Reform des Familienrechts: Geplante Neuerungen des Abstammungs- und Kindschaftsrechts

Bereits im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP waren umfangreiche und vielfältige Reformen des Familienrechts angekündigt worden. In Bezug auf das Abstammungs- und Kindschaftsrecht werden diese Reformpläne nunmehr konkreter – Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann legte Mitte Januar zwei Eckpunktepapiere vor, die konkrete Vorschläge zur Modernisierung des Familienrechts beinhalten.

1. Reform des Abstammungsrecht

Das Abstammungsrecht, das bestimmt, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind, soll im Rahmen der geplanten Reform unter anderem an moderne Familienkonstellationen angepasst werden und die Rechte des leiblichen Vaters stärken.

1.1 Anpassung an alternative Familienmodelle

Die derzeitige Regelung, dass die Frau, die ein Kind gebärt, die rechtliche Mutter des Kindes ist, bleibt bestehen. Beibehalten wird auch das Zwei-Eltern-Prinzip, mithin der Grundsatz, dass ein Kind nur zwei rechtliche Eltern haben kann.

Zukünftig soll aber die Mutterschaft einer zweiten Frau, die das Kind nicht geboren hat, auch ohne Adoption möglich sein. Die Frau, die mit der leiblichen Mutter im Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist oder die Mutterschaft anerkennt, soll dann ebenfalls rechtliche Mutter werden. Eine Vaterschaft zweier Männer durch das Abstammungsrecht wird hingegen nicht eingeführt werden.

Neben die bisherigen Möglichkeiten zur Erlangung der rechtlichen Elternschaft, soll die Möglichkeit einer öffentlich beurkundeten Elternschaftsvereinbarung treten: Diese ermöglicht eine verbindliche Eltern-Kind-Zuordnung bereits vor Zeugung eines Kindes und fasst damit Konstellationen einer privaten Samenspende ins Auge – die Beteiligten (Geburtsmutter, leiblicher Vater des Kindes und die Person, die zweites (rechtliches) Elternteil werden soll) können so bereits vor Zeugung rechtssicher bestimmen, wer neben der Geburtsmutter zweites Elternteil wird. Die Vereinbarung geht den anderen Zuordnungstatbeständen (Ehe, Anerkennung, gerichtliche Feststellung) vor und kann nach der Zeugung nicht mehr widerrufen, aufgehoben oder geändert werden.

1.2 Rechtsposition des leiblichen Vaters

Die bisherigen Regelungen des Abstammungsrecht können in bestimmten Konstellationen dazu führen, dass der leibliche Vater eine rechtliche Vaterschaft nur sehr schwer oder gar nicht erlangen kann. Die Reform soll die Rechtsposition des leiblichen Vaters verbessern:

So soll zukünftig eine Sperrwirkung durch ein anhängiges Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft eintreten: Wenn der leibliche Vater ein gerichtliches Feststellungsverfahren betreibt, soll eine zeitgleiche Vaterschaftsanerkennung durch einen anderen Mann während dieses Verfahrens ausgeschlossen sein. Dadurch soll verhindert werden, dass die Vaterschaft im Einvernehmen mit der Mutter nur mit dem Zweck anerkannt wird, die gerichtliche Feststellung des leiblichen Vaters zu vereiteln.

Eine Anfechtung einer bestehenden rechtlichen Vaterschaft scheitert aktuell häufig an der sozial-familiären Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater, die eine Anfechtung derzeit ausschließt. Die Relevanz dieser Regelung wird deutlich durch das derzeit anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Az. 1 BvR 2017/21), in welchem der leibliche Vater, der erfolglos versuchte die rechtliche Vaterschaft anzufechten, aber aufgrund einer bestehenden sozial-familiären Beziehung scheiterte, die Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz (Elternrecht) rügt.

Zukünftig soll auch bei einer solchen Beziehung eine Anfechtung möglich sein und stattdessen im Rahmen einer umfangreichen Interessenabwägung über die Anfechtung entschieden werden.

Zudem soll bei bestehender Ehe der leiblichen Mutter zukünftig eine Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann als den Ehegatten zulässig werden, wenn der Ehegatte zustimmt. Einer Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft bzw. der Durchführung eines Scheidungsverfahrens soll es daher bei Einigkeit nicht mehr bedürfen.

2. Reform des Kindschaftsrechts

Das Reformvorhaben im Bereich des Kindschaftsrechts, welches insbesondere die elterliche Sorge und Umgangsrechte regelt, ist geprägt von dem Ansatz den Eltern weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten und damit flexible Lösungen für ihre individuelle Familienkonstellation zu ermöglichen.

