Arbeitsrecht18.11.2025 Newsletter
Abschlussbericht zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht vor, die EU-Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) „bürokratiearm“ bis zum 7. Juni 2026 in deutsches Recht umzusetzen. Die zu diesem Zweck eingesetzte Expertenkommission hat ihre Vorschläge am 7. November 2025 an die Bundesgleichstellungsministerin Katrin Prien übergeben. Auf Basis dieser Empfehlung ist das zuständige Ressort des BMFSFJ (Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) nun zuständig, einen Referentenentwurf für das „Entgelttransparenzgesetzes 2.0“ zu erarbeiten. Das Gesetzgebungsverfahren soll Anfang 2026 starten.
Wir skizzieren, welche Empfehlungen die Expertenkommission ausspricht:
Empfehlungen zur Berichtspflicht
Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder empfiehlt, das tatsächlich bezahlte Entgelt („Ist-Entgelt“) als Grundlage der Berichtspflichten heranzuziehen. Im Konzernverbund soll die Muttergesellschaft die Berichte der einzelnen Unternehmen grundsätzlich bündeln und für die jeweiligen Unternehmen berichten können. Indes bleibt abzuwarten, ob einzelne Indikatoren auch konzernübergreifend zusammengefasst werden können.
Variable Entgeltbestandteile können als Summe oder gruppiert (in inhaltlich sinnvolle Gruppen) berichtet werden, wobei geringwertige Sachleistungen und nicht vom Vertragsarbeitgeber gewährte Leistungen (z. B. Aktienoptionen, Phantom Stocks, etc.) sowie Abfindungen vom berichtspflichtigen Entgelt ausgeschlossen werden können.
Ferner sollen Begriffe wie Median und Durchschnitt gesetzlich klar definiert werden. Entgeltunterschiede sollen auf Basis von Vollzeitäquivalenten dokumentiert werden.
Zur Beweislastregelung wird empfohlen, dass Entgelttransparenzberichte, die ein Entgeltgefälle von weniger als 5 % ausweisen, geeignet sein sollen, den Anschein einer geschlechterspezifischen Entgeltdiskriminierung zu widerlegen. Der Einbau einer relativen „Schwelle“ ist insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung des BAG vom 23. Oktober 2025 (8 AZR 300/24) zu begrüßen. Hiernach soll allein der Umstand, dass (nur) ein vergleichbarer Kollege des anderen Geschlechts eine höhere Vergütung erhält, die Vermutung einer geschlechtsbedingten Diskriminierung begründen können – Stichworte: „Paarvergleich“ und Abkehr von der „Vergleichsgruppe“.
Berichte sollen in Textform möglich sein sowie mit weiteren, bereits bestehenden Berichtspflichten (z. B. CSRD) harmonisiert werden.
Empfehlungen zu Abhilfeverfahren und Entgeltbewertung
Zweistufiges Abhilfeverfahren: Der Arbeitgeber sollte gesetzlich angehalten werden, die Arbeitnehmervertretung zeitnah (z. B. innerhalb von sechs Wochen) zu unterrichten und anzuhören. Können die notwendigen Abhilfemaßnahmen nicht sogleich getroffen werden, sollten sie in Abhängigkeit von der Komplexität der notwendigen Schritte selbst einen konkreten „Fahrplan“ samt eigener Fristen vereinbaren können.
Der Überwiegende Teil der Kommission nimmt an, dass die Betriebsvertretung (Betriebsrat, Gesamt-/Konzernbetriebsrat, Personalrat, Sprecherausschuss der leitenden Angestellten, kirchliche Mitarbeitervertretung) zuständig ist; es besteht indes keine Pflicht, in betriebsratslosen Betrieben neue Arbeitnehmervertretungen zu schaffen. Demgegenüber sollen Gewerkschaften freiwillig beteiligt werden können. Die übrigen Kommissionsmitglieder sprechen sich dafür aus, dass bei normativer Geltung des Tarifvertrages kraft Tarifbindung die Gewerkschaft der geeignete Ansprechpartner sei. Vor diesem Hintergrund wird die Bitte an den Gesetzgeber adressiert, die zuständigen Verantwortlichen präzise festzulegen.
