Gewerblicher Rechtsschutz22.02.2021Köln Newsletter

Kurz vor dem Abschluss: EU-Urheberrechtsreform zur Anpassung an das digitale Zeitalter

Am 3. Februar 2021 hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes beschlossen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen bis zum 7. Juni 2021 die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/790 („DSM-Richtlinie“) in nationales Recht umsetzen. Mit dem Gesetzesentwurf steht die Umsetzung nun kurz vor dem Abschluss.

Der Gesetzesentwurf sieht die Einführung eines neuen Gesetzes für die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen wie YouTube sowie zahlreiche Änderungen des Urheberrechtsgesetzes und des Verwertungsgesellschaftengesetzes vor. Folgend haben wir die wichtigsten Neuerungen, die sich aus dem Regierungsentwurf ergeben, zusammengestellt.

Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen

Durch das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten (UrhDaG) soll ein neues Rechtsinstrument in das deutsche Recht eingeführt werden.

Upload-Plattformen sind danach künftig grundsätzlich für die Wiedergabe der durch Nutzer hochgeladenen Inhalte urheberrechtlich verantwortlich und können sich nur von ihrer Haftung befreien, indem sie konkret geregelten Sorgfaltspflichten nachkommen (§ 1 UrhDaG-E). Es müssen „bestmögliche Anstrengungen“ unternommen werden, um Lizenzen zu erwerben (§ 4 UrhDaG-E). Bei unzulässiger Wiedergabe auf der Plattform müssen die entsprechenden Inhalte blockiert werden, wobei „automatisierte Verfahren“ verwendet werden dürfen (§§ 7, 8 UrhDaG-E). Damit wird die Zulässigkeit von Upload-Filtern gesetzlich normiert.

Der Upload von „mutmaßlich erlaubten Nutzungen“ bleibt aber möglich, um ein sog. „Overblocking“ zu vermeiden. Eine Nutzung ist „mutmaßlich erlaubt“, wenn der Upload nur weniger als die Hälfte eines fremden Werkes enthält, das Werk mit anderen Inhalten kombiniert wird und es lediglich in geringem Umfang genutzt wird oder der Nutzer es als gesetzlich erlaubt kennzeichnet (§§ 9-12 UrhDaG-E).

Das neue Gesetz sieht als Rechtsbehelf ein Beschwerdeverfahren vor (§§ 14, 15 UrhDaG-E). Bei erheblicher wirtschaftlicher Beeinträchtigung der Werkeverwertung ist eine Blockierung bis zum Abschluss des Verfahrens auch bei mutmaßlich erlaubten Nutzungen möglich (§ 14 Abs. 4 UrhDaG-E).

Verschärfung des Urhebervertragsrechts

Weiterhin soll durch Änderung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) das Urhebervertragsrecht verschärft werden. Danach muss eine angemessene Beteiligung des Urhebers an dem voraussichtlichen Gesamtertrag der Nutzung künftig gewährleistet werden (§§ 32, 32a UrhG-E). Die jährliche Auskunfts- und Rechenschaftserteilung muss zudem unaufgefordert erteilt werden (§ 32d UrhG-E). Zur Stärkung des kollektiven Rechtsschutzes können sich Urheber bei Streitigkeiten um die angemessene Beteiligung durch Vereinigungen von Urhebern vertreten lassen (§ 32g UrhG-E). Dementsprechend geht die Anpassung des Urhebervertragsrechts zu Lasten der Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke.

Weitere Änderung des Urheberrechtsgesetzes und des Verwertungsgesellschaftengesetzes

Der Gesetzesentwurf sieht außerdem die Aufhebung der Regelung zur freien Benutzung entsprechend der EuGH-Rechtsprechung im „Metall auf Metall“-Verfahren (C-476/17) vor. Außerdem soll eine neue Schranke für die Nutzung von Werken zum Zwecke von Karikaturen, Parodien und Pastiches eingeführt werden (§ 51a UrhG-E). Dadurch wird das Zitatrecht um weitere Möglichkeiten für die Werknutzung zu kulturellen Zwecken ergänzt.

