Digital Business21.09.2023 Newsletter

Kündigungsschutz für E-Sportlerinnen und E-Sportler?

Professionelle E-Sportlerinnen und E-Sportler sind meistens Arbeitnehmer – doch welcher Schutz gilt für sie? Gibt es auch im E-Sport Formen von ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen? Welche Spielregeln gelten hier?

In unserem vierten und letzten Beitrag der Gaming- und E-Sport – Serie beleuchtet Dr. Alexander Willemsen Besonderheiten bei Kündigungen im Bereich E-Sport.

1. E-Sport: Arbeit oder Freizeitgestaltung?

E-Sport kann grundsätzlich (nach Maßgabe der Rechtsprechung bezüglich physischen Sports) dann als Arbeit und nicht als bloße Freizeitgestaltung angesehen werden, wenn der Sportler mit der Ausnutzung seiner Fähigkeiten in erster Linie ein wirtschaftliches Interesse verfolgt, wie etwa die Bestreitung seines Lebensunterhalts, und dabei gleichzeitig ein wirtschaftliches Interesse seines Vertragspartners – des Arbeitgebers – befriedigt. Eine sportliche Betätigung ist nach dem BAG hingegen keine Arbeit im Rechtssinn, wenn diese als spielerische Tätigkeit bzw. zum Selbstzweck erfolgt.

Bei Profi-Gamern im Wettbewerbssektor ist zwar in aller Regel von einem beidseitigen wirtschaftlichen Interesse und damit von Arbeit im Rechtssinn auszugehen; E-Sportler sind allerdings häufig der Meinung, sie seien Freelancer, also freie Mitarbeiter und somit keine Arbeitnehmer iSv § 611a Abs. 1 S. 1 BGB.

Tatsächlich ist dies aber meist nicht der Fall. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verrichtet. Dies beurteilt sich maßgeblich nach den tatsächlichen Verhältnissen, nicht nach der getroffenen Vereinbarung.

Ob eine weisungsgebundene fremdbestimmte Arbeit und damit die Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Jedenfalls bei Profi-Gamern, bei denen eine umfangreiche Weisung in Form von strengen Trainingsplänen und nicht spielbezogenen Tätigkeiten wie Sponsorenveranstaltungen vorliegt, kann von einer weisungsgebundenen fremdbestimmten Arbeit ausgegangen werden und eben nicht von einer Freelancer-Tätigkeit.

2. Arbeitsrechtsschutz

Die Einordnung als Arbeitnehmer eröffnet Profi-Gamern ein breites Spektrum an Schutz. Unter anderem findet das Kündigungsschutzrecht Anwendung. Zwar gibt es noch keine arbeitsrechtliche Rechtsprechung spezifisch zu den Besonderheiten bei E-Sportlerinnen und E-Sportler, es ist aber davon auszugehen, dass die wesentlichen Grundsätze zum „analogen“ Profisport auf E-Sport übertragen werden können. Danach gelten gewisse Einschränkungen, wenn der Vertrag von E-Sportlerinnen und E-Sportler beendet werden soll.

2.1 Außerordentliche Kündigung

Die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt bestehen. Allerdings kann ein wichtiger Grund nicht bereits im Leistungsabfall oder einer nicht zufriedenstellenden Leistung beim Wettkampf gesehen werden, da bei einem Arbeitsvertrag kein Erfolg geschuldet wird. Der Gefahr eines Leistungsabfalls wird bereits durch die Anerkennung der Möglichkeit einer Befristung des Arbeitsvertrags mit E-Sportlerinnen und E-Sportler hinreichend Rechnung getragen.

Ein wichtiger Grund können hingegen claninterne Beleidigungen oder tätliche Ausschreitungen sein. Auch vereinsschädigendes Verhalten, Doping und Cheaten kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Nehmen oder gewähren E-Sportlerinnen und E-Sportler Bestechungsgelder, so dürfte in der Regel ebenfalls von einem wichtigen Grund auszugehen sein, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

2.2 Ordentliche Kündigung

Für den Fall, dass kein befristeter Vertrag geschlossen wurde kommt eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Zu beachten ist, dass eine einseitige Kündigungsklausel zugunsten des Clans / des Teams unwirksam ist; das Kündigungsrecht muss immer beiden Seiten gleichermaßen eröffnet sein. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber, also den Clan/das Team muss unter den Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 1,13 23 Abs. 1 S. 2, 3 KSchG sozial gerechtfertigt sein (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG).

