Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts

Am 18. April 2023 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz das Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts. Die geplante Reform zielt darauf ab, das Schiedsverfahrensrecht an die Bedürfnisse der heutigen Zeit anzupassen und dadurch die Attraktivität des Schiedsstandorts Deutschland zu stärken. Zur Umsetzung dieses Ziels schlägt das BMJ zwölf konkrete Reformvorhaben vor.

Wir haben in einer Beitragsserie auf LinkedIn diese zwölf Eckpunkte einzeln beleuchtet und untersucht, inwieweit die Reformvorhaben wie geplant zu einer Stärkung des Schiedsstandorts Deutschland beitragen können. Tatsächlich versprechen zahlreiche der geplanten Änderungen Erleichterungen in der Praxis. Der Mehrwert anderer Reformvorhaben wird sich erst zeigen.

Zu begrüßen sind vor allem die folgenden geplanten Änderungen: Das BMJ legt einen besonderen Fokus auf die Stärkung der englischen Sprache als „lingua franca“ des internationalen Schiedsrechts, indem das derzeit (wenngleich nur als Beweisregelung) bestehende Gebot der (beglaubigten) Übersetzung fremdsprachiger Unterlagen eingeschränkt werden soll (Eckpunkt Nr. 6). Auch sollen die neu einzurichtenden Commercial Courts als Spezialspruchkammern für Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in Schiedssachen zuständig werden (Eckpunkt Nr. 7). Dort soll es dann auch möglich sein, vollständig auf Englisch zu verhandeln, was ebenso zur Internationalisierung des Schiedsstandorts beitragen wird. Eine Vereinfachung in der Praxis dürfte schließlich die geplante Einführung von Regelungen zur (Ersatz-)Bestellung von Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen im Mehrparteienverfahren bringen.

Manche Reformvorhaben dienen der gesetzlichen Klarstellung von Regelungslücken, die sich in der Praxis in der Regel nicht auswirken. Dies betrifft etwa Eckpunkt Nr. 4, wonach Schiedsverhandlungen ausdrücklich in Form von Videokonferenzen durchgeführt werden dürfen. Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie sind Schiedsverhandlungen per kosten- und ressourcenschonenden Videoverhandlungen üblich, ohne dass dies gesetzlich ausdrücklich gestattet wäre. Ein anderes Beispiel ist Eckpunkt Nr. 5, wonach bei Einverständnis der Parteien die Veröffentlichung von Schiedssprüchen erfolgen dürfen soll. Auch dies findet in der Praxis bei allseitiger Zustimmung schon jetzt regelmäßig statt. Die in Eckpunkt Nr. 11 geplante Zurückverweisungsmöglichkeit an das Schiedsgericht nach Ablehnung der Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs durch das staatliche Gericht ist zwar bislang nicht gesetzlich geregelt, allerdings gehen Literatur und Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass die bestehenden Zurückverweisungsregelungen analog angewendet werden sollen.

Bei weiteren Reformvorhaben stellt sich sogar die Frage, wie sie zur Systematik der bestehenden Regelungen in der ZPO passen. Mit Eckpunkt Nr. 3 möchte das BMJ sog. negative Zwischenentscheide, mit denen ein Schiedsgericht seine Zuständigkeit abgelehnt hat, in einem gesonderten Verfahren gerichtlich überprüfbar machen. Diesen Gedanken hatte der Gesetzgeber allerdings bereits im Jahre 1996 als systemfremd verworfen. Möglicherweise ließe sich das angestrebte Ziel sinnvoller über eine Erweiterung des Katalogs der Aufhebungsgründe erreichen. Auch Eckpunkt Nr. 12, mit dem die besonderen Befugnisse des staatlichen Gerichts zum vorläufigen Rechtsschutz auf Anordnungen in dringenden Fällen beschränkt werden sollen – z.B. die Anordnung, dass der Antragsgegner die vorläufige oder sichernde Maßnahme des Schiedsgerichts vollziehen darf –, passt nicht zur Systematik bei staatlichen Eilmaßnahmen. Denn bei diesen staatlichen Eilmaßnahmen ist noch keine verbindliche Entscheidung über den Rechtsstreit in der Welt.

Welche der Reformvorhaben letztlich den Gesetzgebungsprozess überdauern werden, bleibt spannend. Für den Schiedsstandort Deutschland ist jedenfalls schon die derzeit laufende Diskussion zum Eckpunktepapier ein positives Signal.

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Dr. Anna-Gesine Köpp

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