Arbeitsrecht30.03.2021 Newsletter

(Verpflichtender) Einsatz von Antigen-Schnelltests in Unternehmen

Die Zulassung mehrerer Antigen-Schnelltests sowie die zukünftig zu erwartende Zulassung weiterer Schnelltestverfahren sorgen in der Arbeitswelt für neue Möglichkeiten, werfen aber auch einige Fragen auf. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft riefen in Form eines durch die Regierung unterstützen Appells Unternehmen dazu auf, ihren Beschäftigten wöchentlich Selbst- oder Schnelltests anzubieten. Eine Verpflichtung hierzu besteht indes derzeit noch nicht.

Dass eine zukünftige Verpflichtung der Arbeitgeber keineswegs abwegig ist, verdeutlicht insbesondere die aktuelle Corona-Schutzverordnung Sachsens. Danach sind alle Beschäftigten und Selbstständigen mit direktem Kundenkontakt ab dem 15. März dazu verpflichtet, einmal wöchentlich einen Corona-Schnelltest durchzuführen. Dieser muss von den Arbeitgebern, sofern verfügbar, kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich besteht in Sachsen ab dem 22. März eine Pflicht der Arbeitgeber, allen Beschäftigten, die an ihrem Arbeitsplatz im Betrieb präsent sein müssen, einmal pro Woche ein Angebot zur Durchführung eines Corona-Schnelltests zu unterbreiten. Da die Selbsttests von den Mitarbeitern selbst durchgeführt werden können, ist es nicht erforderlich, dass die Unternehmen Testzentren mit medizinischem Personal bereitstellen.

Trotz der aktuell zumindest noch überwiegenden Selbstverpflichtung der Unternehmen erscheint es mit Blick auf die weiterhin steigenden Inzidenzzahlen nach wie vor nicht unwahrscheinlich, dass die Regierung die Unternehmen doch noch zur umfassenden Testung der Mitarbeiter durch den Erlass einer entsprechenden Verordnung verpflichten könnte.

Arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Verpflichtung zu Schnelltests

Können derartige Testpflichten in der arbeitsrechtlichen Praxis aber überhaupt durchgesetzt werden?

Den rechtlichen Rahmen bildet § 106 Satz 2 GewO, nach dem der Arbeitgeber grundsätzlich ein Weisungsrecht hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb hat, sofern entsprechende Regelungen nicht anderweitig getroffen wurden. Dieses Weisungsrecht muss nach billigem Ermessen ausgeübt werden.

Hinsichtlich der Zulässigkeit einer solchen Weisung kommt es auf die Abwägung der Interessen im Einzelfall an. Zu den schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer zählen dabei insbesondere die körperliche Unversehrtheit, ihr Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. In Abwägung hierzu werden die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers auf wirtschaftliche Betätigung sowie die ihm zukommenden Schutz- und Fürsorgepflichten gegenüber den Arbeitnehmern gestellt.

Nach unserer Auffassung dürfte zumindest für Tätigkeiten, welche notwendigerweise in den Betriebsräumen durchgeführt werden müssen, das Interesse des Arbeitgebers überwiegen. Ein Rest-Infektionsrisiko bleibt für die Arbeitnehmer auch beim Tragen von Masken und der Einhaltung von Sicherheitsabständen bestehen. Durch verpflichtende Schnelltests kommt der Arbeitgeber daher seiner weiteren Fürsorgepflicht nach.

Ferner muss bedacht werden, dass die Schnelltest-Methoden wie „Nasal“-Tests, zukünftig evtl. „Spucktests“, im Vergleich zu bekannten PCR-Tests als wesentlich angenehmer für die Arbeitnehmer einzustufen sind und daher keinen Eingriff in dessen körperliche Unversehrtheit bedeuten. Auch die Gefahr, das unbekannte Infektionen zu Massenansteckungen führen, die eine vorrübergehende Stilllegung wichtiger Betriebsteile zur Folge haben könnten, wird durch regelmäßige Schnelltests minimiert. So dürfte die Durchführung von Schnelltests zumindest vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein.

Den Arbeitgeber treffen bei der Ausgabe von Selbsttests Hinweispflichten an den Arbeitnehmer, vor allem bezüglich des Erfordernisses eines weiteren PCR-Tests im Falle eines positiven Ergebnisses. Zudem sollte der Arbeitgeber klarstellen, dass die Aufnahme der Arbeit trotz eines positiven Testergebnisses arbeitsrechtliche Folgen haben könnte. Informationen über das Testergebnis kann der Arbeitgeber – nach derzeitiger Einschätzung – jedoch nicht verlangen. Ebenso sollen Arbeitgeber nach dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22. März 2021 den Arbeitnehmern Bescheinigungen über die Tests ausstellen. Inhalt der Bescheinigung sollte zumindest sein, welcher Arbeitnehmer wann einen Test von welchem Hersteller erhalten hat.

Beachtung datenschutzrechtlicher Voraussetzungen

Datenschutzrechtlich muss berücksichtigt werden, dass es sich bei der Auswertung der Tests um die Erhebung von Gesundheitsdaten handelt. Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung richtet sich im Wesentlichen nach § 26 Abs. 3 BDSG. Dieser besagt, dass Datenverarbeitung zulässig ist, sofern sie zur Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist und kein Grund zur Annahme besteht, dass ein der Verarbeitung entgegenstehendes Interesse des Arbeitnehmers überwiegt. Die bezweckte Erfüllung der Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers dürfte die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen. Bestätigt wird die Annahme durch §§ 22 Abs. 1 lit. b., 24 BDSG, wonach die Verarbeitung solcher Daten zum Zweck der Gesundheitsfürsorge und für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten zulässig sein soll. Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei den erhobenen Gesundheitsdaten nur um punktuelle Datensätze handeln darf, die nicht gespeichert oder katalogisiert werden dürfen und unmittelbar nach Vorlage vernichtet werden müssen.

Mitwirkung des Betriebsrats

Die Einführung einer Corona-Schnelltestpflicht für Arbeitnehmer betrifft das betriebliche Ordnungsverhalten sowie den betrieblichen Gesundheitsschutz, sodass grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen

Wird der Zugang zum Betriebsgelände von dem Vorliegen eines negativen Corona-Schnelltests abhängig gemacht, so ergeben sich hieraus weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen, die insbesondere mögliche Entgeltansprüche der Arbeitnehmer umfassen.

Weigert sich der Arbeitnehmer gegen die zulässige Weisung zur Durchführung eines Schnelltests, so kann dieser mangels Zugangs zu seinem Arbeitsplatz seine vertragsgemäße Leistung nicht erbringen, mit der Konsequenz, dass ihm kein Vergütungsanspruch zusteht und er bei wiederholter Weigerung mit einer Abmahnung oder Kündigung rechnen muss.

Ist ein Schnelltest beim Arbeitnehmer positiv, weist dieser jedoch keine (Krankheits-)Symptome auf, so ist dieser nicht arbeitsunfähig. Etwaige Lohnersatzansprüche für die Zeit der Quarantäne können dem Arbeitnehmer aus § 616 BGB oder § 56 IfSG zustehen.

Weist der Arbeitnehmer hingegen Symptome auf, so ist regelmäßig von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen, welche zu einem Anspruch aus § 3 EntgFG führt.

Ist der Schnelltest fälschlicherweise positiv, so besteht zugunsten des Arbeitnehmers ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Etwaige Unsicherheiten bei dem Einsatz von Antigen-Schnelltests dürfen nicht zu seinen Lasten gehen.

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Anja Dombrowsky

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