Arbeitsrecht09.02.2023 Newsletter

EuGH-Urteil: Abberufung des Datenschutzbeauftragten aufgrund der Eigenschaft als Betriebsratsmitglied

Der EuGH hat heute über diverse Vorlagefragen des BAG zu betrieblichen Datenschutzbeauftragten entschieden. Mit Spannung wurde die Entscheidung erwartet, da Hintergrund der Vorlagefragen war, dass ein Datenschutzbeauftragter gleichzeitig Mitglied des Betriebsrats war und das Unternehmen die Abberufung mit einem Interessenkonflikt begründete. Wir erläutern die Entscheidung und deren Auswirkungen.

Hintergrund der Entscheidungen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte 2021 über zwei ähnlich gelagerte Fälle (9 AZR 383/19 und 9 AZR 621/19) zu entscheiden:

Der Kläger ist der von der Arbeit teilweise freigestellte Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Gleichzeitig war er auch als betrieblicher Datenschutzbeauftragter bei der Beklagten und drei weiteren Konzernunternehmen bestellt. Die Beklagte berief den Kläger (ebenso wie die drei weiteren Konzernunternehmen) als Datenschutzbeauftragten ab, da ein Interessenkonflikt aufgrund der Ausübung beider Ämter drohe. Dementsprechend sei gemäß § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB zur Abberufung des Klägers gegeben.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Neunte Senat des BAG wandte sich hingegen am 27. April 2021 an den EuGH. Dabei wollte das BA festgestellt wissen, ob die Möglichkeit der Abberufung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO vereinbar ist, wonach der Datenschutzbeauftragte wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden darf. Zudem sollte der EuGH die Frage klären, ob ein Interessenkonflikt i. S. v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorliegt, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich das Amt des Vorsitzenden des in der verantwortlichen Stelle gebildeten Betriebsrats innehat und ob es für die Annahme eines solchen Interessenkonflikts einer besonderen Aufgabenzuweisung innerhalb des Betriebsrats bedürfe.

Entscheidungen des EuGH

Der EuGH hat am heutigen Tag zu den Vorlagefragen des BAG Stellung genommen (C-453/21 und C-560/21).

Zunächst stellte der EuGH fest, dass die Vorschrift § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG, die eine Abberufung nur aus wichtigem Grund i. S. d. § 626 BGB zulässt, grundsätzlich nicht der unionsrechtlichen Regelung des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO entgegensteht. Dies gelte auch dann, wenn die Abberufung nicht mit der Erfüllung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten zusammenhängt.

Allerdings müsse gewährleistet sein, dass die mitgliedsstaatliche Regelung die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtige. Im Wesentlichen handele es sich dabei um die Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus für natürliche Personen innerhalb der Union (Erwägungsgrund 10 der DSGVO).

Darüber hinaus sei ein weiteres Ziel, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten sicherzustellen. Es stehe daher jedem Mitgliedsstaat frei, strengere Vorschriften für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten vorzusehen, sofern diese mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der DSGVO vereinbar sind. Eine Abberufung müsse dabei insbesondere möglich sein, wenn der Datenschutzbeauftragte nicht mehr die erforderliche berufliche Qualifikation aufweist oder er seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt.

Im Hinblick auf einen möglichen Interessenkonflikt i. S. d. Art. 38 Abs. 6 DSGVO stellte der EuGH fest, dass ein Datenschutzbeauftragter grundsätzlich auch andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen kann. Jedoch müsse die funktionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten weiterhin gewährleistet sein. Daraus folge, dass einem Datenschutzbeauftragten keine Aufgaben oder Pflichten übertragen werden dürfen, die ihn dazu veranlassen würden, die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten bei dem Verantwortlichen festzulegen. Denn der Datenschutzbeauftragte müsse die Überwachung dieser Zwecke und Mittel unabhängig durchführen.

Ob also ein Interessenkonflikt vorliegt, müsse je nach Einzelfall unter Würdigung aller relevanten Umstände, insbesondere der Organisationsstruktur des Verantwortlichen und im Lichte aller anwendbaren Rechtsvorschriften und internen Vorschriften des Verantwortlichen festgestellt werden.

Fazit

Erfreulicherweise hat der EuGH mit Klarheit festgestellt, dass die nationalen Vorschriften § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG grundsätzlich mit Unionsrecht und speziell mit der DSGVO vereinbar sind. Jedoch muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob durch die Abberufung des Datenschutzbeauftragten die Verwirklichung der Ziele der DSGVO gefährdet ist. Liegt allerdings ein Interessenkonflikt vor, so dürfte eine Abberufung zulässig sein.

Nicht ganz klar ist, ob nun tatsächlich ein Betriebsratsmitglied in Personalunion die Stellung des Datenschutzbeauftragten einnehmen kann, denn dies sei eine Frage des Einzelfalles. Fest steht hierbei, dass die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung wohl grundsätzlich durch den Arbeitgeber als Verantwortlichen i. S. d. DSGVO festgelegt werden.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat bei der Datenverarbeitung in der Regel ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat, das ebenfalls das konkrete Mittel der Datenverarbeitung umfasst. Aus diesem Grund könnte man hier von einem Interessenkonflikt durchaus ausgehen. Insoweit bleibt mit Spannung abzuwarten, wie das BAG in den beiden rechtshängigen Verfahren entscheiden wird.

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Annabelle Marceau

Annabelle Marceau

Junior PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

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