Arbeitsrecht27.12.2022 Newsletter

Annahmeverzugslohn nach Kündigung – Erfreuliche Entscheidung für Arbeitgeber

Kurz vor Jahresende gibt es noch eine erfreuliche Nachricht für Arbeitgeber: Bisher war es oftmals so, dass sich Arbeitnehmer im Anschluss an eine Kündigung durch den Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit arbeitslos meldeten. Dort wurden Annahmeverzugslohnansprüche geltend gemacht. Dabei gab es häufig keine oder nur unzureichende Bewerbungsbemühungen. Mit seiner Entscheidung vom 30. September 2022 – 6 Sa 280/22 hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einem Arbeitnehmer unzureichende Bewerbungsbemühungen „bescheinigt“ und seine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Klage abgewiesen.

Was war geschehen?

Die beklagte Arbeitgeberin hat gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer mehrere unwirksame Kündigungen ausgesprochen. Im Anschluss forderte der Arbeitnehmer für den Zeitraum von Mai 2017 bis einschließlich April 2021 Annahmeverzugslohnansprüche. Die Arbeitgeberin lehnte dies unter Hinweis auf § 11 Nr. 2 KSchG ab. Sie vertrat die Auffassung, dass der Arbeitnehmer in den streitigen Zeiträumen einer anderweitigen Beschäftigung hätte nachgehen können. Er habe im Hinblick auf die Vermittlungsangebote keine hinreichenden Bewerbungsbemühungen angestellt und es daher böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gibt Arbeitgeberin recht

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Arbeitgeberin recht. Der Arbeitnehmer musste auf einen Auskunftsanspruch der Arbeitgeberin hin die einzelnen Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit offenlegen. Es stellte sich heraus, dass der Arbeitnehmer nur wenige und unzureichende Bewerbungsbemühungen gezeigt hat, obwohl er eine ganze Reihe an Vermittlungsangeboten erhalten hatte. Im Schnitt hatte der Arbeitnehmer noch nicht einmal eine Bewerbung pro Woche abgeben, obwohl, so das Landesarbeitsgericht, er „im fraglichen Zeitraum ohne Arbeit war und also im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle Bewerbungsbemühungen hätte entfalten können und müssen“. Auch inhaltlich seien die Bewerbungen unzureichend gewesen.

Die Arbeitgeberin habe daher ausreichend Indizien für ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes nach § 11 Nr. 2 KSchG dargelegt. Der Arbeitnehmer ging damit leer aus.

Was die Entscheidung für Arbeitgeber bedeutet

Arbeitnehmer, die sich nach einer Kündigung durch ihren Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben, zeigen oft wenig Bemühungen um eine neue Erwerbsmöglichkeit. Stattdessen wurden bisher häufig nur Annahmeverzugslohnansprüche geltend gemacht. Wurde dann rechtskräftig die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, sahen sich Arbeitgeber oftmals erheblichen Annahmeverzugslohnansprüchen ausgesetzt.

§ 11 Nr. 2 KSchG sieht jedoch vor, dass sich der Arbeitnehmer auf seinen Annahmeverzugslohnanspruch dasjenige anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. In der Regel unterbreitet die Agentur für Arbeit dem betroffenen Arbeitnehmer Vermittlungsangebote. Stellt der Arbeitnehmer dann keine oder nur unzureichende Bewerbungsbemühungen an, kann dies im Einzelfall den Einwand des böswilligen Unterlassens nach § 11 Nr. 2 KSchG rechtfertigen und den Annahmeverzugslohnanspruch reduzieren.

Der Arbeitgeber muss jedoch erst einmal Kenntnis über die Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit haben. Hier hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern mit Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19 einen entsprechenden Auskunftsanspruch zugebilligt und deren Position gestärkt. Im Anschluss kann der Arbeitgeber – je nach Sachlage – seinen Einwand nach § 11 Nr. 2 KSchG anhand der Vermittlungsangebote untermauern. Dann liegt es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, im Wege abgestufter Darlegungs- und Beweislast darzulegen, weshalb es nicht zu einem Vertragsschluss gekommen ist bzw. ein solcher unzumutbar gewesen wäre. 

Ausblick

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist zu begrüßen, da es der bisherigen Praxis, sich im Anschluss an eine Arbeitslosmeldung „zurückzulehnen“, eine deutliche Absage erteilt. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Da die vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten rechtlichen Maßstäbe zur Darlegungs- und Beweislast die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wiedergeben, bestehen hier gute Chancen, dass das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung bestätigt.

Arbeitgeber sind gut beraten, etwaige Annahmeverzugslohnansprüche nicht voreilig hinzunehmen, sondern den Einwand des böswilligen Unterlassens nach § 11 Nr. 2 KSchG zu erwägen. Da bei der Verteidigung gegen Annahmeverzugslohnansprüche prozessuale Besonderheiten und die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu beachten sind, empfiehlt es sich, auf anwaltliche Unterstützung zurückzugreifen.  

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