Arbeitsrecht09.12.2025 Newsletter

Betriebliche Altersversorgung: Bundestag verabschiedet BRSG II

Der Bundestag hat (endlich) das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II) verabschiedet. Das BRSG II intendiert eine notwendige Verbreiterung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland und enthält wichtige Neuregelungen. Das Gesetz soll ab dem 1. Januar 2026 in mehreren Stufen Inkrafttreten. Die wichtigsten Punkte sind hier zusammengefasst.

Nach langwierigen Beratungen, die auch durch die Bundestagsneuwahlen verzögert waren, hat der Bundestag am 5. Dezember 2025 das BRSG II beschlossen. Das Gesetz umfasst insbesondere Möglichkeiten für die Einführung von Opting-out-Systemen auf betrieblicher Ebene, höhere Abfindungsgrenzen für Anwartschaften mit und ohne Zustimmung des Beschäftigten und eine erleichterte Teilnahme „Dritter an Sozialpartnermodellen“ sowie flexiblere Bedeckungsvorschriften bei Pensionskassen. Im Zuge des BRSG II ist zudem der zeitliche Anwendungsbereich für die Inanspruchnahme von Wertguthaben (§ 7c SGB IV) weiter ausgeprägt worden.

Nachfolgend werden die wesentlichen Neuerungen einordnend vorgestellt:

Opting-out-Syteme

Der Bundesgesetzgeber versucht mit dem BRSG II zumindest, die Einführung von Opting-out-Systemen zur automatischen Entgeltumwandlung auf Betriebsebene zu erleichtern. Insoweit sollen die Betriebsparteien zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen „auch ohne tarifvertragliche Grundlage“ ein Opting-out-System mittels Betriebs- oder Dienstvereinbarung einführen können.

Die gesetzgeberische Umsetzung erfolgt im BRSG II über einen in § 20 BetrAVG einzufügenden Absatz 3. Der neue Absatz 3 knüpft ein Opting-out-System ohne tarifvertragliche Grundlage daran, dass Entgeltansprüche nicht und auch nicht üblicherweise in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt sind. Die praktische Auswirkung darf angesichts des Üblichkeits-Vorbehalts bezweifelt werden.

Abfindungsgrenzen für Anwartschaften

Der Praxis war sich seit langem einig, dass sog. bAV Kleinstanwartschaften Unternehmen administrativ belasten und für die Beschäftigten keine echte verbesserte Absicherung im Alter bedeuten.

Das BRSG II schafft insoweit zukünftig erleichterte Abfindungsmöglichkeiten für bAV-Anwartschaften mit und ohne Zustimmung des Beschäftigten:

  • Unternehmen können Anwartschaften nunmehr ohne Zustimmung des Beschäftigten, wenn der Monatsbetrag der aus einer Anwartschaft folgenden laufenden Leistung bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze 1,5 vom Hundert, bei Kapitalleistungen achtzehn Zehntel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigen würde.
  • Unternehmen können zudem zukünftig mit Zustimmung des Beschäftigten Anwartschaften im doppelten Umfang als bislang abfinden, wenn der Abfindungsbetrag unmittelbar zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung" verwendet wird.

 

Sozialpartnermodelle für „Dritte“

Das BetrAVG regelt in den §§ 21 ff. BetrAVG das sog. Sozialpartnermodell, das durch die reine Beitragszusage als Zusageform und deutlich weniger unternehmensseitigen Pflichten nach dem BetrAVG (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG) gekennzeichnet ist. Die Weiterentwicklung soll insbesondere die Teilnahme von nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmer als Dritte ermöglichen.

Das BRSG II führt einen neuen § 24 BetrAVG ein, der in der Überschrift die „Teilnahme Dritter an Sozialpartnermodellen“ postuliert. Die neue Regelung ermöglicht Unternehmen und Beschäftigten, die Anwendung eines einschlägigen Sozialpartnermodells einvernehmlich herbeizuführen. Darüber hinaus kann die Anwendbarkeit eines nicht einschlägigen Sozialpartnermodells durch die Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden, wenn ein für das Arbeitsverhältnis einschlägiger Tarifvertrag das erlaubt oder die das Sozialpartnermodell beschließende Gewerkschaft nach ihrer Satzung für das Arbeitsverhältnis tarifzuständig ist. Zentral ist zudem, dass die Teilnahme dieser Dritter der Zustimmung der das Sozialpartnermodell tragenden Tarifvertragsparteien bedarf.

Ob und inwiefern die vorstehende Öffnung der Sozialpartnermodelle zu der beabsichtigten Verbreiterung der bAV führen wird, ist nunmehr Gegenstand einer gesetzlich festgeschriebenen Evaluierung im Jahr 2027 durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 30a BetrAVG n.F.). Sollte sich die Zahl der Beschäftigten, die an einem Sozialpartnermodell teilnehmen, bis dahin gegenüber 2025 nicht verdoppelt haben, muss die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 31. März 2028 geeignete Maßnahmen vorschlagen, damit allen Unternehmen und ihren Beschäftigten der Zugang zu einem Sozialpartnermodell eröffnet wird.

Entsparen von Wertguthaben bis zur Regelaltersgrenze

Der Bundesgesetzgeber hat mit der Ergänzung § 7c Absatz 1 Satzteil vor Nummer 1 („bis zum Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch“) den zeitlichen maximalen Anwendungsbereich klargestellt.

Die Klarstellung ist kein gesetzgeberischer Selbstzweck, sondern ist in Zusammenhang mit der Ergänzung in Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a („oder darüber hinaus längstens bis zum Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch“) zu lesen. Vielmehr wird erstmals die Möglichkeit geschaffen, ein Wertguthaben auch bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters als Voll- oder Teil-rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze nach SGB VI zu entsparen. Die Änderung ist vor dem Hintergrund der Anfang 2023 erfolgten Neuregelungen des Hinzuverdienstes zu verstehen, die den Rentenbezug flexibilisieren soll und insbesondere Anreize für Ältere schaffen soll, länger zu arbeiten. Dem stünde entgegen, wenn ein Wertguthaben bereits im Zeitpunkt der Inan-spruchnahme einer vorgezogenen Altersrente aufzulösen wäre. Das hat der Gesetzgeber nun klargestellt.

Fazit

Das neue BRSG II lässt den gesetzgeberischen Willen erkennen, die bAV als zukünftig noch tragende Säule der Sicherung des Lebensstandards im Alter zu stärken. Gleichwohl dürfte die „Öffnung“ Opting-out-Syteme praktisch kaum Wirkung entfalten, da nahezu jeder Entgeltanspruch üblicherweise tarifvertraglich geregelt ist. Die erhöhten Abfindungsgrenzen sind ein vorsichtiger Anfang der überfälligen Reduzierung von Verwaltungskosten. Grund für etwas Optimismus kann zumindest die eingeführte Evaluierung der Sozialpartnermodelle im Jahr 2027 bieten. Die Zustimmung des Bundesrats zum BRSG II steht noch aus.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit bei allen Fragestellungen rund um die betriebliche Altersversorgung zur Seite.

Zurück zur Übersicht

Moritz Coché

Moritz Coché

Junior PartnerRechtsanwalt

OpernTurm
Bockenheimer Landstraße 2-4
60306 Frankfurt am Main
T +49 69 707968 272
M +49 151 7037 8228

E-Mail

Jörn Kuhn

Jörn Kuhn

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 349
M +49 173 6499 049

E-Mail

LinkedIn