Vermachen besser als vererben?

Jedes Jahr werden in Deutschland Vermögen im Gesamtwert von vielen Milliarden Euro auf die nächste Generation übertragen. Meistens geschieht dies auf dem Erbwege.

Bedeutung des Erben

„Erben“ bedeutet dabei nicht nur, dass der Erbe etwas aus dem Vermögen des Verstorbenen erhält. Der Erbe ist allein oder zusammen mit anderen Erben vielmehr der sog. Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Im Todesfall gehen alle nicht höchstpersönlichen Rechte und Pflichten des Erblassers automatisch auf den Erben bzw. die Gemeinschaft der Erben über – der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft tritt vollständig an die Stelle des Verstorbenen. Bei einer Erbengemeinschaft steht jedem Erben bis zur Auseinandersetzung eine quotale Beteiligung am gesamten Nachlass und kein Recht an einzelnen Nachlassgegenständen zu.

Es muss immer mindestens einen Erben geben. Da genauso etwaige Schulden und Verpflichtungen aus noch laufenden Verträgen übernommen werden, kann eine Erbschaft im Einzelfall mehr Nachteil als Vorteil sein. Nicht zuletzt deshalb hat der Erbe die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen.

Aber selbst bei fehlenden Schulden kann ein Erbfall zur Belastung werden, etwa, wenn es mehrere Erben gibt. Erben müssen sich zur gemeinsamen Verwaltung und Verteilung des Nachlasses abstimmen. Hierbei kommt es häufig zu Streitigkeiten. Ein Erblasser sollte daher stets prüfen, ob zur Absicherung einzelner Hinterbliebener ein Vermächtnis ausreichend ist.

Vorteile des Vermächtnisses im Unterschied zur Erbschaft

Anders als bei einem Erben gehen die Rechte und Pflichten des Erblassers nicht automatisch auf den Vermächtnisnehmer über. Er wird nicht quotal an der Erbengemeinschaft beteiligt und kann die Verteilung des Vermögens nicht beeinflussen oder blockieren. Stattdessen hat er einen einklagbaren Anspruch gegenüber Erben auf Einräumung des einzelnen vermachten Rechts, also z. B. auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme.

Inhalt eines Vermächtnisses kann aber nahezu jedes Recht sein, so dass es sehr flexibel ist. So kann der Erblasser bestimmen, dass der Erbe oder die Erben dem sog. Vermächtnisnehmer eine bestimmte Geldsumme zu zahlen oder bestimmte Sachen zu übergeben haben. Es ist auch denkbar, dass dem Vermächtnisnehmer ein Wohn- oder Nießbrauchsrecht gewährt wird oder er bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass ankaufen darf. Auch laufende (Renten-)Zahlungen zur Absicherung des Vermächtnisnehmers sind denkbar.

Ein Streit über die Verteilung des Vermögens kann verringert oder vermieden werden, wenn einzelne Personen von vornherein nicht zum Erben, sondern Vermächtnisnehmer bestimmt werden, d. h. aus der Erbengemeinschaft außen vor bleiben. Das hat den Vorteil, dass das Vermächtnis im Zweifel sofort fällig ist, während die Nachlassauseinandersetzung sich mitunter lange Zeit hinziehen kann. Zudem kann durch Vermächtnisse gesteuert werden, wer zum Beispiel das Familienunternehmen übernehmen und wer ausgezahlt werden soll. Ein Vermächtnis kann zudem mit einer Bedingung oder Befristung versehen werden oder als Vor- und Nachvermächtnis ausgestaltet sein.

Steuervorteile bei Vermächtnissen

In steuerlicher Hinsicht ist ein Vermächtnis nicht nachteilig - eher im Gegenteil. Ererbtes Vermögen kann Erbschaftsteuer auslösen, soweit bestimmte Freibeträge überschritten sind und Steuerbefreiungen für z. B. das Familienhaus (vgl. unseren Beitrag "Immobilie geerbt: Wann keine Erbschaftsteuer anfällt") nicht genutzt werden können. Das Gleiche gilt für den Vermächtnisnehmer. Durch gezielte Vermächtnisse kann die Zuwendungshöhe und damit Steuerbelastung bei jedem Begünstigten hierbei genau gesteuert werden. Um eine Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer zu vermeiden, kann der Erbe das Vermächtnis bei sich als Verbindlichkeit abziehen.

