BFH: Keine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht bei Erwerb eines inländischen Grundstücks durch Vermächtnis

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 23.11.2022 entschieden, dass in Deutschland belegene Immobilien durch ein ausländisches Vermächtnis steuerfrei übertragen werden können, wenn weder Erblasser noch Bedachter ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Im Fall deutscher Staatsangehöriger ist zusätzliche Voraussetzung, dass der Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland schon vor mehr als fünf Jahren aufgegeben wurde.

Im Streitfall vermachte die im Jahr 2013 verstorbene Erblasserin ihrer Nichte einen Anteil an einer Immobilie in München. Beide lebten im Ausland und verfügten über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Mit notariell beurkundetem Vertrag wurde 2014 zur Erfüllung des Vermächtnisses ein entsprechender Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf die Nichte übertragen. Es entfachte sich ein Streit mit dem Finanzamt darüber, ob der Immobilienerwerb der Erbschaftsteuer unterliegt. Die von der Nichte beim Finanzgericht erhobene Klage hatte nun Erfolg.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz (FG München v. 10.7.2019 – 4 K 174/16) entschied der BFH, dass der durch Vermächtnis erworbene Anspruch auf Übertragung des Miteigentumsanteils an dem inländischen Grundstück nicht der Erbschaftsteuer unterliegt. Zur Begründung führte der BFH im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen einer beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) im Streitfall nicht vorliegen.

Ausländische Erben und Vermächtnisnehmer sowie deutsche Staatsangehörige, die seit mindestens fünf Jahren dauernd im Ausland leben, ohne einen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu haben, sind in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig. Eine Erbschaftsteuerpflicht besteht dann ausschließlich für den Eigentumserwerb an bestimmten Vermögenswerten des Inlandsvermögens i. S. des § 121 Bewertungsgesetz (BewG). Dazu gehört grundsätzlich auch inländisches Grundvermögen. Dieses muss jedoch Gegenstand des Erwerbs sein. Soweit nach dem anwendbaren Recht lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung von inländischem Grundvermögen besteht, reicht dies als Erwerbsgegenstand nicht aus.

Die Entscheidung des BFH zeigt eindrücklich, dass sich gerade bei Sachverhalten mit Auslandsbezug steuerliche Überlegungen im Zuge der Nachfolgeplanung sehr lohnen können. Denn während bei schlichter Vererbung einer Immobilie Erbschaftsteuer anfallen würde, wird – wie der Fall zeigt – Erbschaftsteuer ggf. im Vermächtnisfall nicht ausgelöst.

Autoren: Jan Mohrmann (Partner, Steuerrecht) & Lydia Baumann (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)

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