Neue Regelungen beinhalten zudem Erlaubnisse für den digitalen Unterricht und die Lehre sowie für die Erhaltung des Kulturerbes (§ 60a bzw. §§ 60e, 60f UrhG-E). Vervielfältigungen für das Text- und Data Mining, d. h. die automatisierte Auswertung großer Datenmengen, sind für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt (§§ 44b, 60d UrhG-E). Vervielfältigungen gemeinfreier visueller Werke, z. B. Fotos alter Gemälde, genießen hingegen künftig keinen Leistungsschutz mehr. Dies soll den Zugang zu Reproduktionen von gemeinfreien Werken erleichtern (§ 68 UrhG-E).

Durch neue Regelungen wird auch die Online-Verbreitung von Fernseh- und Radioprogrammen, z. B. per Livestream oder über Mediatheken, geregelt (§§ 20b-20d UrhG-E). Rechte an diesen weitergesendeten Werken können künftig nur noch zentral über Verwertungsgesellschaften erworben werden. Der Direktvergütungsanspruch der Urheber und ausübenden Künstler gegen die Weitersendedienste bleibt aber bestehen.

Weiterhin wird das Leistungsschutzrecht für Presseverleger reformiert (§§ 87f ff. UrhG-E). Die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurze Auszüge (sog. „Snippets“) aus einer Presseveröffentlichung sowie das Setzen von Hyperlinks auf eine Presseveröffentlichung bleibt ohne Lizenzerwerb möglich (§ 87g Abs. 2 UrhG-E). Der Beteiligungsanspruch des Urhebers an den Einnahmen des Presseverlegers kann ebenfalls nur noch durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden (§ 87k Abs. 2 UrG-E). Zudem wird die Verlegerbeteiligung neu gefasst (§§ 27 ff. VGG-E, § 63a UrhG-E), nachdem der EuGH die „Kopier-Abgabe“ 2015 gekippt hatte. Dem Verleger steht danach wieder ein pauschaler Beteiligungsanspruch zu, wenn der Urheber ihm Rechte eingeräumt hat. Durch diese neuen Regelungen soll insbesondere der Fortbestand der VG Wort als gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlegern gewährt werden.

Durch die Änderung des Verwertungsgesellschaftengesetzes soll die Möglichkeit zum Erwerb kollektiver Lizenzen mit erweiterter Wirkung, sog. „Extended Collective Licences“, eingeführt werden (Teil 2 Abschnitt 5 VGG-E). Dies soll die Nutzung von Werken auf vertraglicher Basis, etwa für Digitalisierungsprojekte, erleichtern.

Gesetzesentwurf stößt auf Kritik

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisiert, dass der Gesetzesentwurf die Zulässigkeit von Upload-Filtern beinhaltet, obwohl diese negative Auswirkungen auf Nutzer haben können. Teilweise wird darin sogar eine Gefahr für die Meinungs- und Kunstfreiheit gesehen.

Außerdem bleibt unklar, für wen das neue Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen überhaupt gelten soll. Youtube ist das typische Beispiel – unsicher ist jedoch, ob z. B. auch Twitter, Instagram und Co. in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.

Demgegenüber wird die Reform des Presseverlegerrechts, durch die die Ausbeutung journalistischer Inhalte durch kommerzielle Plattformen eingedämmt werden könnte, mehrheitlich begrüßt.

Der Regierungsentwurf stellt jedenfalls eine lang erwartete Reaktion des Gesetzgebers auf die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre und den damit verbundenen Grenzen dar, an die das bisherige Urheberrechtsgesetz gestoßen ist. Ob die Regelungen an allen Stellen praktikabel gestaltet sind, wird sich bei der Durchsetzung in den kommenden Jahren zeigen. Insbesondere bei dem schon seit längerem heftig diskutierten Einsatz von Upload-Filtern stellt sich die Frage jedoch noch auf einer ganz anderen Ebene: Was ist – unabhängig von rechtlichen Fragen – eigentlich die Nutzungswirklichkeit von Plattformen wie YouTube? Gehört es nicht dazu, dort auch die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr bei der „Jerusalema“-Challenge tanzen zu sehen, oder sollen nur originär eigene Inhalte geteilt werden?

Inkrafttreten des Gesetzes noch im Frühling

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und im Bundestag und Bundesrat – wohl unter lebhaften rechtspolitischen Auseinandersetzungen – weiter beraten. Das Gesetz soll dann mit Ablauf der Frist zur Umsetzung der DSM-Richtlinie am 7. Juni 2021 in Kraft treten. Ob dies in der im Regierungsentwurf vorgeschlagenen Form erfolgen wird, ist mehr als offen.

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Dr. Fee Mäder

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