Außenhandel29.04.2021 Newsletter
17. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung: Erneute Verschärfung von Investitionskontrollen in Deutschland
Das Bundeskabinett hat am 27. April 2020 die 17. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) beschlossen. Diese bringt weitreichende Verschärfungen der Investitionskontrollen in Deutschland mit sich. Die neuen Regelungen treten mit großer Wahrscheinlichkeit in den kommenden Tagen in Kraft. Um einen reibungslosen Ablauf bereits geplanter Investitionen zu gewährleisten, ist eine Vorbereitung der neuen Prüfungsverfahren unerlässlich. Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst:
Deutschland setzt sich gemeinsam mit Italien und Frankreich seit 2017 auf europäischer Ebene für eine Änderung der unionsrechtlichen Rahmenbedingungen von Investitionsprüfungen ein. Kritische Infrastrukturen und Schlüsseltechnologien sollen umfänglich vor ausländischen Investitionen geschützt werden. Aus dieser Initiative resultierte 2019 die EU-Verordnung 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union (EU Screening-Verordnung), die am 11. Oktober 2020 wirksam geworden ist.
Das deutsche Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) wurden daraufhin bereits im letzten Jahr geändert. Das Bundeskabinett hat nun die 17. Novelle der AWV beschlossen, um die sicherheitspolitischen Belange der Bundesrepublik effektiv zu schützen und weitere europäischen Neuerungen im deutschen Recht umzusetzen.
Inkrafttreten der neuen Regelungen
Die neuen Regelungen werden am Tag nach der Verkündung im Bundesanzeiger in Kraft treten, was in den nächsten Tagen erwartet wird. Danach werden sie dem Bundesrat und Bundestag zugeleitet. Der Bundestag könnte die Novelle dann noch binnen vier Monaten aufheben.
Der Trend geht zu einer immer stärkeren Überprüfung ausländischer Investitionen – auch außerhalb Deutschlands beziehungsweise der EU. Dies haben besonders eindrucksvoll die jüngsten Änderungen des US-amerikanischen Kontrollregimes CFIUS gezeigt. Um solche Investitionen in Deutschland trotz der weitreichenden Investitionskontrolle problemlos und vor allem zeitnah durchführen zu können, bedarf es einer gründlichen Vorbereitung des Prüfungsverfahrens und zwar sowohl auf Seiten des Erwerbers als auch auf Seiten des Veräußerers.
Folgende Regelungen wurden wesentlich geändert:
- Ausdehnung der meldepflichtigen Erwerbe auf neue Industrien in der sektorübergreifenden Prüfung
- Herabsetzung der relevanten Schwellenwerte für die Entstehung einer Meldepflicht auf 20 % der Stimmrechte für bestimmte Fallgruppen
- Ausdrückliche Regelung zur Kontrolle und Meldepflicht von Hinzuerwerben bei Erreichen oder Überschreiten von 20 %, 25 %, 40 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte
- Erweiterung der sektorspezifischen Prüfung
- Vereinheitlichung der Fristen der sektorübergreifenden und sektorspezifischen Prüfung
Ausdehnung meldepflichtiger Erwerbe
Die Novelle erweitert die Fallgruppen, bei denen eine Meldepflicht gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) besteht. Meldepflichtig sind nunmehr auch Erwerbe von Unternehmen die u. a. in den folgenden Bereichen tätig sind: bestimmte Satellitentechniken, Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleitern, Cyber-Security, Quanteninformatik, geheime Patente, kritische Rohstoffe oder umfangreiche Landwirtschaft – sowie in den nicht ausdrücklich genannten Bereichen autonomes Fahren bzw. Fliegen, Optoelektronik, additive Fertigung sowie Netztechnologien. Während bei der letzten Novelle im vergangen Jahr ein Fokus auf dem Medizinsektor lag, stehen dieses Mal neue Technologien (emerging technologies) und Schlüsseltechnologien im Mittelpunkt.
Reduzierung von Schwellenwerten
Die Schwelle für eine Meldepflicht und ein Prüfungsrecht des BMWi wird bei den neuen Fallgruppen sowie den Fallgruppen aus dem Medizinbereich auf 20 % der Stimmrechte (statt 25 %) gesenkt. Nicht geprüft werden konzerninterne Umstrukturierungen, an denen zwei hundertprozentige Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens beteiligt sind, wenn beide Tochterunternehmen in derselben Rechtsordnung ansässig sind.
Kontrolle von Hinzuerwerben
Die AWV-Novelle kodifiziert nunmehr auch die bereits ausgeübte Praxis der Kontrolle von Hinzuerwerben, wenn hierdurch der relevante Anteil der Stimmrechte im Zielunternehmen überschritten wird. Dies gilt nicht nur, wenn die relevanten 10 %, 20 % oder 25 % der Stimmrechte durch Zuerwerb erstmalig erreicht oder überschritten werden. Auch Hinzuerwerbe, durch die ein Anteil von 40 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte erreicht oder überschritten wird, unterliegen nun ebenfalls einer Kontrolle. Diese neue Regelung beruht auf der Annahme, dass sich die Gesellschafterpositionen und entsprechende erweiterte Einflussrechte mit Erreichen beziehungsweise Überschreiten dieser Stimmrechtsanteile verfestigen.
Anwendungsbereich der sektorspezifischen Prüfung
Auch im Bereich sogenannter sektorspezifischer Prüfungen wurde die Prüfungskompetenz des BMWi erweitert. Dies betrifft vor allem den Erwerb von Rüstungsunternehmen. Hier sind künftig sämtliche Rüstungsgüter im Sinne des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste relevant.
Prozessuale Änderungen
Die Regelungen sehen zudem einige Änderungen prozessualer Natur vor: So befreit eine Meldung durch einen mittelbaren Erwerber künftig den unmittelbaren Erwerber nicht mehr von seiner Meldepflicht.
Vereinheitlichung von Fristen
Die Fristen für sektorübergreifende und sektorspezifische Prüfungen wurden vereinheitlicht, da es dem BMWi auch möglich sein soll, zwischen den Verfahren zu wechseln. Nachteilige Auswirkungen auf den Fristenlauf bei einem Verfahrenswechsel werden so verhindert. Es gelten weiterhin die Fristen des § 14a AWG: Bei meldepflichtigen Verfahren gilt für die Entscheidung über das Eröffnen eines Prüfungsverfahrens grundsätzlich eine Frist von zwei Monaten ab Erlangung der Kenntnis von der Transaktion. Für die Anordnung von Beschränkungen oder Handlungspflichten gilt grundsätzlich eine Frist von vier Monaten nach dem vollständigen Eingang der relevanten Unterlagen (mit der Möglichkeit um eine Verlängerung von insgesamt weiteren vier Monaten in schwierigen Fällen). Nach Ablauf dieser Frist besteht nunmehr eine Freigabefiktion. In der Praxis kommen diese Fristen in der Regel nur selten zur Anwendung, da im Rahmen der Prüfverfahren häufig öffentlich-rechtliche Verträge zum Schutz nationaler Interessen mit dem BMWi verhandelt werden. In diesem Fällen der Verhandlung ist der Lauf der Frist gehemmt (§ 14a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AWG).
Europäischer Kooperationsmechanismus
Eine Aufnahme von Regelungen zum europäischen Kooperationsmechanismus nach Artikel 6 und 7 der EU Screening-Verordnung im Rahmen der Investitionsprüfungen in die AWV war nicht erforderlich, da die relevante Verordnung insofern detailliert und ohne nationale Spielräume der Mitgliedsstaaten formuliert ist.