Handel und Konsumgüter30.11.2021 Newsletter

Keine guten Aussichten für (Online-) Händler: Verschärfung des Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrechts

Die EU hat sich den Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben. Es bahnt sich eine fundamentale Veränderung auch im deutschen (Online-) Handel an. Sie hält für Unternehmen wenig Erfreuliches bereit. Zur Umsetzung der sogenannten „Omnibus-Richtlinie“ (EU/2019/2161) hat der Bundestag am 10. August 2021 zwei Gesetze zur Stärkung des Verbraucherschutzes beschlossen (BGBl. Teil 1 Nr. 53).

Das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche führt u. a. weitreichende Informationspflichten für die Betreiber von Online-Marktplätzen gegenüber Verbrauchern ein und einen für sämtliche Online-Händler geltenden völlig neuen Verbotstatbestand in Art. 246e EGBGB. Danach ist die „Verletzung von Verbraucherinteressen“ nunmehr eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit. Der Katalog der bußgeldbewehrten Handlungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern enthält u. a. neben der Verletzung von Informationspflichten insbesondere in Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 2 a) EGBGB die Verwendung einer nach § 309 BGB unwirksamen Klausel in Verbraucher-AGB.

Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht sieht wesentliche Neuerungen im Wettbewerbsrecht vor: die Einführung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen und Bußgeldern als auch die Möglichkeit für Verbraucher, bei bestimmten Rechtsverstößen des Unternehmers einen individuellen Schadenersatzanspruch geltend zu machen. Beides ein absolutes Novum im deutschen Wettbewerbsrecht!

Bußgelder: neu im deutschen Wettbewerbsrecht und Verbraucherrecht

Bislang setzt das deutsche Rechtssystem auf eine Selbstregulierung des Marktes. Verstöße gegen das UWG, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, und damit u. a. die Verwendung von unwirksamen AGB-Klauseln, werden bislang allein mittels Abmahnungen durch Mitbewerber und Wettbewerbsverbände sanktioniert – anders als in vielen anderen EU-Staaten.

Zukünftig sollen bestimmte Verstöße gegen UWG-Vorschriften eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die von Wettbewerbsbehörden geahndet werden können, und die teils heftige Bußgelder nach sich ziehen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Verstoß unter den neuen Katalog der unlauteren Handlungen fällt (§ 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 1-31 des Anhangs) oder eine bestimmte aggressive oder irreführende geschäftliche Handlung darstellt. Gleiches gilt zukünftig, wenn beispielsweise nach § 309 BGB unwirksamen AGB-Klauseln verwendet oder Informationspflichten gegenüber Verbrauchern verletzt werden.

Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um weitverbreitete Verstöße oder weitverbreitete Verstöße mit Unions-Dimension handelt. Dabei soll die Geldbuße maximal EUR 50.000 betragen. Es kann eine höhere Geldbuße verhängt werden, wenn ein Unternehmer im vorausgegangenen Geschäftsjahr mehr als 1,25 Mio. Euro Jahresumsatz erzielt hat. Die Geldbuße darf 4 Prozent des Jahresumsatzes allerdings nicht übersteigen. Die Höhe des Jahresumsatzes kann geschätzt werden. Liegen keine Anhaltspunkte für eine Schätzung vor, so beträgt das Höchstmaß der Geldbuße 2 Mio. Euro.

Hervorzuheben ist, dass die Neuregelung das altbekannte System nicht ablöst, sondern sie vielmehr parallel hierzu bestehen wird. Mitbewerber und Wettbewerbsverbände dürfen weiterhin aktiv sein. Es kann daher passieren, dass ein Unternehmen für ein und denselben Verstoß abgemahnt und gleichzeitig mit einem Bußgeld belegt wird. 

Schadenersatzanspruch für Verbraucher im Wettbewerbsrecht

Eine weitere wesentliche Neuerung sieht das Gesetz zur Reform des Wettbewerbsrechts in Form eines möglichen Schadenersatzanspruchs für Verbraucher vor. Dies ist der Fall, wenn der Verbraucher durch eine gemäß § 3 UWG unlautere geschäftliche Handlung geschädigt worden ist. Einen solchen Individualrechtsbehelf kennt das Wettbewerbsrecht bislang nicht. Der Gesetzgeber sieht hierin einen „weitere[n] ökonomischen Anreiz zur Einhaltung der bestehenden wettbewerbsrechtlichen Regelungen“ und kommt darüber hinaus den Vorgaben aus der von ihm umzusetzenden Richtlinie EU/2019/2161 nach.

