04.08.2022 Newsletter
Russland-Sanktionen: Allgemeine Genehmigung des BAFA zu Restriktionen bei öffentlichen Aufträgen
EU-Sanktionen bei öffentlichen Aufträgen
Am 8. April 2022 erließ die EU erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs Verbote bezüglich der Vergabe und Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen. Die Verbote sind als Teil des fünften Sanktionspakets gegen Russland in Kraft getreten und sind unmittelbar anwendbar. Maßgeblich für die EU-Sanktionen bei öffentlichen Aufträgen ist Art. 5k der Verordnung EU 833/2014 (im Folgenden „Sanktions-VO“). Danach besteht grundsätzlich ein Zuschlags- und Vertragserfüllungsverbot bei der Vergabe und Durchführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen zulasten von Personen, Einrichtungen und Organisationen mit einem sog. Russlandbezug (vgl. dazu unsere Newsletter "Sanktionen: BAAINBw verlangt neue Eigenerklärung zu EU-Sanktionsverordnung" vom 02.06.2022 sowie "Russland-Sanktionen – was geht noch bei öffentlichen Aufträgen?" vom 08.06.2022).
Als Ausnahme sieht Art. 5k Abs. 2 Sanktions-VO einen Genehmigungsvorbehalt vor: Danach kann die zuständige nationale Behörde die Vergabe und Durchführung von Verträgen unter bestimmten Umständen genehmigen.
Am 24. Juni 2022 ist im Bundesanzeiger eine Allgemeine Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit dem amtlichen Titel „Allgemeine Genehmigung Nr. 31 (Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen)“ (im Folgenden „AGG Nr. 31“) veröffentlicht worden.
Was bringt die neue AGG Nr. 31?
Inhalt der Genehmigung
Das BAFA genehmigt gem. AGG Nr. 31 die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen an natürliche und juristische Personen, Einrichtungen und Organisationen mit Russlandbezug sowie die Fortführung der Erfüllung von Verträgen mit diesen Vertragspartnern, wenn und soweit die Verträge bestimmt sind für:
- Tätigkeiten in Bezug auf Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit zivilen nuklearen Kapazitäten,
- die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei Raumfahrtprogrammen,
- die Bereitstellung unbedingt notwendiger Güter oder Dienstleistungen, wenn sie ausschließlich oder nur in ausreichender Menge von den Personen mit Russlandbezug bereitgestellt werden können,
- die Tätigkeit der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der EU und deren Mitgliedstaaten in Russland,
- den Kauf, die Einfuhr oder die Beförderung von Erdgas und Erdöl, einschließlich raffinierter Erdölerzeugnisse, sowie von Titan, Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Eisenerz aus oder durch Russland in die EU, oder
- den Kauf, die Einfuhr oder die Beförderung von Kohle und anderen festen fossilen Brennstoffen, die in Anhang XXII der Sanktions-VO aufgeführt sind, bis 10. August 2022. (vgl. zu den Ausnahmetatbeständen auch bereits den inhaltsgleichen Art. 5k Abs. 2 Buchst. a) – f) Sanktions-VO).
Den genauen Wortlaut der AGG Nr. 31 finden Sie hier.
Die AGG Nr. 31 kann nur von Auftraggebern im Sinne des § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Anspruch genommen werden und ist zunächst bis zum 31. Dezember 2022 befristet. In Bezug auf das Zuschlagsverbot bei noch nicht abgeschlossenen Vergabeverfahren ist der Tag der Einleitung des Vergabeverfahrens für die zeitliche Anwendbarkeit der Ausnahmetatbestände maßgeblich. Dieser Zeitpunkt richtet sich entweder nach der Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung oder – im Verfahren ohne Auftragsbekanntmachung – nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe. Im Hinblick auf das Vertragserfüllungsverbot bei bestehenden Verträgen ist der Tag der Anzeige der Inanspruchnahme gegenüber dem Auftragnehmer maßgeblich.
Rückausnahmen
Die AGG Nr. 31 sieht sechs Rückausnahmetatbestände vor, bei deren Vorliegen es beim grundsätzlichen Zuschlags- und Vertragserfüllungsverbot des Art. 5k Abs. 1 Sanktions-VO bleibt (siehe Ziffer II.3.3 der AGG Nr. 31). Dies ist u. a. dann der Fall, wenn die infolge der Vergabe der Aufträge und Konzessionen sowie der Fortführung der Verträge zu erbringenden Leistungen gegen die übrigen Verbote oder Genehmigungspflichten der Sanktions-VO verstoßen.
Nebenbestimmungen – Registrierung und Anzeige
Darüber hinaus wurde die AGG Nr. 31 mit Nebenbestimmungen versehen, die vom öffentlichen Auftraggeber zu erfüllen sind. Dazu gehören insbesondere eine Registrierungspflicht sowie eine Anzeige- und Dokumentationspflicht: Wenn öffentliche Auftraggeber beabsichtigen, die AGG Nr. 31 in Anspruch zu nehmen, oder sie bereits in Anspruch genommen haben, müssen sie sich vor der ersten Nutzung oder binnen dreißig Tagen danach einmalig beim BAFA als Nutzer registrieren (Registrierungspflicht). Eine erneute Registrierung für jede weitere Nutzung der AGG Nr. 31 ist nicht erforderlich. Darüber hinaus müssen öffentliche Auftraggeber, wenn sie von der AGG Nr. 31 Gebrauch machen, diesen Gebrauch gegenüber Bewerbern und Bietern anzeigen und für die Zwecke des Vergabeverfahrens dokumentieren (Anzeige- und Dokumentationspflicht).
Was ändert sich?
Unternehmen mit Russlandbezug, die an Vergabeverfahren teilnehmen, trifft keine Pflicht, sich für die Nutzung der AGG Nr. 31 beim BAFA zu registrieren oder dem öffentlichen Auftraggeber eine entsprechende Mitteilung zukommen zu lassen. Es bestehen ausschließlich Registrierungs-, Anzeige- und Dokumentationspflichten für den öffentlichen Auftraggeber.
Durch die AGG Nr. 31 wird es nun dem öffentlichen Auftraggeber erleichtert, trotz der bestehenden Sanktionen Aufträge an Unternehmen mit Russlandbezug zu vergeben oder entsprechende Verträge fortzusetzen. Der Auftraggeber ist allerdings nicht verpflichtet, die AGG Nr. 31 zu nutzen. Er kann von der Inanspruchnahme der AGG Nr. 31 absehen, wenn die Auftragsvergabe an ein Unternehmen mit Russlandbezug bzw. die Vertragsfortsetzung mit einem solchen nicht beabsichtigt wird. Bieter oder Vertragspartner haben also keinen Anspruch auf Ausnutzung der AGG Nr. 31.