Compliance-Risiko: Überhöhte Betriebsratsvergütung erfüllt den Straftatbestand der Untreue

Im vergangenen Jahr hat das Landgericht Braunschweig mit Urteil vom 28.09.2021 (16 KLs 406 Js 59398/16 u.a.) vier hochrangige Manager des VW-Konzerns vom Vorwurf der Untreue wegen überhöhter Betriebsratsvergütung zwar freigesprochen. Aus den erst jüngst veröffentlichten Urteilsgründen geht jedoch hervor, dass die Richter den objektiven Tatbestand der Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB gleichwohl als erfüllt angesehen haben.

Der Freispruch wurde allein mit einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum begründet, da die Angeklagten davon überzeugt waren, pflichtgemäß und gesetzeskonform zu handeln. Nach dieser Entscheidung und der im Zusammenhang mit der VW-Affäre in Punkto Betriebsratsvergütung ergangenen Presse dürfte zukünftig niemand mehr einen Irrtum über die Voraussetzungen der außerstrafrechtlichen Normen der §§ 37 und 78 BetrVG zur Überzeugung des Gerichts darlegen können.

Aus Compliance-Sicht sollte dies spätestens Anlass dafür sein, die Betriebsratsvergütung im eigenen Unternehmen einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass auch die Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag vom 24.11.2021 angekündigt hat, eine Behinderung der demokratischen Mitbestimmung künftig als Offizialdelikt einstufen zu wollen. Darunter fallen auch zu hohe Gehälter von Betriebsratsmitgliedern.

Zudem fanden von März bis Mai dieses Jahres zuletzt die regulären Betriebsratswahlen statt, so dass sich die Frage der zulässigen Betriebsratsvergütung nicht nur für wiedergewählte, sondern auch für erstmals in den Betriebsrat gewählte Arbeitnehmer in vielen Unternehmen jüngst wieder gestellt haben dürfte.

Der Untreuevorwurf kann sich bei einer überhöhten Betriebsratsvergütung aus dem Verstoß gegen § 37 Abs.1, 2 und 4 i.V.m. § 78 S. 2 BetrVG ergeben. Da das Betriebsratsamt zur Gewährleistung der Unabhängigkeit als Ehrenamt ausgestaltet ist, darf ein Betriebsratsmitglied aufgrund der Übernahme dieses Amtes weder begünstigt noch benachteiligt werden. § 37 Abs. 2 BetrVG schreibt für noch aktive, d .h. nicht vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder, eine Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip vor. Zudem gilt für vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 4 BetrVG, dass deren Arbeitslohn nicht geringer bemessen sein darf als der vergleichbarer Arbeitnehmer „mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“.

Das Landgericht Braunschweig hat nun eine Bezahlung als „auf Augenhöhe“ der Verhandlungspartner auf Arbeitgeberseite für unzulässig erachtet. Fähigkeiten und Kenntnisse, die das Betriebsratsmitglied im Zuge seiner Betriebsratstätigkeit erwirbt, dürften bei der Entwicklung deren Gehalts keinerlei Berücksichtigung finden. Es komme allein auf die Tätigkeit an, die das Betriebsratsmitglied vor Übernahme des Amtes wahrgenommen hat und damit die Gehaltsentwicklung von vergleichbaren Kollegen aus der letzten Position vor Übernahme des Ehrenamtes.

Die Berechnung der Betriebsratsvergütung ist allerdings oftmals ein Ritt auf der Rasierklinge, da es hier noch viele ungeklärte Rechtsfragen gibt, zu denen der Gesetzgeber – gerade in Anbetracht der drohenden Strafen – aufgefordert ist, für mehr Rechtsklarheit zu sorgen. Beispielhaft seien hier nur einige der in der Praxis typischen Stolpersteine erwähnt:

Variable leistungsbezogene Vergütung bei teilweise freigestellten Betriebsratsmitgliedern

Wird neben der Grundvergütung beispielsweise eine vom erzielten Umsatz abhängige Provision gezahlt, stellt sich die Frage, wie sich die Freistellungszeit für Betriebsratstätigkeiten auf den Provisionsanspruch des noch aktiv tätigen Betriebsratsmitglied auswirkt. Da das BAG bei leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Leistung ablehnt, stellt sich die Frage, wie die Leistung während der Freistellung hypothetisch berechnet werden soll. Da dies individualisiert zu betrachten ist, verbietet sich insbesondere auch eine Regelungsabrede mit dem Betriebsrat über die gleiche Behandlung aller Amtsträger nach einer einheitlichen Regelung.

Dienstwagenüberlassung

Ein Betriebsratsmitglied hat keinen Anspruch auf einen Dienstwagen zur privaten Nutzung, wenn ihm dieser ohne sein Betriebsratsamt nicht zugestanden hätte. Zwar kann die Notwendigkeit von Reisetätigkeiten des Betriebsrats den Arbeitgeber verpflichten, dem Betriebsrat zur effektiven Wahrnehmung des Betriebsratsamtes gemäß § 40 BetrVG als Sachmittel auch ein Dienstfahrzeug zu überlassen. In diesem Fall handelt es sich indes um einen Anspruch des Betriebsrats als Gremium auf Bereitstellung erforderlicher Sachmittel nach § 40 BetrVG, so dass insoweit keine Privatnutzung zugestanden werden darf.  

Beförderungen

Beförderungen zählen nur dann zur betriebsüblichen beruflichen Entwicklung, wenn die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG in eine entsprechende Beförderungsstelle einrückt, mithin eine betriebliche Beförderungspraxis vergleichbare Arbeitnehmer mehrheitlich begünstigt. Mithin verbieten sich pauschale Abreden, z. B. Beförderungen schlicht nach bestimmten Zeitabschnitten vorzunehmen.

Angesichts der drohenden persönlichen Haftung und Strafbarkeit von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern sollte daher trotz des zu erwartenden hohen Aufwandes gerade bei langjährigen Betriebsratsmitgliedern regelmäßige eine Überprüfung der Betriebsratsvergütung durchgeführt werden. Bei neu in den Betriebsrat gewählten Betriebsratsmitgliedern ist direkt auf eine saubere Dokumentation zu Position, Qualifikation und Fähigkeiten sowie identifizierten vergleichbaren Arbeitnehmern zu achten. Dies ist Teil eines funktionierenden Compliance Management Systems.

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Isabel Hexel

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