Digital Business31.07.2023 Newsletter

Gesundheitsschutz im Metaverse – Verpflichtungen des Arbeitsgebers

Im Metaverse wird die reale mit der virtuellen Welt verknüpft. Auch für berufliche Tätigkeiten bringt das Metaverse durchaus Vorteile mit sich: Mitarbeitende begegnen sich mittels Avataren in virtuellen Räumlichkeiten und arbeiten von verschiedenen Standorten aus zusammen, sie absolvieren Fortbildungsmaßnahmen, üben Handgriffe ein oder treten mit Kunden zwecks Vertrieb der unternehmenseigenen Produkte in Kontakt.

Die Arbeit mit dem Metaverse bietet aber nicht nur zahlreiche Möglichkeiten, sondern kann auch Auswirkungen auf die physische und die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden haben, die nicht aus dem Blick geraten dürfen. Denn das Metaverse ist auch unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten kein rechtsfreier Raum.

Gesundheitliche Risiken bei der Arbeit im Metaverse

Häufig kommen im Metaverse sogenannte VR-Brillen zum Einsatz. Sie simulieren über zwei Displays, je eins pro Auge, einen dreidimensionalen Raum. Die beiden Bilder unterscheiden sich minimal und werden vom Gehirn zusammengesetzt, so dass der Eindruck einer räumlichen Tiefe entsteht.

VR-Brillen täuschen somit Auge und Gehirn zur Erschaffung einer dreidimensionalen Wahrnehmung. Auf der VR-Brille spielen sich vermeintlich weit entfernte Dinge nur wenige Millimeter vor der natürlichen Linse des Auges ab. Dadurch kann es zu einer unnatürlichen Augenstellung kommen und nach längerer Arbeit in der virtuellen Welt ist die Sicht möglicherweise zunächst unscharf oder doppelt. Dadurch kann beispielsweise die Fahrtüchtigkeit vermindert sein. Auch können Übelkeit, Sehstörungen und Irritationen hervorgerufen werden. Ebenfalls nicht außer Acht zu lassen sind hygienische Aspekte, um die Übertragung von Krankheiten, wie etwa Bindehautentzündungen oder Erkältungsviren, über die Schleimhäute im Auge zu vermeiden. Das Tragen einer VR-Brille – das leichteste Modell wiegt derzeit immerhin 450 Gramm – kann zudem zu Nackenschmerzen oder Verspannungen führen.

Darüber hinaus können sich Gefahren für die psychische Gesundheit von Beschäftigten ergeben. Belästigung und Diskriminierung im digitalen Raum können durch das immersive Erlebnis des Metaverses ähnlich verletzend wirken wie im realen Leben. Die (technische) Möglichkeit, Gesundheitsdaten wie etwa die Atem- und Herzfrequenz, Bewegungen und Mimik bis ins kleinste Detail aufzuzeichnen und für den Arbeitgeber einsehbar zu machen, kann zu Ängsten und anderen psychischen Belastungen führen. Die Gefahr eines Realitätsverlustes oder einer Anpassungsstörung ist insbesondere bei regelmäßigen Einsätzen im Metaverse nicht von der Hand zu weisen.

Auch wenn die Langzeitauswirkungen der Arbeit im virtuellen Raum auf die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten noch nicht im Einzelnen erforscht sind, lassen sich dennoch bereits gesundheitliche Risiken für die Beschäftigten erkennen.

Verpflichtung zum Arbeitsschutz auch bei Arbeiten im virtuellen Raum

Es gibt zahlreiche Rechtsgrundlagen, die dem Gesundheits- und Arbeitsschutz der Beschäftigten dienen. Viele sind speziell auf bestimmte Arbeitsbereiche und Tätigkeiten zugeschnitten, so etwa die Arbeitsstättenverordnung im Hinblick auf Bildschirmarbeitsplätze. Für die Arbeit im Metaverse und das Tragen von VR-Brillen existieren solche Vorschriften bislang nicht. Es verbleibt daher nur der Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften, die der Arbeitgeber zum Schutze der Gesundheit der Beschäftigten zu beachten hat.

Die allgemeine Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) verpflichtet den Arbeitgeber u. a. dazu, Gefahren für Leben und Gesundheit, die von Betriebseinrichtungen, technischen Arbeitsmitteln, Gefahrstoffen, Arbeitsstätten und Produktions- und Arbeitsverfahren ausgehen können, zu vermeiden und für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen Sorge zu tragen.

Arbeitgeber sind zudem nach §§ 3,4 ArbSchG ausdrücklich verpflichtet, die Sicherheit und die physische und psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten durch erforderliche Maßnahmen zu schützen und diesen Schutz unter Hinzuziehung gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse regelmäßig zu überprüfen. Dies beinhaltet die uneingeschränkte Pflicht zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen auch bei Arbeiten im Metaverse (5 ArbSchG).

Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über die Tätigkeit im virtuellen Raum sind derzeit allerdings kaum vorhanden. Bislang existiert, soweit ersichtlich, nur eine einzige längere Studie von Forschenden der Universität Coburg in Zusammenarbeit mit den Universitäten Cambridge und Primorska zu den Auswirkungen der Arbeit im Metaverse auf die physische und psychische Gesundheit. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die (ausschließliche) Tätigkeit im Metaverse erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann und neben physischen Beschwerden auch die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten beeinträchtigt werden können.

Fazit

Sollte die berufliche Tätigkeit im Metaverse künftig nicht nur experimentell auf dem Plan stehen, sondern zur Realität vieler Mitarbeitenden werden, ist mit einem Tätigwerden des Gesetzgebers zu rechnen. Zu denken ist etwa daran, dass die Arbeitsstättenverordnung zukünftig besondere Vorgaben für die Tätigkeit im Metaverse vorsieht. Dies kann zum Beispiel durch eine stundenweise Beschränkung mit entsprechenden Ruhezeiten erfolgen oder durch bestimmte Vorgaben für die notwendige Technik umgesetzt werden. Nicht auszuschließen ist zudem, dass der europäische Gesetzgeber, der in der Gesetzgebung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zumindest unterstützend tätig werden kann (Art. 153 Abs. 1 Nr. 1 AEUV), Regelungen treffen wird, um unionsweit einen Mindeststandard zu gewährleisten.

Derzeit müssen sich Arbeitgeber aber noch an den bestehenden Vorgaben zum allgemeinen Arbeitsschutz ausrichten. Weder das Arbeitsschutzgesetz noch die allgemeine arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht sprechen gegen ein stundenweises, anlassbezogenes Tätigwerden von Beschäftigten im Metaverse, schließlich kennt auch das ArbSchG „verbleibende Gefährdungen“. Diese müssen allerdings möglichst gering gehalten werden (§ 4 Nr. 1 ArbSchG). Unternehmen sollten dabei darauf achten, dass sowohl die verwendete Hard- als auch Software regelmäßig erneuert wird, um negative Auswirkungen auf die Gesundheit so gut wie möglich auszuschließen. Einzelne Tätigkeiten im Metaverse wie z. B. Meetings oder das Erlernen bestimmter Arbeitsabläufe dürften unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich unproblematisch sein. Ergeben sich im Einzelfall aber bereits aus einem stundenweise Tätigwerden besondere Belastungen einzelner Beschäftigter, muss der Arbeitgeber darauf im Rahmen seiner genannten Verpflichtungen reagieren.

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Kathrin Vossen

Kathrin Vossen

PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

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