird, richtet sich Sozialversicherungspflicht zunächst nach dem Beschäftigungsort. Für Entsendungen gilt davon abweichend die Regel, dass ein vorübergehend ins Ausland entsendeter Arbeitnehmer weiterhin in dem Staat sozialversicherungspflichtig ist, in dem sein Arbeitgeber seinen Sitz hat, vorausgesetzt die Entsendung dauert nicht länger als 24 Monate und der entsendete Arbeitnehmer ersetzt nicht eine andere entsendete Arbeitskraft. Der Nachweis über die bestehende Sozialversicherungspflicht im Herkunftsstaat wird weiter durch die sog. A1-Bescheinigung geführt. Nach dem deutsch-britischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) werden Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit in dem Staat besteuert, in dem die Person ansässig ist. Wird die berufliche Tätigkeit dagegen im anderen Vertragsstaat ausgeübt – z. B. bei einer Entsendung – sind die Einkünfte in diesem Staat zu versteuern. Jedoch gilt weiterhin die ausschließliche Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat, wenn die vorübergehende Tätigkeit im anderen Staat nicht länger als 183 Tage im Steuerjahr dauert und die Bezahlung durch einen im Ansässigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber erfolgt. 

Annabelle Marceau

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2.2 Umsetzung der „Whistleblower“-Richtlinie: Angriff auf das Geschäftsgeheimnis?

Erst kürzlich hat das Bundesministerium für Justiz einen Entwurf für die Umsetzung der sog. „Whistleblower“-Richtlinie vorgelegt. Dabei drängt die Zeit. Die Richtlinie muss bis Mitte Dezember 2021 umgesetzt werden.

Bereits am 16.12.2019 ist die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, in Kraft getreten. Mit dem nun vorgelegten Entwurf des sog. Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) soll die Richtlinie ins deutsche Recht überführt werden. Der Entwurf hat bereits viel Kritik erfahren. Nahezu alle Unternehmen werden von dem neuen Gesetz betroffen. Wir fassen die wichtigsten Eckpunkte zum Entwurf zusammen:  

Der Referentenentwurf enthält u. a. Bestimmungen zum Hinweisgeberverfahren und zum Schutz von Hinweisgebern (u. a. Dokumentationspflichten, Fristen für Rückmeldungen und Folgemaßnahmen wie interne Untersuchungen), welche sämtliche deutsche Unternehmen mit Beschäftigten erfassen. Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sowie Finanzdienstleister sollen verpflichtet werden, interne Hinweisgeberstellen einzurichten. Hinzu kommen externe Meldestellen, die beim Bundesdatenschutzbeauftragten sowie bei der Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht angesiedelt sein werden. Hinweisgeber sollen grundsätzlich wählen dürfen, an welche Meldestelle sie sich wenden.

Geschützt werden sollen alle Beschäftigten, auch bei zwischenzeitlich beendetem oder erst beginnendem Arbeitsverhältnis. Der Schutzbereich erfasst die Meldung von Verstößen in mündlicher oder Textform gegen nationales Recht sowie europarechtliche Bestimmungen und deren Umsetzung, etwa bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz oder bei Verstößen gegen die Einrichtung von Meldestellen. Allerdings sollen die Hinweisgeberstellen nicht verpflichtet werden, anonymen Hinweisen nachzugehen – ein durchaus positiver Aspekt.

Unabhängig vom gewählten Meldeweg dürfen Hinweisgeber keine Nachteile erfahren. So sind z. B. Kündigungen oder Nichtbeförderungen im Zusammenhang mit der Meldung von Verstößen untersagt. Vorgesehen ist zudem eine Beweislastumkehr: Meldet z. B. ein Hinweisgeber einen Verstoß und wird ihm anschließend gekündigt, so muss das Unternehmen beweisen, dass diese Maßnahme nicht im Zusammenhang mit der Meldung steht, anderenfalls macht sich das Unternehmen schadensersatzpflichtig.

Kritisch zu hinterfragen ist der Entwurf mit Blick auf die Regelungen zu Geschäftsgeheimnissen. Der Referentenentwurf sieht insoweit vor, dass unabhängig vom Motiv des Hinweisgebers eine Offenlegung von Informationen zulässig ist, sofern der Hinweisgeber hinreichenden Grund zur Annahme der Notwendigkeit der Offenlegung hat. Hierdurch kann der unberechtigten Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen Tür und Tor geöffnet sein, wohingegen ein Regress gegen den Hinweisgeber nur begrenzt möglich ist.

Sollte das Gesetz wie entworfen verabschiedet werden, so beginnt für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern und bis zu 249 Mitarbeitern eine zweijährige Frist zur Errichtung der Meldestelle: Hier soll die Verpflichtung erst ab dem 17.12.2023 gelten. Diesen Unternehmen wird also noch Zeit gegeben, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. Für Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und für Finanzdienstleister werden indes die neuen gesetzlichen Pflichten bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes gelten.

Das nahende Gesetz erfordert daher Handlungsbedarf. Interne Meldesysteme sind Teil der Compliance-Struktur der Unternehmen und müssen ausgebaut werden. Die enge Verflechtung arbeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Aspekte mit den Implikationen aus dem gewerblichen Rechtsschutz sollte dabei nicht unterschätzt werden.

Jörn Kuhn

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