Arbeitsrecht06.10.2020 Newsletter

„Mobile Arbeit Gesetz“ – ein erster Überblick

Bereits im Koalitionsvertrag für die aktuelle Legislaturperiode ist festgehalten, dass die Mobile Arbeit gefördert und ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden soll. Ende April dieses Jahres kündigte der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erstmals einen Gesetzesentwurf für den Herbst an. Öffentlichkeitswirksam ist in einem Interview mit der Bild am Sonntag (BamS) vom 5. Oktober 2020 unter der Überschrift „Moderner und digitaler“ von Hubertus Heil dargestellt worden, dass ein Gesetzesentwurf „Mobile Arbeit Gesetz“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erstellt ist.

Der Gesetzesentwurf wirft eine Vielzahl von Fragestellungen auf, noch ehe dessen genauer Wortlaut bekannt ist. Ein zentraler Punkt:  Das noch vor einigen Jahren als „Vorreiter“ gepriesene niederländische Gesetz über Flexibilität am Arbeitsplatz (Wet flexibel werken vom 9. Juni 2015, Statsblad Nr. 245/2015 vom 25. Juni 2015) wird deutlich überholt. In den Niederlanden bleibt es dabei, dass es keinen Anspruch auf Home-Office gibt.

Auf Grundlage des Interviews und des nachlaufenden Presse-Echos lassen sich die bekannten Eckpunkte wie folgt darstellen:

Gesetzlicher Anspruch auf Mobile Arbeit

Vorgesehen ist ein gesetzlicher Anspruch auf mindestens 24 Tage pro Jahr Mobile Arbeit. Vorgesehen ist zudem, dass der Arbeitgeber in Anlehnung an die Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes aus betrieblichen Gründen Mobile Arbeit ablehnen kann.

Nun stellt sich die Frage, was Mobile Arbeit eigentlich ist. Zuletzt ist mit der am 20. August 2020 veröffentlichten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel jedenfalls festgehalten, dass das derzeit weitläufig praktizierte Home-Office eine Form der Mobilen Arbeit ist. Der Gesetzgeber muss also klarstellen, was er unter den Begriff „Mobile Arbeit“ fassen möchte. Zu klären wird auch sein, wie mit der stundenweisen Mobilen Arbeit umgegangen wird. So stellt sich die Frage, ob diese nach dem Gesetz auf Tage hochgerechnet werden soll.

Arbeitszeit

Der Gesetzesentwurf soll vorsehen, dass bei der Mobilen Arbeit eine digitale Arbeitszeiterfassung zu erfolgen hat; es bedarf einer digitalen Stechuhr. Vertrauensarbeitszeit im Home-Office wäre damit nicht mehr umsetzbar.

Im Nachgang zum Urteil des EuGH vom 14. Mai 2020 (CCOO ./. Deutsche Bank Spanien) war eine große Diskussion um die Arbeitszeiterfassung entbrannt. Aktuell trafen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 14. September 2020 diametrale Vorstellungen aufeinander. Während die einen meinen, dass Arbeitszeitgesetz bedarf keiner Anpassung, sehen andere diese als Folge der EuGH-Entscheidung als zwingend an.

Fakt ist, dass man bei einer gesetzlichen Verankerung der Mobilen Arbeit über die Vorgaben zur Ruhepausen und Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz sprechen muss. Bereits heute enthalten einzelne Tarifverträge eine Verkürzung der Ruhezeit von elf auf neun Stunden, wenn der Beschäftigte im Home-Office arbeitet.

Arbeitsschutz

Dass dem Arbeitsschutzrecht bei der gesetzlichen Normierung von Mobiler Arbeit eine besondere Bedeutung beigemessen wird, ist auf Basis der aktuellen Corona-bedingten Veröffentlichungen des BMAS, der Arbeitsschutzausschüsse beim BMAS und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) offensichtlich. Schließlich greift hieran die unmittelbare Frage, wie Mobile Arbeit, v. a. im Home-Office, unter dem Aspekt der Unfallversicherung zu sehen ist. Bislang war das Bundessozialgericht resolut und hatte zuletzt mit Urteil vom 30. Januar 2020 (B 2 U 19/18 R) aufgezeigt, dass Unfälle im Zusammenhang mit Home-Office dem Privatbereich zuzuordnen sind.

Mitbestimmung

Das Gesetzesvorhaben soll es Gewerkschaften, Betriebsräten und Personalräten ermöglichen, bei der Einführung und Ausgestaltung der Mobilen Arbeit mitzubestimmen. Es stellt sich dabei die Frage, ob dieses zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin bereits sehr weit gefassten Mitbestimmung im Hinblick auf Arbeitszeitregelungen führt. Bereits heute ist die Einführung jedwedes Remote Working Systems streng genommen mitbestimmungspflichtig, da Nutzerdaten erfasst werden und objektiv eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle möglich ist.

Fazit

Überraschend kommt der Gesetzesentwurf nicht, für Überraschung sorgen jedoch einzelne Inhalte. Eine Vielzahl von Fragen sind in der Presse durch Politik und Arbeitgeber- wie auch Arbeitnehmervertreter bereits aufgeworfen worden. Wird eine neue Art der Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten erfolgen? Wird das Gesetz durch die darin liegenden bürokratischen Hürden den Standort Deutschland schwächen? Muss man umgekehrt gesetzlich einen Anspruch auf einen betrieblichen Arbeitsplatz festhalten?

Mobile Arbeit ist grundsätzlich gut. Wenn man aber nun anfängt, gesetzgeberisch einzugreifen, dann darf nicht außer Acht gelassen werden, dass jedwede Mobile Arbeit außerhalb des Betriebes zeigt, dass es für die Arbeit keines Arbeitsplatzes in Deutschland bedarf. Die Arbeit ist dann schließlich mobil und kann von überall auf der Welt erbracht werden.

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Jörn Kuhn

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