Das Gesetz soll einen Katalog objektiver, geschlechtsneutraler Rechtfertigungsgründe enthalten. Unter anderem:
- Vereinbarungen zur Wahrung von Besitzständen,
- für Stellenbewerber stellenbezogene Kriterien,
- ansonsten personen- oder personenbeziehbare Kriterien wie lokale Unterschiede und Marktgegebenheiten.
Empfehlungen zum Auskunftsanspruch
Der Auskunftsanspruch soll erstmals ab 2027 geltend gemacht werden können.
Die Auskunft soll die Gruppenbildung nachvollziehbar erläutern. Hypothetische Vergleichspersonen oder ausgeschiedene Arbeitnehmer sollen bei der Vergleichsgruppenbildung nicht einbezogen werden. Die Auskunft soll auf das Bruttogesamtentgelt (Summe aller Vergütungen) des Vorjahreszeitraums begrenzt werden, eine Aufschlüsselung in Einzelbestandteile sei nicht notwendig.
Der Anspruch soll nur einmal jährlich bestehen und frühestens ein Jahr nach der letzten Auskunft erneut entstehen. Es sollen textformstandardisierte Formulare bereitgestellt werden.
Datenschutz: Mindestgröße der Vergleichsgruppe zum Schutz personenbezogener Daten soll entsprechend des bisherigen Entgelttransparenzgesetzes (vgl. § 12 Abs. 3 S.1) beibehalten werden. Alternativ soll klargestellt werden, welche Bedeutung der Datenschutz hat.
Privilegierung tarifgebundener Unternehmen
Zentral ist, dass Tarifverträgen weiterhin eine „Angemessenheitsvermutung“ zukommen soll. Hieran schließt sich an, dass für Arbeitgeber die Vergleichsgruppenbildung nach tariflichen Entgeltgruppen möglich sein soll; eine Korrektur soll nur erforderlich sein, wenn die auskunftsersuchende Person nachweist, dass die tarifliche Gruppenbildung nicht Art. 4 Abs. 4 ETRL entspricht. Tarifgebundene Unternehmen sollen bei Auskunft und Abhilfe verlängerte Fristen eingeräumt bekommen.
Die Tarifvertragsparteien sollen Tarifverträge auf Diskriminierungsfreiheit eigenverantwortlich prüfen und dokumentieren können.
Rechtliche und praktische Herausforderungen
Die folgenden Aspekte sind hervorzuheben:
- Eine nicht unionsrechtskonforme Umsetzung birgt erhebliche Risiken (Klagen, Vertragsverletzungsverfahren).
- Überprüfung aller bestehenden Tarifverträge auf ETRL-Konformität würde die Ressourcen der Tarifparteien überfordern.
- Die ETRL wird als bürokratieintensiv kritisiert; die Umsetzung soll den Aufwand für Unternehmen, insbesondere KMU, minimieren.
- Die bestehenden Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte werden als ausreichend angesehen und sollen nicht erweitert werden.
Fazit und Ausblick
Der Kommission gelingt es zwar, die wesentlichen praxisrelevanten Punkte zu benennen, die für die Umsetzung der ETRL besonders relevant sind. Allerdings wird deutlich, dass sich die Kommission in grundlegenden Fragen nicht auf eine einheitliche Empfehlung verständigen konnte. Dies betrifft u. a. die Zuständigkeit der Arbeitnehmervertretung bei Abhilfe- und Joint-Pay-Assessments sowie das sogenannte „Konzernprivileg“ bei der Berichterstattung. Dennoch ist eine erste inhaltliche Richtung erkennbar.
Es bleibt bis Januar 2026 abzuwarten, welche Empfehlungen das BMFSFJ in den Referentenentwurf tatsächlich überführen wird. Zudem darf mit Spannung erwartet werden, ob das BMFSFJ eigene Vorschläge einbringt.
Unternehmen sollten die verbleibende und weniger werdende Zeit im Eigeninteresse nutzen, um sich gezielt auf die konkreter werdende Umsetzung der ERTL vorzubereiten. Es gilt, drohende Risikopotenziale frühzeitig zu erkennen und abzubauen.
Hier gelangen Sie zum Abschlussbericht der Kommission "Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie".