​​​​​​​2.1 Flexible Gestaltungen in Bezug auf das Sorge- und Umgangsrecht

Wenn eine Elternschaftsvereinbarung getroffen wurde, soll damit auch eine Regelung des Sorgerechts einhergehen. Eltern sollen zukünftig zudem durch Vereinbarung das Sorgerecht untereinander übertragen können und die Möglichkeit erhalten, bis zu zwei weiteren Personen (bspw. neuen Lebenspartnern) sorgerechtliche Befugnisse für Angelegenheiten des täglichen Lebens einräumen zu können (sog. „kleines Sorgerecht“). Die bisherige Regelung des § 1687b BGB, die eine solche Möglichkeit nur für den Ehepartner des alleinsorgeberechtigten Elternteils vorsieht, wird dadurch ausgeweitet werden.

Gegenstand von Vereinbarungen soll auch das Umgangsrecht werden: Eltern sollen Regelungen über die Betreuung des Kindes durch notarielle Vereinbarung einer sofortigen Vollstreckbarkeit unterwerfen können. Zusätzlich soll die Option bestehen auch Dritten ein Umgangsrecht einräumen zu können (jedoch nicht vollstreckbar).

Bislang ist gesetzlich zur Übertragung der elterlichen Sorge oder für vollstreckbare Regelungen über das Umgangsrecht ein familiengerichtliches Verfahren notwendig. Die geplante Reform würde daher das bisherige Verfahren vereinfachen und die Rechtsverbindlichkeit von elterlichen Vereinbarungen ausdrücklich normieren. Um Kindeswohlgefährdungen auszuschließen, soll einschränkend eine vorausgehende Beratung beim Jugendamt vorgeschrieben werden.

Gestärkt werden sollen auch die Rechte der betroffenen Kinder – das Recht auf Umgang soll auf weitere Bezugspersonen / Familienangehörige ausgedehnt werden und ab der Vollendung des 14. Lebensjahres sollen Mitentscheidungsbefugnisse in Bezug auf das Sorge- und Umgangsrecht bestehen.

​​​​​​​2.2 Gesetzliche Verankerung des „Wechselmodells“

Als weitere wichtige Neuerung soll die gesetzliche Klarstellung erfolgen, dass das Familiengericht eine Betreuung durch beide Elternteile im Wechsel anordnen kann. Auch wenn eine solche Anordnung bereits möglich ist, fehlt es bisher an der Verankerung im Gesetz. Damit einhergehen soll auch die Möglichkeit eines Elternteils in Angelegenheiten des täglichen Lebens trotz bestehenden gemeinsamen Sorgerechts allein entscheiden zu können, wenn sich das Kind gerade bei diesem Elternteil aufhält.

​​​​​​​2.3 Änderungen im Adoptionsrecht

Eine wichtige Änderung soll auch im Adoptionsrecht erfolgen: Die Voraussetzungen für eine Adoption werden gesenkt, indem die Möglichkeit einer gemeinsamen Adoption zukünftig auch unverheirateten Paaren offenstehen soll. Verheiratete Personen sollen hingegen in Zukunft auch allein ein Kind adoptieren können.

3. Ausblick

Für die Beratungspraxis dürften insbesondere die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf das Sorge- und Umgangsrecht relevant werden. Die genaue Ausgestaltung im Gesetz bleibt natürlich noch abzuwarten, aber fernerhin könnten Vereinbarung zum Sorge- und Umgangsrecht damit auch Bestandteil von Ehe- oder Partnerschaftsverträgen werden und ggf. bereits auch vorsorgende Regelungen für den Fall einer Trennung möglich werden.

Geplant ist es, einen Referentenentwurf noch im ersten Halbjahr 2024 vorzulegen. Im Anschluss werden die Beratungen innerhalb der Bundesregierung unter Einbeziehung von Stellungnahmen der Länder und der Öffentlichkeit beginnen. Erst dann kann das Gesetzgebungsverfahren erfolgen. Bis zur endgültigen Regelung wird daher noch Zeit vergehen.

Erste Reaktionen aus den Fachkreisen fielen gemischt aus – obwohl das Potenzial des Reformvorhabens grundsätzlich anerkannt wurde, wurde kritisiert, dass weiterhin Schutzlücken beispielsweise für den leiblichen Vater bei der Vaterschaftsanerkennung verbleiben.

Beobachtet werden sollten auch die weiteren Reformpläne im Bereich des Familienrechts: Neben den Neuerungen im Abstammungs- und Kindschaftsrecht ist die Einführung eines neuen Rechtsinstituts der Verantwortungsgemeinschaft angekündigt worden, welches die Übernahme von Verantwortung jenseits von Ehe und Partnerschaft ermöglichen und regeln soll.

Zurück zur Übersicht

Franziska Goetjes<br/>LL.M. (Dublin)

Franziska Goetjes
LL.M. (Dublin)

AssociateRechtsanwältin

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 652
M +49 151 21701588

E-Mail

LinkedIn