Durch die Gesetzesreform werden die Verbraucher also selbst aktivlegitimiert und können direkt gegen ein wettbewerbswidrig handelndes Unternehmen vorgehen. Dies gilt allerdings nur bei bestimmten, in der Regel aggressiven geschäftlichen Handlungen und Irreführungstatbeständen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein aktives Tun oder ein Unterlassen des Unternehmens handelt. Begeht ein Händler also zukünftig mindestens fahrlässig eine gemäß § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung, und veranlasst dies einen Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung, die er andernfalls nicht vorgenommen hätte, steht dem Verbraucher gegen den Händler ein Anspruch auf Ersatz des ihm daraus entstandenen Schadens zu. Der Verbraucher ist in der Konsequenz so zu stellen, als wäre die unzulässige geschäftliche Handlung nicht erfolgt und der Verbraucher infolgedessen nicht zu der für ihn nachteiligen geschäftlichen Handlung – in der Regel die Kaufentscheidung – veranlasst worden.

Entwicklungen wie im Datenschutzrecht?

Es werden bereits Befürchtungen laut, dass im Wettbewerbsrecht und damit auch im AGB-Recht (§ 309 BGB) als auch im Verbraucherrecht generell ähnliche Entwicklungen drohen wie im Datenschutzrecht: Zukünftig könnten einzelne Personen massenhaft verschiedene Unternehmen und Seitenbetreiber mit Auskunftsersuchen überziehen. Seit Inkrafttreten der DSGVO sind gehäuft anwaltliche Abmahnungen zu beobachten. Meist geht es um potenzielle datenschutzrechtliche Verstöße, z. B. bei Formularen ohne SSL-Verschlüsselung, E-Mail-Adressen, die ohne Einwilligung weitergegeben wurden oder das Nichterfüllen von Auskunftsansprüchen innerhalb der Monatsfrist. Nicht selten entsteht dabei der Eindruck, dass es Betroffenen weniger um ein datenschutzkonformes Verhalten der Unternehmen als vielmehr um die Kapitalisierung auch möglicherweise nur geringfügiger Verstöße geht.

Diese Befürchtungen sind in Hinblick auf die geplanten Neuerungen im Wettbewerbsrecht und im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) in der Tat nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dagegen spricht, dass nur besonders aggressive unlautere geschäftliche Handlungen einen Schadenersatzanspruch auslösen können. Die Schwelle bei Datenschutzverstößen ist hingegen wesentlich unschärfer und wohl auch niedriger. Riskanter dürften deshalb Verletzungen gegen beispielsweise die Informationspflichten des EGBGB und die Verwendung von AGB sein, die gegen § 309 BGB verstoßen.

Auch normiert die DSGVO in Artikel 15 einen expliziten Auskunftsanspruch, das UWG und auch das EGBGB jedoch nicht. Um einen Auskunftsanspruch geltend zu machen, ist im Bereich des UWG bzw. EGBGB auf den allgemeinen Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zurückzugreifen, was sich nicht sofort aufdrängt und auch schwieriger zu begründen ist.

Nichtsdestotrotz sollten Händler die geänderte Rechtslage ab Mai 2022 nicht unterschätzen. Sie werden sich zukünftig neben Inanspruchnahmen durch Mitbewerber und Abmahnverbände noch weiteren Ansprüchen durch neue Interessengruppen ausgesetzt sehen. Wenn insbesondere Online-Händler heute bereits strenge rechtliche Vorgaben empfinden, wird dieser Eindruck zunehmen, wenn zusätzlich Wettbewerbsbehörden und Verbraucher auf den Plan treten. Gerade durch das Hinzutreten von Behörden bei der Sanktionierung von Wettbewerbsverstößen dürfte der Verfolgungsdruck bei Verstößen gegen das UWG und Verbraucherrecht künftig spürbar zunehmen.

Dies unterstreicht einmal mehr, wie wichtig eine kontinuierliche Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage bei der Gestaltung des eigenen Internetauftritts sowie der verwendeten AGB ist. Nur so kann man sich als Online-Händler vor dem Risiko von Angriffen durch Mitbewerber, Abmahnverbände, Wettbewerbsbehörden und Verbraucher schützen.

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Dr. Hanna Schmidt

Dr. Hanna Schmidt

Junior PartnerinRechtsanwältin

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