Verbraucherschutz: Neuerungen im Kaufvertragsrecht und bei der Bereitstellung digitaler Produkte durch EU-Richtlinien

Die EU hat zwei Richtlinien zur Harmonisierung des digitalen europäischen Binnenmarktes und zur Gewährleistung eines möglichst hohen Verbraucherschutzes verabschiedet. Dies werden insbesondere das Kaufvertragsrecht in Deutschland spürbar ändern: zum einen die sog. „Warenkaufrichtlinie“ ((EU) 2019/771 – Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs), zum anderen die „Digitale-Inhalte-Richtlinie“ ((EU) 2019/770 – Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen).

Die Bundesregierung hat nun am 13. Januar 2021 und am 10. Februar 2021 ihre Gesetzesentwürfe zur Umsetzung der beiden Richtlinien beschlossen. Die (voraussichtlichen) wesentlichen Neuerungen und den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf für Unternehmer finden Sie nachfolgend.

Wesentlicher Handlungsbedarf aufgrund der „Warenkaufrichtlinie“

Die „Warenkaufrichtlinie“ ((EU) 2019/771) wird das deutsche Kaufrecht erheblich verändern. Sie ist bis zum 1. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen und auf Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden, anzuwenden. Ihre Relevanz für alle ab diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge ist immens.

Der Regierungsentwurf sieht folgende wesentlichen Neuerungen vor:

  • Die Vermutung, dass ein Mangel der Kaufsache bereits beim Kauf vorlag, wird für alle Verbrauchsgüterkaufverträge von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert.
  • Unternehmer können sich gegenüber Verbrauchern künftig nicht mehr auf einen Haftungsausschluss nach § 442 BGB wegen Kenntnis des Mangels berufen. Stattdessen sind strenge Informations- und Formvorschriften zu wahren.
  • Für bestimmte Sachen mit digitalen Elementen besteht eine Verpflichtung zur Aktualisierung (Updateverpflichtung). Dies hat zur Folge, dass die Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit auch nach Übergabe der Kaufsache zu gewährleisten sind.
  • Für Sachen, für die eine dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente vereinbart ist, werden spezielle Regelungen eingeführt. So muss der Verkäufer etwa dafür Sorge tragen, dass die in der Sache enthaltenen digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums mangelfrei sind und bleiben.

Der Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag übermittelt.

Handlungsempfehlung: Nach aktuellem Stand sollten Unternehmer ihre AGB prüfen bzw. anpassen. Nachteilige Abweichungen von der Richtlinie gegenüber Verbrauchern sind unzulässig und werden einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Unternehmer sollten (aller Voraussicht nach) den Umfang ihrer kaufvertraglichen Pflichten insbesondere auf die Informations- und Lieferpflichten von (Sicherheits-) Aktualisierungen definieren.

Wesentlicher Handlungsbedarf aufgrund der „Digitale-Inhalte-Richtlinie“

Der aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der „Digitale-Inhalte-Richtlinie“ wirkt sich auf bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen aus.  Für Unternehmer ist u. a. durch die Änderungen im Gewährleistungsrecht und bei der Verjährung sowie durch die Verlängerung der Dauer der Beweislastumkehr mit einer erhöhten Anzahl an Gewährleistungsfällen zu rechnen.

Diese Richtlinie betrifft die Bereitstellung digitaler Produkte, wie Musik- und Audiodateien, E-Books, Apps und Spiele, gleich ob auf einem körperlichen Datenträger oder in einer digitalen Umgebung, sowie soziale Netzwerke und Cloud-Anwendungen. Dabei greift die Richtlinie nicht nur für Verträge, nach denen der Verbraucher eine monetäre Gegenleistung erbringt, sondern auch wenn der Verbraucher nur personenbezogene Daten zur Verfügung stellt (sog. „Bezahlen mit Daten“).

Der Regierungsentwurf sieht die folgenden wesentlichen Neuerungen, die voraussichtlich ab dem 1. Januar 2022 gelten werden, vor:

  • Der Unternehmer muss seine digitalen Inhalte/Dienstleistungen dem Verbraucher vertragsgemäß bereitstellen. Eine wesentliche Änderung durch die Richtlinie ist aber die Verlängerung der Beweislastumkehr bei Auftreten einer Vertragswidrigkeit. Künftig trägt der Unternehmer die Beweislast für die Vertragsgemäßheit im 1. Jahr nach der Bereitstellung.
  • Es wird vermutet, dass das digitale Produkt auch während der gesamten vorherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft war, wenn während des Bereitstellungszeitraums ein Produktmangel auftritt.
  • Die Mängelgewährleistungsrechte von Verbrauchern verjähren grundsätzlich vergleichbar zum Kaufrecht in zwei Jahren. Besonderheiten ergeben sich allerdings beim Beginn der Verjährung. Bei der dauerhaften Bereitstellung von digitalen Produkten beginnt die Verjährung erst mit dem Ende des Bereitstellungszeitraums; bei der Verletzung von Aktualisierungspflichten erst mit Ablauf des Zeitraums, für den die Aktualisierungspflicht besteht. Außerdem ist neu, dass die Verjährung nicht vor Ablauf von zwei Monaten eintritt, nachdem sich ein Mangel erstmals gezeigt hat.
  • Außerdem erhalten Verbraucher umfangreiche Gewährleistungsrechte, unabhängig davon, um welche Vertragsart es sich handelt. Das Gewährleistungsrecht für Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen wird daher vereinheitlicht, gleich ob es sich um einen Kauf-, Werk-, Mietvertrag oder ähnliches handelt. So können Verbraucher bei Nicht- und bei Schlechterfüllung unter bestimmten Voraussetzungen Nacherfüllung verlangen, den Vertrag beenden oder den Preis mindern.
  • Verbraucher haben einen Anspruch auf Updates und Aktualisierungen (vgl. oben).

Handlungsempfehlung: Um auf die Umsetzung der „Digitale-Inhalte-Richtlinie“ (EU 2019/770) und die gesetzlichen Änderungen im BGB vorbereitet zu sein, sollten Unternehmer rechtzeitig prüfen, auf welche ihrer Verträge die neuen Rechtsvorschriften anwendbar sind und ggf. ihre AGB anpassen. Ferner bietet es sich an, bestehende Inhouse-Vorgänge bei der Abwicklung von Mängelgewährleistungsrechten zu optimieren, damit vor allem die Frist zur Nacherfüllung eingehalten werden kann. Hierzu beraten wir Sie gerne!

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Dr. Anna-Gesine Lock

Dr. Anna-Gesine Lock

Junior PartnerinRechtsanwältin

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