Strenger Rahmen für die Lieferkettencompliance in Europa – das „EU-Lieferkettengesetz“ kommt!

Der europäische Rechtsrahmen für Sorgfaltspflichten in Lieferketten steht. Die EU-Mitgliedsstaaten und die Verhandlungsführer des EU Parlaments haben sich über Eckpunkte für eine Richtlinie zur Lieferkettencompliance (Corporate Sustainability Due Dilligence Directive/ kurz CSDDD oder CS3D) geeinigt, die noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments und der Mitgliedsstaaten stand.

Die neue Richtlinie, deren finaler Wortlaut noch nicht veröffentlicht wurde, sieht umfassende Sorgfaltspflichten vor und wird das Thema Lieferkettencompliance in Europa auf ein neues Level heben. Von den in der EU tätigen Unternehmen, welche die vergleichsweise niedrigen Schwellenwerte erfüllen, wird künftig ein erheblich größerer Beitrag zur Nachhaltigkeit verlangt. Damit ist auch absehbar, dass die Tage nationaler Regelungen wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in seiner jetzigen Form gezählt sind.

1. Eckpunkte

Das EU-Lieferkettengesetz geht deutlich über das derzeit in Deutschland geltende LkSG hinaus und legt den betroffenen Unternehmen weitreichende Sorgfaltspflichten auf. Künftig müssen Unternehmen über ihre gesamte Lieferkette hinweg Risiken vorbeugen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltstandards zu verhindern oder jedenfalls zu minimieren. Die „gesamte Lieferkette“ umfasst in diesem Zusammenhang sowohl den eigenen Geschäftsbereich als auch die Wertschöpfungskette, beginnend bei der Entwicklung, über die Produktion und den Vertrieb bis hin zum Recycling des Produkts. Die Sorgfaltspflichten sind dabei nicht nur auf die Zulieferer beschränkt, mit denen vertragliche Beziehungen bestehen, sondern umfassen auch mittelbare Zulieferer, d.h. Lieferanten der Zulieferer, wenn es sich hierbei um etablierte Geschäftsbeziehungen handelt. Zusätzlich zu den bereits nach dem LkSG geschützten Menschen- und Umweltrechten kommen thematisch zusätzliche Umweltrechte hinzu, insbesondere der Schutz vor Entwaldung, übermäßigem Wasserverbrauch oder die Zerstörung von Ökosystemen.

Neben der thematischen Verankerung in Compliance-Management-Systemen haben größere Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern künftig einen Plan zu erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. Unternehmensintern sind zudem finanzielle Anreize für die Geschäftsführung auszuhandeln, welche die Zieleinreichung incentivieren.

2. Gesetz gilt für größere Unternehmen und Unternehmen aus Risikosektoren

Künftig werden sich erheblich mehr Unternehmen mit dem Thema Lieferkettencompliance auseinandersetzen müssen, da die Schwellenwerte der Neuregelung erheblich niedriger sind, als dies bislang zum Teil in den bereits existierenden Gesetzen in den EU-Ländern vorgesehen ist. Zum Vergleich: Das in Deutschland geltende LkSG findet derzeit erst Anwendung, wenn das betreffende Unternehmen in Deutschland mehr als 3.000 bzw. künftig 1.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Die Richtlinie sieht zusätzlich für Sektoren mit besonderem „Schadenspotential“ einen strengeren Anwendungsbereich vor. Darüber hinaus fallen auch Nicht-EU-Unternehmen in den Anwendungsbereich, wenn sie über signifikante Aktivitäten in der EU verfügen. Die Schwellenwerte für Nicht-EU-Unternehmen finden drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung Anwendung. Die EU-Kommission wird dann eine Liste mit Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen, die in den Anwendungsbereich fallen. Für den Finanzsektor wird es außerdem partiell Ausnahmen von der Anwendung geben.

Im Einzelnen sieht die Richtlinie den nachfolgend skizzierten mehrstufigen Anwendungsbereich vor:

Allgemein

Unternehmen aus Risikosektoren

(Textilien, Landwirtschaft, Lebensmittel, Bergbau)

EU-Unternehmen (Gruppe 1)

  • 500+ Mitarbeiter
  • > EUR 150 Mio. Umsatz weltweit

EU-Unternehmen (Gruppe 2)

  • 250+ Mitarbeiter
  • EUR 40 Mio. Umsatz weltweit, davon mind. EUR 20 Mio. in einem Risikosektor

Nicht-EU-Unternehmen (Gruppe 3)

  • > EUR 150 Mio. in der EU

Nicht-EU-Unternehmen (Gruppe 4)

  • Mind. EUR 40 Mio. in der EU, davon mind. EUR 20 Mio. in einem Risikosektor

Unternehmen unterhalb der Schwellen werden unmittelbar zunächst nicht betroffen sein. Allerdings werden sie in ihrer Funktion als Vertragspartner, Unterlieferant, Vertriebsmittler oder beispielsweise Entsorger mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls mit dem Gesetz in Berührung kommen.

3. Massive Strafen und Überwachung

Die Umsetzung der auf der Grundlage der EU-Richtlinie angepassten oder neu geschaffen nationalen Gesetze soll ebenfalls durch nationale Behörden erfolgen. Für Deutschland dürfte das bedeuten, dass weiterhin das BAFA für die Überwachung und Durchsetzung zuständig sein wird. Neben der Befugnis zu Durchsuchungen stechen vor allem der hohe Bußgeldrahmen von bis zu 5% des weltweiten Unternehmensumsatzes und die Möglichkeit des „Naming and Shaming“, also eine öffentliche Bekanntgabe sanktionierter Unternehmen, ins Auge. Schließlich soll die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bei Vergabeverfahren berücksichtigt werden.

4. Zivilrechtliche Haftung

Eine erhebliche Verschärfung bringt die zivilrechtliche Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen. Verstoßen betroffene Unternehmen gegen die neuen Regelungen, so können sie hierfür künftig in die Verantwortung genommen werden. Ihnen drohen dann insbesondere Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen. Nach dem deutschen LkSG war dies bisher ausgeschlossen.

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Dr. Simon Spangler<br/>LL.M. (UCT)

Dr. Simon Spangler
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