Bundeskartellamt untersagt Facebook Zusammenführung von Daten

Das Bundeskartellamt hat Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen ohne gesonderte ausdrückliche Einwilligung untersagt und möchte damit eine „interne Entflechtung“ der Datenbestände erreichen. Das Unternehmen darf seine deutschen Nutzer künftig nicht mehr dazu anhalten, pauschal einer faktisch grenzenlosen Sammlung und Zuordnung von Daten zu ihrem Nutzerkonto zuzustimmen. Dies ist die erste Entscheidung, die einen Kartellrechtsverstoß mit einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht begründet. Auch wenn die Entscheidung auf deutschem Kartellrecht basiert, hat sie möglicherweise einen Präzedenzfall über die deutschen Grenzen hinaus geschaffen. Nachfolgend stellen wir Ihnen die wesentlichen Merkmale der Entscheidung aus Sicht unserer Experten für Kartellrecht und Datenschutz näher dar.
 

1. Der Sachverhalt und die Entscheidung

Die Entscheidung erging am 7. Februar 2019 nach einer dreijährigen Untersuchung. Das Bundeskartellamt hat bislang lediglich eine Pressemeldung und ein Hintergrundpapier veröffentlicht, die dem Vernehmen nach mehrere 100 Seiten lange Entscheidung aber noch nicht veröffentlicht.

Bisher hat Facebook die Daten seiner verschiedenen Dienste (Facebook, WhatsApp, Instagram) und von Drittseiten gesammelte Daten auf Basis der Nutzungsbedingungen bzw. einer pauschalen Einwilligungserklärung genutzt. Dadurch konnte Facebook Daten aus verschiedenen Quellen für seine wichtigste Einnahmequelle (Online-Werbung) nutzen.

Nach der Entscheidung des Bundeskartellamtes darf Facebook die Daten der konzerneigenen Dienste zwar weiterhin für jeden Dienst sammeln und nutzen. Allerdings darf es die Zuordnung der Daten zum Facebook- Nutzerkonto und damit die plattformübergreifende Nutzung nur noch mit einer ausdrücklichen und freiwilligen Einwilligung des Nutzers vornehmen. Eine Einwilligung des Nutzers ist außerdem erforderlich, um Daten von Drittwebseiten zu sammeln und dem Facebook-Nutzerkonto zuzuordnen. Facebook muss innerhalb von 12 Monaten sicherstellen, dass die deutschen Nutzer eine echte Wahlmöglichkeit haben, ob sie der Sammlung und Zuordnung von Daten zu ihrem Nutzerkonto zustimmen oder nicht.

Unberührt von der Entscheidung bleibt die Verarbeitung von Daten, die bei der Nutzung des Dienstes Facebook selbst gesammelt werden.


2. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung als Ausgangspunkt

Das Bundeskartellamt stützt seine Entscheidung auf den verbotenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook – konkret auf einen sog. „Konditionenmissbrauch“ i.S.d. § 19 GWB.

Die marktbeherrschende Stellung begründet die Kartellbehörde mit einer Quasi-Monopolstellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke. Facebook hält nach den Ermittlungen des Amtes einen Nutzeranteil von über 90%. Beruflich genutzte Netzwerke (LinkedIn, Xing), Messaging-Dienste und Videoplattformen will die Beschlussabteilung trotz gewisser Überschneidungen im Geschäftsmodell nicht in den Markt für soziale Netzwerke mit einbeziehen. Nennenswerten Wettbewerbsdruck durch andere Anbieter sieht das Kartellamt daher – insbesondere nach der angekündigten Einstellung von Google+ – nicht.

Diese Vormachtstellung beute Facebook zulasten seiner Nutzer in verbotener Weise aus, indem es die Nutzung des sozialen Netzwerks davon abhängig mache, unbegrenzt jegliche Art von Nutzerdaten aus Drittquellen sammeln und mit dem Facebook-Konto zusammenführen zu dürfen. Der Schaden liegt nach Ansicht des Bundeskartellamts insbesondere im Kontrollverlust für den Nutzer: Über das Erfassen von Daten durch die konzerneigenen Dienste wie WhatsApp und Instagram hinaus, fließen vielfach Daten von dritten Internetseiten und Apps zu Facebook, ohne dass dies für den Nutzer immer erkennbar wäre. Dies geschieht durch eingebaute Schnittstellen zu Facebook (z.B. einen „Gefällt Mir-Button“, selbst wenn dieser nicht betätigt wird) oder den Einsatz des Analysedienstes „Facebook Analytics“. Der Nutzer könne nicht mehr selbstbestimmt über seine persönlichen Daten verfügen und nicht mehr überschauen, welche Daten aus welchen Quellen für welche Zwecke verwendet werden.

