EuGH: Öffentlicher Zugang zum Transparenzregister ist europarechtswidrig

Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 22. November 2022 entschieden, dass die Bestimmung in der jüngsten 5. EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie 2018/843), die jedem Mitglied der Öffentlichkeit Zugang zu Informationen von wirtschaftlich Berechtigten ermöglicht,ungültig ist.

 

Zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind die Transparenzanforderungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Vor der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie war es Mitgliedern der Öffentlichkeit nur möglich das Transparenzregister einzusehen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wurde. Seit dem 1. Januar 2020 hingegen kann es von jedem uneingeschränkt eingesehen werden (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Geldwäschegesetz). Zu dieser und weiteren Verschärfungen durch die 5. EU-Geldwäscherichtlinie haben wir in diesem Newsletter berichtet.

Kritisiert wird der freie Zugriff auf das Register wegen der dort hinterlegten personenbezogene Daten seit seiner Einführung in der Kritik. Die Öffentlichkeit kann Vor- und Nachname, Geburtsjahr- und -monat, Wohnsitzland, Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses sowie sämtliche Staatsangehörigkeiten der wirtschaftlich Berechtigten einsehen, also derjenigen natürlichen Personen, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle eine Gesellschaft steht.

Die öffentliche Verfügbarkeit dieser Daten ermöglichte es bislang einer potenziell unbegrenzten Anzahl von Personen, persönliche Informationen über den wirtschaftlich Berechtigten zu erlangen. Gerade im Zusammenspiel mit anderen öffentlich verfügbaren Informationen, etwa aus Handelsregistern, erhöhte sich insbesondere für Personen des öffentlichen Lebens, Unternehmer sowie vermögende Einzelpersonen und Familien die Gefahr, das Ziel von Straftaten wie Erpressungen oder Entführungen zu werden oder unliebsamer Presseberichterstattung ausgesetzt zu sein. Wer seine persönlichen Daten schützen wollte, musste bislang einen Antrag auf Beschränkung der Einsichtnahme in das Transparenzregister stellen. Dem wird in der Praxis allerdings nur unter hohen Voraussetzungen und Zurückhaltung der Registerbehörde nachgekommen.

Der Europäische Gerichtshof entschied jetzt mit Urteil vom 22. November 2022, dass der freie Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union darstellt. Dem zugrunde lag eine Vorlage durch ein Luxemburger Gericht, das über die Luxemburg Business Registers zu befinden hatte. Nach Ansicht des Gerichtshofs können die Eingriffe nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Erhöhung der Transparenz ein legitimer Grund des Allgemeinwohls ist. Die Transparenzregisteröffentlichkeit stehe vielmehr außer Verhältnis zu dieser Zielsetzung.

Die Entscheidung hat weitreichende Folgen: Die entsprechenden Regelungen der 5. EU-Geldwäscherichtlinie verstoßen gegen die EU-Grundrechte und wurden für ungültig erklärt. Damit wirkt die Entscheidung über die konkret entschiedenen Verfahren hinaus und entfaltet sowohl auf EU, als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten Bindungswirkung. Auf nationaler Ebene müssen Gerichte und Verwaltungsbehörden das Urteil nun umsetzen. Nationale Vorschriften, die die europarechtswidrige Richtlinie umgesetzt haben, werden nicht angewendet. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage, die eine Einsichtnahme der Öffentlichkeit an ein berechtigtes Interesse knüpft, erscheint wahrscheinlich. Wie der deutsche Gesetzgeber das Urteil genau umsetzen wird, bleibt hingegen abzuwarten.

Mehrere europäische Registerbehörden haben ihre Transparenzregister für öffentliche Abfragen in Reaktion auf die Entscheidung ausgesetzt, darunter Luxemburg, die Niederlande, Irland, Malta und Österreich.

Auch das deutsche Transparenzregister kommt Anträgen der Öffentlichkeit auf Erteilung von Auszügen seit dem Tag der Entscheidung nicht mehr nach und erklärt, dass zeitnah weitere Information über die genauen Auswirkungen der EuGH-Entscheidung veröffentlicht werden sollen.

Das Urteil des EuGHs ist zu begrüßen. Es stellt klar, dass die Transparenzregisteröffentlichkeit keinesfalls Selbstzweck ist, sondern – auch soweit vermögendere Personen betroffen sind – immer den Grundrechten der Betroffenen sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen muss. Die Entscheidung bremst damit die in den vergangenen Jahren festzustellende Tendenz zu immer mehr Transparenz nun empfindlich aus. Allerdings betrifft die Entscheidung nur den Bereich der Einsichtnahme in das Transparenzregister durch die Öffentlichkeit und auch nur insoweit diese grundlos gewährt wurde. An dem Einsichtnahmerecht durch staatliche Stellen oder den geldwäscherechtlich zur Einsichtnahme Verpflichteten (z .B. Banken, Steuerberater oder Rechtsanwälte) ändert sich nichts. Auch die Einsichtnahme durch Mitglieder der Öffentlichkeit mit berechtigtem Interesse – etwa Mitglieder von NGOs oder Pressevertreter – dürfte weiterhin zulässig sein.

Gefährdete Personen und Familien sind nach wie vor gut beraten, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre öffentlich einsehbaren Daten auf das rechtlich absolut zwingende Mindestmaß zu reduzieren. Hierbei helfen wir Ihnen gerne im Rahmen des Oppenhoff Family Risk and Privacy Managements.

 

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Dr. Axel Wenzel<br/>LL.M. (Norwich)

Dr. Axel Wenzel
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