Arbeitsrecht18.11.2020Köln Newsletter

Corona-Impfungen: Können Arbeitgeber eine Impfpflicht durchsetzen?

Im Verlaufe der Corona-Pandemie zeigt sich nunmehr ein Hoffnungsschimmer: So konnten aktuell gleich zwei Pharmahersteller – das deutsche Unternehmen BioNTech sowie der US-amerikanische Hersteller moderna – Corona-Impfstoffe entwickeln und erste Studien mit einer Wirksamkeit von 90–95% vorlegen.

In diesem Zusammenhang stellen sich für die Arbeitgeber bereits jetzt verschiedene Fragen: Können beispielsweise Beschäftigte zur Impfung verpflichtet oder der Zugang zum Betrieb ohne Impfnachweis untersagt werden? Jörn Kuhn, Cornelia-Cristina Scupra und Annabelle Marceau beleuchten in diesem Kontext rechtliche Anknüpfungspunkte einer möglichen Impfpflicht.

Keine SARS-CoV-2 Impflicht in Deutschland geplant

Eine Impfpflicht gibt es in Deutschland aktuell nicht. Davon ausgenommen ist nur die seit dem 1. März 2020 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Masern-Impfung. Durch das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) wurde das Infektionsschutzgesetzgesetz (IFSG) in § 20 Abs. 8, 9 IFSG dahingehend angepasst, dass sowohl für den Zutritt zu gewissen Einrichtungen als auch für die Aufnahme einer Tätigkeit in einer solchen Einrichtung ein Impfnachweis erbracht werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 11. Mai 2020 die Verfassungsmäßigkeit von § 20 Abs. 8 und 9 IFSG im Eilverfahren bestätigt.

Nach jüngsten Aussagen von Gesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag am 18. November 2020 plant die Bundesregierung aktuell keine gesetzliche Impflicht gegen SARS-CoV-2. In diesem Zusammenhang setze man vielmehr auf eine freiwillige Impfteilnahme, sodass durch ausreichende Sensibilisierung der Bevölkerung eine hohe Impfquote erreicht werden soll.

Einführung einer Impflicht gegen SARS-CoV-2 durch den Arbeitgeber?

Abgesehen davon, dass eine gesetzliche Impfpflicht in Deutschland derzeit nicht geplant ist, kann für Arbeitgeber aufgrund der aktuell steigenden Zahlen an SARS-CoV-2-Erkrankungen ein erhebliches betriebliches Interesse an der Impfung von Beschäftigten bestehen.

Eine Impfung stellt allerdings einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen dar und kann strafrechtlich nur dann gerechtfertigt werden, wenn der Betroffene einwilligt oder eine gesetzliche Impflicht besteht.

Damit ist eine Impflichtpflicht auf Grundlage des Weisungsrechts des Arbeitgebers nicht umsetzbar. Die grundrechtlich geschützte körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten stehen der Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers entgegen. Auch in einer Betriebsvereinbarung kann eine Impfpflicht nicht verankert werden. Die Betriebsparteien haben die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu wahren. Dementsprechend können sie derartige Grundrechtseingriffe gleichfalls nicht regeln.

Es stellt sich daher die Frage, ob der Arbeitgeber Beschäftigten ohne einen entsprechenden Impfnachweis den Zutritt zum Betriebsgelände verweigern kann und in der Folge auch zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt wäre, wenn Beschäftigte ihre Arbeit nicht aufnehmen können. Denkbar ist hierbei, dass der Arbeitgeber sich hinsichtlich des Ordnungsverhaltens der Beschäftigten auf sein Hausrecht berufen und gleichzeitig den Zutritt zum Betriebsgelände an Bedingungen knüpfen kann. Es gilt dabei aber zu beachten, dass die Ausübung des Hausrechts geknüpft an einen Impfnachweis nicht unbedingt den Vergütungsanspruch der Beschäftigten entfallen lässt. Hier ist zu entscheiden, ob der Beschäftigte ohne die Impfung in der Lage ist, seine Arbeit auszuführen (z. B. im Home-Office oder in abgetrennten Betriebsbereichen), oder ob es doch einen in der Person des Beschäftigten liegenden Grund gibt, der die Arbeitsaufnahme verhindert.

Da eine Impfpflicht das Ordnungsverhalten der Beschäftigten und den Gesundheitsschutz betrifft, dürfte insoweit auch die Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG eröffnet sein. Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung ist die Erteilung eines Hausverbots ggf. verbunden mit einem Lohnausfall jedenfalls nicht zu vereinbaren, da das Zutrittsrecht zum Betriebsgelände nicht der Mitbestimmung unterliegt.

Es bleibt insgesamt ein abgestuftes Vorgehen zu empfehlen und zunächst auf eine freiwillige Impfteilnahme und einen freiwilligen Nachweis der Beschäftigten zu setzen. Hierbei können Unternehmen Anreize für eine freiwillige Impfung z. B. durch Zahlung von Impfprämien schaffen.

In zweiter Instanz sind dann weitergehende Maßnahmen durch die Unternehmen zu prüfen. Hierbei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen – so u. a. die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber anderen Beschäftigten, aber auch Maßregelungsverbote.

Datenschutzrechtliche Erwägungen

Auch datenschutzrechtliche Erwägungen sind im Gesamtkontext beachtlich. So stellt sich zunächst die Frage, ob der Arbeitgeber überhaupt berechtigt ist, den Impfstatus seiner Beschäftigten zu erfragen. Das Fragerecht beschränkt sich nur auf Sachverhalte, an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse hat. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Tatsache eine Rolle, dass es sich bei Angaben zum Impfstatus um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) handelt.

Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen sind das grundgesetzlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten ins Verhältnis zum Schutzinteresse des Arbeitgebers im Hinblick auf seine übrigen Beschäftigten sowie anderweitige Präventionsmöglichkeiten (Maske, Abstand, Hygiene etc.) zu setzen.

Ob die Kenntnis des Arbeitgebers im Hinblick auf die Impfpflicht zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 26 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erforderlich ist, kann vor allem dann zweifelhaft sein, wenn das Arbeitsverhältnis auch unabhängig vom Impfstatus des Beschäftigten durchführbar ist.

Fazit

Mit den zeitlich absehbaren Möglichkeiten einer Impfung muss sich nicht nur die Politik mit den Fragen „Wer“ und „Wann“ geimpft wird befassen. Auch die Unternehmen sind in der Pflicht, Konzepte für die Arbeit zu erarbeiten. Hierbei werden auch datenschutzrechtliche Fragestellungen zu berücksichtigen sein.

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Jörn Kuhn

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