Nach Ansicht des Bundeskartellamts verstoßen die Datenverarbeitungskonditionen von Facebook gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Facebook habe daher weder eine Rechtfertigung für die Erhebung von Daten aus anderen konzerneigenen Diensten oder Business Tools noch für die Verknüpfung dieser Daten mit den Facebook-Konten.



3. Daten als wesentlicher Wettbewerbsfaktor

Wie ist es zu erklären, dass sich eine Kartellbehörde nun zur „Datenschutzbehörde“ aufschwingt?

Zum einen haben die Nutzerdaten für Facebook einen erheblichen wirtschaftlichen Wert. Facebook kann mit mehr Daten über die jeweiligen Nutzer seine zielgerichtete Werbung verbessern, weil etwa die Profile genauer und umfangreicher werden. Damit sind die Daten und insbesondere deren Sammlung und Verwertung ein wesentlicher Faktor für die Stellung von Facebook im Wettbewerb.

Zum anderen ist der Ansatz, einen Marktmachtmissbrauch wegen Verstoßes gegen gesetzliche Wertungen aus andere Rechtsbereichen anzunehmen, im deutschen Kartellrecht nicht neu. Nach der Rechtsprechung des BGH in Sachen VBL-Gegenwert kann die Unangemessenheit von Vertragskonditionen auch anhand von gesetzlichen Wertungen, z.B. des AGB-Rechts, überprüft werden, die den Schutz einer schwächeren Vertragspartei in einer ungleichgewichtigen Vertragsposition bezwecken. Hieran anknüpfend hat das Bundeskartellamt die Vertragskonditionen von Facebook anhand datenschutzrechtlicher Wertungen geprüft und für unangemessen befunden.

Für die Kartellbehörde sind die einseitig zu Lasten der Nutzer gehenden Vertragskonditionen eine ungerechtfertigte Ausnutzung der Marktmacht von Facebook und damit ein „Konditionenmissbrauch“ i.S.d. § 19 GWB.



4. Die Datenschutzrechtsverstöße sind noch genauer zu diskutieren

Ausgangsbasis für die Anwendung von § 19 GWB waren Verstöße gegen das geltende Datenschutzrecht der DSGVO. Diese sind in den bisherigen Veröffentlichungen des Bundeskartellamts allerdings nicht genau dargestellt. Das Bundeskartellamt hat die enge Zusammenarbeit mit Datenschutzbehörden erwähnt. Für die Datenschutzexperten sind die beiden Angriffspunkte daher keine Überraschung. Europäische Datenschutzbehörden haben die Ankündigung von Facebook, die Datenbestände von WhatsApp und Instagram zu nutzen, kritisiert und insbesondere wegen der gegenteiligen Ankündigung von Facebook bei der Übernahme dieser Unternehmen gefordert, hierfür eine ausdrückliche Einwilligungserklärung der Nutzer einzuholen. Die Frage der Einbindung der Daten von Drittseiten über „Social Plug-ins“ wie den Like-Button ist Gegenstand von Streitigkeiten. Hierüber wird demnächst eine Entscheidung des EuGH erwartet. Zentrale Frage gemäß den Schlussanträgen des Generalanwaltes ist dabei unter anderem die Frage der ausreichenden Rechtsgrundlage sowie die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Einwilligung.

Im Datenschutzrecht muss eine geeignete Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegen. Daher gibt es nach der DSGVO (und dem bisherigen Datenschutzrecht) verschiedene Alternativen, insbesondere eine Verarbeitung aufgrund berechtigten Interesses nach Art. 6 (1) lit. (f) DSGVO. Dabei ist zu beachten, dass Erwägungsgrund (47) DSGVO die Direktwerbung (um die es hier wohl gehen dürfte) grundsätzlich als ein solch berechtigtes Interesse anerkennt. Nur wenn dieser gesetzliche Erlaubnistatbestand nicht ausreicht (weil die Interessen der betroffenen Personen überwiegen), kann von Facebook verlangt werden, dass eine Einwilligungserklärung eingeholt wird. Sofern man dann eine Einwilligung nach Art. 6 (1) lit. (a) DSGVO für zwingend erforderlich hält, stellen sich wiederum verschiedene Fragen, insbesondere nach dem Umfang der Informationen, d.h., ob die Transparenz ausreicht, wie ausdrücklich eine Einwilligung erfolgen muss und ob eine Einwilligung in Werbung mit anderen Erklärungen verknüpft werden kann und dennoch freiwillig ist, insbesondere nach dem Maßstab des Art. 7 (4) DSGVO. Die Beantwortung dieser Fragen und die rechtliche Analyse durch das Bundeskartellamt werden mit großer Spannung erwartet.