2.2.1 Personenbedingte Kündigung

Eine personenbedingte Kündigung kann in Betracht kommen, wenn E-Sportlerinnen und E-Sportler aufgrund von dauerhafter Verletzung oder psychischer oder physischer Krankheit nicht mehr einsetzbar sind. Nicht ausreichend ist es, wenn E-Sportlerinnen und E-Sportler „dauerhaft erfolglos“ oder „ungeeignet“ sind.

Eine Kündigung wegen Leistungsdefiziten ist nur dann möglich, wenn E-Sportlerinnen und E-Sportler erhebliche Mängel aufweisen, wenn sie also ihre subjektive Leistungsfähigkeit voll ausschöpfen, aber dennoch längere Zeit in erheblicher Weise hinter der (berechtigten) Leistungserwartung des Clans / des Teams zurückbleiben und auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts zu rechnen ist. Die Anforderungen hieran sind hoch, das bloße Unterschreiten der Durchschnittsleistung von Gaming-Kolleginnen und Kollegen genügt nicht.

In der Praxis wird es wohl, insbesondere angesichts der Dynamik von Mehrpersonenspielen, erhebliche Schwierigkeiten bereiten, festzustellen, ob eine solch gravierende Schlechtleistung vorliegt, dass eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt erscheint.

2.2.2 Verhaltensbedingte Kündigung

Verhaltensbedingt kann E-Sportlerinnen und E-Sportler ggf. gekündigt werden, wenn sie ihre vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten verletzen. Da es sich im Gegensatz zur personenbedingten Kündigung um ein steuerbares Verhalten handelt, muss in der Regel eine vorherige Abmahnung erfolgen.

Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung können sein: Arbeitsverweigerung oder die Missachtung berechtigter Anweisungen, Beleidigungen, sexuelle Belästigung und Handgreiflichkeiten oder rassistische und homophobe Äußerungen gegenüber Mitspielern.

Schwere Dopingverstöße rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung und bedürfen keiner vorherigen Abmahnung (s. o.). Bei fahrlässigen Verstößen ist eine Abmahnung hingegen erforderlich. Auch die Weigerung, an einer Dopingprobe teil zu nehmen, kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Ausgeschlossen ist eine solche Kündigung wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens, wenn der Clan / das Team Doping geduldet, gefördert oder sogar gefordert hat.

Fehler im Wettkampf berechtigen wohl angesichts der Schnelligkeit der Wettkämpfe sowie angesichts des Ermessenspielraum, der E-Sportlerinnen und E-Sportler im Spiel zukommt, normalerweise nicht zu einer wirksamen verhaltensbedingten Kündigung.

2.2.3 Betriebsbedingte Kündigung

Eine betriebsbedingte Kündigung wäre ebenfalls denkbar, dürfte im E-Sport allerdings höchst selten sein. Für den Fall, dass tatsächlich beispielsweise beschlossen wird, weniger Spieler im Rahmen eines Wettkampfes antreten zu lassen oder sich auf andere Spiele als bisher zu konzentrieren, käme diese Art der Kündigung ausnahmsweise in Betracht. Dann stellen sich jedoch eine Vielzahl von Problemen; beispielsweise muss ggf. im Rahmen einer möglichen Sozialauswahl berücksichtigt werden, auf welcher Position die jeweiligen Spieler spielen und inwieweit sie miteinander vergleichbar sind.

3. Fazit

Professionelle E-Sportler sind in der Regel Arbeitnehmer und unterliegen damit dem Kündigungsschutz. Zwar sind im E-Sport vielfältige Szenarien denkbar, in denen eine ordentliche oder gar außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann. In der Praxis stellt die Leistungsfähigkeit von E-Sportlerinnen und E-Sportler jedoch den relevantesten Faktor dar, weshalb man – wie im „analogen“ Leistungssport häufig auch – auf befristete Arbeitsverhältnisse ausweicht und so die Probleme einer möglicherweise nicht gerechtfertigten Kündigung wegen Leistungsmängeln umgeht.

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Dr. Alexander Willemsen

Dr. Alexander Willemsen

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

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