Für den Vermächtnisnehmer gelten die gleichen Steuerklassen und Freibeträge wie für Erben. Da der Erblasser die Geldsumme und/oder Sachen vermacht hat, gilt für die Bestimmung der Steuerklasse und die Freibeträge auch das Verwandtschaftsverhältnis des Vermächtnisnehmers zum Erblasser. Dies ist eine erstaunliche gesetzliche Fiktion, da der Vermächtnisnehmer nur einen Anspruch gegenüber dem oder den Erben auf die vermachte Geldsumme bzw. die Sachen hat und damit genaugenommen nichts vom Erblasser erwirbt. Hintergrund ist die beabsichtigte Gleichstellung von Erben und Vermächtnisnehmer(n).

Interessant ist, dass mit einem Vermächtnis nicht nur eigenes Vermögen verteilt werden kann. Vielmehr kann im Rahmen eines sog. Verschaffungsvermächtnisses dem oder den Erben aufgegeben werden, dem Vermächtnisnehmer einen Vermögensgegenstand, der sich nicht im Nachlass befindet, zu beschaffen und zu übertragen. Das können auch Gegenstände sein, die sich im Vermögen eines Erben befinden. An den Erben bereits geschenkte Vermögensgegenstände können so vom Erblasser neu verteilt werden. Denkbar ist aber auch, dass der Erbe z. B. das Elternhaus nur im Tausch dafür bekommt, dass er die von ihm selbst erworbene Wohnung an seinen Bruder oder seine Schwester abgibt. Ebenso sind Fälle denkbar, in denen sich der Vermögensgegenstand weder im Vermögen des Erblassers noch des/der Erben befindet und erst noch erworben werden muss. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Erbe durch die Annahme der Erbschaft ausreichend profitiert. Andernfalls besteht die Gefahr, dass er unter Geltendmachung seines Pflichtteils ausschlägt und so die gesamte Nachfolgegestaltung zerschlägt.

Aus erbschaftsteuerlicher Sicht ist das geschilderte Verschaffungsvermächtnis interessant, weil in solchen Fällen prinzipiell von einer Übertragung vom Erblasser auf den Vermächtnisnehmer ausgegangen wird.

Normalerweise unterläge etwa die Übertragung von eigenem, d. h. nicht geerbtem Vermögen des Erben an den Vermächtnisnehmer der ungünstigen Steuerklasse II oder sogar III. Es würden ebenso wenig die großzügigen Freibeträge für Übertragungen zwischen Eltern und Kindern gelten.

Mit dem Verschaffungsvermächtnis ist dagegen allein das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Vermächtnisnehmer maßgeblich. Vermachen die Eltern im Wege eines Verschaffungsvermächtnisses Vermögen, gilt damit Steuerklasse I und ein Freibetrag pro Kind und Elternteil von 400.000 Euro, sogar dann, wenn der vermachte Gegenstand ihnen gar nicht gehört. Handelt es sich bei dem Vermächtnis um eine Immobilie des Erben, fällt bei der Übertragung an den Vermächtnisnehmer keine Grunderwerbsteuer an.

Soweit im Einzelfall nicht von Gestaltungsmissbrauch ausgegangen werden muss, kann somit steuerbegünstigt Vermögen zwischen Erben und Vermächtnisnehmern übertragen werden.

Zurück zur Übersicht

Jan Mohrmann

Jan Mohrmann

PartnerRechtsanwaltSteuerberaterDiplom-Finanzwirt (FH)

Bockenheimer Landstraße 2-4
60306 Frankfurt am Main
T +49 (0) 69 707968 182
M +49 151 2910 1561

E-Mail

LinkedIn

David Falkowski

David Falkowski

Junior PartnerRechtsanwalt

Konrad-Adenauer-Ufer 23
50668 Köln
T +49 221 2091 497
M +49 174 6378 398

E-Mail

LinkedIn