Es stellen sich jedoch noch neue, bisher unbeantwortete Fragen der Zuständigkeiten und Kompetenzen. Wieso hat das Bundeskartellamt in einer Sachfrage eine Entscheidung getroffen, die derzeit in einem Verfahren vor dem EuGH verhandelt wird? Was sind die verschiedenen Rollen und Kompetenzen von Bundeskartellamt, Datenschutzaufsichtsbehörden und Verbraucherschutzverbänden (im letzten ITC Newsletter berichteten wir über die Rechtsprechung u.a. des OLG Hamburg zur Frage, ob Datenschutzverstöße abmahnfähig sind). Wie wird in Zukunft angesichts der verschiedenen Rechtswege für diese unterschiedlichen Verfahren (Kartellsenat beim OLG Düsseldorf für Entscheidungen des Bundeskartellamts, Verwaltungsgerichtsweg gegen aufsichtsbehördliche Entscheidungen, Zivilrechtsweg gegen Abmahnungen) eine verbindliche und einheitliche Rechtsprechung zum Datenschutz gebildet? Insbesondere da Facebook bereits angekündigt hat, gegen die Entscheidung Beschwerde einzulegen, wird sich sehr bald die Frage der Notwendigkeit der Vorlage bzgl. der Auslegung der DSGVO zum EuGH stellen.



5. Auswirkungen für die Praxis

Einen dogmatischen Paradigmenwechsel im Kartellrecht hat das Bundeskartellamt mit seiner Facebook-Entscheidung letztlich nicht vollzogen. Neu ist lediglich die Anknüpfung an die gesetzlichen Wertungen der DSGVO (statt wie bislang insbesondere an das AGB-Recht). Für die Praxis hat die Entscheidung dennoch Konsequenzen.


Zum einen könnte der Konditionenmissbrauch, der bislang in der Praxis eher ein exotisches Schattendasein gefristet hat, „gesellschaftsfähig“ werden. Die Kartellbehörde und Gerichte könnten in Zukunft verstärkt Missverhältnisse in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Augenschein nehmen. Unternehmen in starken Marktpositionen sollten ihre Vertragskonditionen daher auf sie stark bevorteilende Klauseln überprüfen – und zwar nicht nur bzgl. einer Datenverarbeitung, sondern auch bzgl. anderer Vertragsbedingungen.

Darüber hinaus könnte die Facebook-Entscheidung auch die Kartellbehörden anderer Länder ermutigen, einen ähnlichen Weg zu gehen und den Datenschutz (oder Grundsätze aus anderen Rechtsgebieten) künftig stärker zu berücksichtigen. Das Bundeskartellamt hat aufgrund der grenzüberschreitenden Aspekte des Falles eng mit anderen Kartellbehörden, darunter der Europäischen Kommission, zusammenarbeitet. Dies deutet darauf hin, dass es einen gewissen Konsens zwischen den Kartellbehörden über das Ergebnis des Falles geben könnte.

Für den Datenschutz bedeutet dies ein noch größeres Kompetenz-Wirrwarr und größere Unklarheit bei der Auslegung der DSGVO, die vermutlich nur durch entsprechende Entscheidungen des EuGH gelöst werden könnten. In Deutschland tätige Unternehmen müssen zukünftig nicht nur 17 verschiedene datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörden und Verbraucherschutzverbände mit ihrer Abmahnpraxis, sondern auch noch das Bundeskartellamt als „Aufsicht für den Datenschutz“ im Blick behalten.
Facebook hat bereits angekündigt, Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundeskartellamts einzulegen. Es bleibt abzuwarten, ob das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf der Ansicht der Kartellbehörde folgt.

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Dr. Jürgen Hartung

Dr. Jürgen Hartung

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