Immobilienwirtschaftsrecht09.11.2020 Newsletter

Ab 1. Dezember 2020: Gesetzlicher Anspruch des Mieters auf bauliche Veränderungen für Ladesäulen

Hintergrund

SPD und Union haben 2018 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das Wohnungseigentumsrecht zu reformieren und mit dem Mietrecht zu harmonisieren. Neben der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes verfolgt der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf „zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzesden Zweck, die Vorbereitung und Durchführung baulicher Maßnahmen unter anderem zur Förderung von Elektromobilität zu erleichtern. Bundestag und Bundesrat haben den Entwurf mit wenigen Änderungen am 17. September bzw. 9. Oktober 2020 angenommen. Die Neuregelungen treten daher zum 1. Dezember 2020 in Kraft.

Die Änderungen im BGB betreffen insbesondere den neu eingeführten § 554 BGB: Die Vorschrift sieht nunmehr in Absatz 1 vor, dass Vermieter solche baulichen Veränderungen am Mietobjekt durch den Mieter dulden müssen, „die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen“. § 554 Absatz 2 BGB schließt jede für den Mieter nachteilige vertragliche Abweichung von dieser Duldungspflicht aus. Ausweislich des ebenfalls neu gefassten § 578 Absatz 1 BGB gelten diese Bestimmungen – einschließlich des Absatz 2 - auch im Gewerbemietrecht!

Welche Folgen hat die Neuregelung?

Für Vermieter bedeutet die Reform zunächst eine neue umfassende Duldungspflicht:

Liegen die Voraussetzungen des § 554 BGB vor, müssen Vermieter Eingriffe in die bauliche Substanz des Mietobjektes dulden, wenn Mieter bspw. die Einrichtung einer privaten Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge planen. Der Umfang der baulichen Veränderungen beschränkt sich hierbei nicht nur auf das einfache Anbringen einer Ladestation an der Wand. Vielmehr können Mieter die Verlegung von Leitungen sowie Eingriffe in die Stromversorgung oder Telekommunikationsinfrastruktur vornehmen, soweit dies erforderlich ist, um die Lademöglichkeit nutzbar zu machen. Die Kosten dieser baulichen Veränderung trägt zwar der Mieter und auch die Durchführung der Veränderungsarbeiten liegt in seinem Verantwortungsbereich, jedoch ist der Vermieter grundsätzlich zu allen zur Ausführung der baulichen Veränderung erforderlichen Mitwirkungshandlungen verpflichtet. Ein vertraglicher Ausschluss dieser Berechtigung im Vorfeld ist angesichts des selbst im Gewerbebereich anwendbaren Abweichungsverbotes nicht möglich.

Die Duldungspflicht des Vermieters gilt trotzdem nicht uneingeschränkt: § 554 Absatz 1 S. 2 BGB sieht einen Ausschluss der Duldungspflicht vor, „wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann“. Wann dies der Fall ist, lässt sich pauschal nicht beantworten. Vielmehr ist stets eine Interessenabwägung im konkreten Einzelfall vorzunehmen. Mögliche Kriterien, die gegen einen Duldungsanspruch des Mieters sprechen, sind bspw. drohende negative Auswirkungen der baulichen Veränderung auf Rechtsverhältnisse des Vermieters zu Dritten –  wie etwa anderen Mietern oder auch Nachbarn –, ggf. Brandschutzthemen oder der Allgemeinheit der Mieter bereits zur Verfügung gestellte Lademöglichkeiten. Hier bleibt die fallbezogene Rechtsprechung abzuwarten. Für den Mieter streiten hingegen allgemeinpolitische Klimaschutzerwägungen, das stets individuell zu berücksichtigende Interesse an einer baulichen Veränderung und die Verpflichtung eine Sicherheit nach § 554 Absatz 1 S. 3 BGB stellen zu müssen.

Was ist zu tun?

Obwohl die Kosten und die Durchführung dem Mieter obliegen, offenbart sich bei genauerer Betrachtung ein mietvertragliches Konfliktpotenzial, zu dem sich der Gesetzesentwurf ausschweigt: Vermieter werden regelmäßig das berechtigte Interesse haben, die Durchführung der Arbeiten nicht dem Mieter zu überlassen, sondern vielmehr die Arbeiten am Objekt selbst steuern zu wollen. Ob die entstehenden Kosten dann an den Mieter weitergereicht werden können, lässt sich aus dem Gesetzesentwurf nicht ohne Weiteres herauslesen. Auch die Begründung ist hierzu nicht sehr ergiebig und verweist auf die allgemeinen Modernisierungsregelungen.

Offen – und im besten Fall im Vorfeld von den Parteien zu regeln – bleiben darüber hinaus folgende Themen:

  • Wie wird das Eigentum zugeordnet und abgegrenzt? – Stichwort: Ladeeinrichtungen als Scheinbestandteile?
  • Ist der Mieter zum Rückbau oder der Vermieter zur Leistung von Wertersatz verpflichtet?
  • Wer übernimmt ggf. erforderliche Anpassungen am weiteren Bestand (Baurechtliche Zulässigkeit, Einfügung in das Brandschutzkonzept) und erhöhte Bewirtschaftungskosten (erhöhte Gebäudeversicherungsprämie)?
  • Wer haftet für Fehlfunktionen?
  • Wie werden Ansprüche mehrerer Mieter miteinander koordiniert?

Insgesamt wirft die Gesetzesänderung eine Reihe von Themen auf, die wirtschaftlich, technisch und rechtlich noch zu klären sind – und auf die man vor Inkrafttreten der Neuregelung (1. Dezember 2020) vorbereitet sein sollte.

Praxistipp:

Die Neuregelung des § 554 BGB birgt nicht unerhebliches Konfliktpotenzial, das aufgegriffen und ausgestaltet werden sollte. Vermieter müssen sich darauf einstellen, dass angesichts der klimapolitischen Bedeutung und Aktualität von Elektromobilität in Zukunft vermehrt das Verlangen aufkommen wird, bestehende Gebäude mit der entsprechenden Infrastruktur ausstatten zu lassen. Dass das Gesetz das Bestehen des Anspruchs von einer – vom Einzelfall – abhängigen Interessenabwägung abhängig macht, andere für die Parteien wichtige Fragen aber unbeantwortet lässt, wird zu Regelungsbedürfnissen führen.

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Dr. Stefanie Minzenmay

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