Arbeitsrecht08.05.2020Köln / Frankfurt am Main Newsletter

Kurzarbeit vs. betriebsbedingte Kündigung – zwei arbeitsrechtliche Instrumente, die sich gegenseitig ausschließen?

Kurzarbeit ist das betriebliche Instrument der Stunde, um dem vorübergehenden Arbeitsausfall wegen der Covid-19-Pandemie zu begegnen. Was ist jedoch, wenn sich ein weitergehender Arbeitsrückgang abzeichnet, dem nicht länger nur mit Kurzarbeit begegnet werden kann? Schließt die Kurzarbeit den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen aus? Fällt ein gekündigter Arbeitnehmer automatisch aus der Kurzarbeitsregelung heraus? Und bestehen sogar Rückforderungs- oder Schadensersatzansprüche der Agentur für Arbeit?

1. Betriebsbedingte Kündigung während einer Kurzarbeitsphase

1.1. Bei der Einführung von Kurzarbeit geht der Arbeitgeber von einem lediglich vorübergehenden Arbeitsausfall aus. Vorübergehend soll einen Arbeitsausfall sein, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit wieder mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen ist. Für den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen hingegen bedarf es dringender betrieblicher Gründe, die zu einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen.

Anders als es den Anschein erweckt, stehen Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigung aber grundsätzlich in keinem Exklusivitätsverhältnis. Auch während einer Kurzarbeitsphase sind - vorbehaltlich betrieblicher oder tariflicher Regelungen - betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Dies ist durch die Rechtsprechung des BAG aus vergangenen Wirtschaftskrisen abgesichert.

1.2. Stellt der Arbeitgeber während der Kurzarbeitsphase also fest, dass entgegen seiner früheren Einschätzung (weitere) betriebliche Gründe vorliegen, die zu einem dauerhaften Arbeitsausfall führen, kann er auch während der Kurzarbeitsphase betriebsbedingte Kündigungen aussprechen (BAG, Urteil vom 26.6.1997 - 2 AZR 494/96). Da der Arbeitgeber jedoch aufgrund seiner ursprünglichen Prognose eines nur vorübergehenden Arbeitsausfalls für die Darlegung des Kündigungsgrundes an eine höhere Darlegungs- und Beweislast gebunden ist, bedarf es zur Rechtfertigung der Kündigungen anderer Gründe als diejenigen, die für die Durchführung von Kurzarbeit herangezogen wurden. Es wird daher nicht ausreichen, dass beispielsweise nur darauf verwiesen wird, dass Kontaktbeschränkungen wegen der Pandemie länger andauern als ursprünglich angenommen (z. B. statt 4 Wochen nun 6 Wochen). Anders sieht es aus, wenn es in der Kurzarbeitsphase wegen der Pandemie z. B. zu einer Insolvenz des Hauptkunden oder -lieferanten kommt: Dann kann dies einen triftigen Grund für die Legitimation der unternehmerischen Entscheidung zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen darstellen.   

1.3. Mit Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer kommt es zum Wegfall der Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld. Die Agentur für Arbeit wird ab diesem Zeitpunkt kein Kurzarbeitergeld für den Arbeitnehmer mehr entrichten. Nichtsdestotrotz verbleibt es ohne Beendigung der Kurzarbeit in der Regel bei der verkürzten Arbeitszeit für den gekündigten Arbeitnehmer. Arbeitgeber müssen sich daher mit der Folgefrage beschäftigen, wie mit gekündigten Arbeitnehmern während des Fortbestands der Kurzarbeitsphase bis zum Beendigungszeitpunkt umgegangen wird und insbesondere, in welcher Höhe gekündigte Arbeitnehmer zu vergüten sind.

1.4. Ebenso kann die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Kurzarbeit dazu führen, dass die Agentur für Arbeit zu der Auffassung gelangt, dass das Kurzarbeitergeld zu Unrecht beantragt wurde. In diesem Fall kann zu einer Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers hinsichtlich des gewährten Kurzarbeitergeldes gem. § 108 Abs. 3 S. 1 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X kommen. Der Schadensersatzanspruch der Agentur für Arbeit gegenüber dem Arbeitgeber erfasst insbesondere auch Fälle, in denen die Bewilligung des Kurzarbeitergeldes nachträglich rechtswidrig geworden ist. Arbeitgeber, die während des Bezugszeitraums von Kurzarbeitergeld den Entschluss fassen, den Betrieb stillzulegen und allen Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigen, sollten dies der Agentur für Arbeit unverzüglich mitteilen, um hier einer Schadensersatzpflicht zu entgehen.

1.5. Bei betrieblichen Veränderungen während der Kurzarbeit spielt auch die betriebsbedingte Änderungskündigung eine nicht unwesentliche Rolle. Hier wird zum Teil vertreten, dass auf Grund ihrer Natur bestehend aus der Kündigung des Arbeitsverhältnisses und des Angebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen die gleichen hohen Voraussetzungen wie an die oben skizzierte Beendigungskündigung gesetzt werden; dieses geht jedoch fehl. Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, in einer Phase der Kurzarbeit, Reorganisationen umzusetzen, um für die Wiederanlaufphase und danach der Marktsituation auch mit einer neuen Arbeitsorganisation zu begegnen.  

2. Betriebsbedingte Kündigung nach Ende einer Kurzarbeitsphase

Nach Ende einer Kurzarbeitsphase sind betriebsbedingte Kündigungen grundsätzlich zulässig – es sei denn, es bestehen abweichende tarifvertragliche oder betriebliche Vereinbarungen. Der Ausspruch entsprechender Kündigungen richtet sich in diesem Fall wieder nach den üblichen Grundsätzen.

Fazit

Auch in und nach Phasen von Kurzarbeit können Unternehmen Restrukturierungen und damit einhergehenden Personalabbau vornehmen. Um der erhöhten Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess gerecht zu werden und Risiken aus dem zuvor erfolgten Bezug von Kurzarbeitergeld auszuschließen, sind Arbeitgeber jedoch gut beraten, entsprechende Kündigungen wohlüberlegt zu planen.

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Alexandra Groth

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