Jörn KuhnJörn Kuhn | New Work | 21.01.2021

E-Commerce – Ohne den Betriebsrat geht es nicht


Bei der technischen Umsetzung von Vertriebssystemen* werden in der Regel personenbezogene Daten der Beschäftigten genutzt – etwa, wenn sie Click & Collect IT-Systeme bedienen. Für die Händler ist damit die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben zwingend erforderlich. Eine Beteiligung des Betriebsrats ist aus diesem Grund häufig unvermeidbar. Aber muss das komplette ERP-System (Enterprise Ressource Planning) mit dem Betriebsrat verhandelt werden, wenn es nur um Onlinebestellungen geht?

Einführung von IT-Systemen

Beim klassischen Multichannel-Vertrieb werden unterschiedliche, getrennt voneinander betriebene Verkaufskanäle wie Onlineshops und Ladengeschäfte für Kunden angeboten. Zudem nutzen Händler ebenfalls sog. Omnichannel- und Crosschannel-Vertriebssysteme. Bei ihnen wird der Warenbestand kombiniert über Onlineshops und Verkaufsgeschäfte abgesetzt. Die aktuellen Schließungen von Geschäften lässt in vielen Bereichen ausschließlich den Online-Vertrieb zu, wobei der Versand der Ware teils aus den Geschäften erfolgt.

Die Einführung von Cross- und Omnichannel-Vertriebsmodellen ist primär geprägt von den Anforderungen des Unternehmens und den Wünschen des Kunden. Es bedarf jedoch zugleich der Betrachtung der relevanten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Verzögerungen durch die erforderlichen Verhandlungen zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung ein geplantes „Go Live“ oder Upgrades des Vertriebssystems aufgrund komplexer Softwarelösungen gilt es zu vermeiden.

Nutzen Beschäftigte bestimmte IT-Systeme im stationären Handel für verschiedene E-Commerce-Konzepte, unterfällt dies nicht dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Wird angewiesen, ein online aus dem Warenbestand der Filiale bestelltes Produkt einzuscannen, abhol-/versandbereit zu verpacken und den Warenbestand zu aktualisieren, erfolgt hierdurch eine lediglich mitbestimmungsfreie Konkretisierung der Arbeitspflicht.

Meldet sich ein Beschäftigter innerhalb des genutzten IT-Systems per individualisierter ID an, wird allerdings systemisch erfasst, welcher Beschäftigte den betreffenden Vorgang im stationären Ladengeschäft bearbeitet hat. Dadurch ist das System rein objektiv dazu geeignet, das Verhalten oder die Leistungen der jeweiligen Beschäftigten zu überwachen. Damit ist die Mitbestimmung in technischen Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eröffnet: Der Betriebsrat muss dem genutzten System sowie der Art und Weise der genutzten personenbezogenen Daten der Beschäftigten zustimmen.

Datenschutz und weitere Regelungspunkte

Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass mit dem Betriebsrat Regelungen erzielt werden können, die als Rechtsgrundlage die Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Beschäftigten - nicht hingegen von Kunden - nach § 26 Abs. 4 BDSG ermöglichen.

In der Praxis zeigt sich, dass die Datenschutzbehörden die Legitimation der Datenverarbeitung auf Basis einer Betriebsvereinbarung deutlich weniger kritisch sehen, als die Begründung der Datenverarbeitung zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach § 26 Abs. 1 BDSG. Entscheidend wird diese Differenzierung vor allem bei der Frage der erforderlichen Speicherdauer der personenbezogenen Daten aber auch bei Auswertungsmöglichkeiten.

Ein Schwerpunkt in Verhandlungen mit Betriebsräten ist in der betrieblichen Praxis die Anbindung der Vertriebs-IT-Systeme an das ERP-System. Hier sollte genau geprüft werden, welche Daten an das ERP-System gesendet oder von diesem übermittelt werden. In aller Regel fehlt es an einem Personenbezug, so dass das Vertriebs-IT-System nicht zugleich die Mitbestimmung für das ERP-System auslöst.

In der Verhandlung der Betriebsvereinbarung sind weitere Dienstleistungen des Software-Betreibers wie Wartungen und Updates zu berücksichtigen. So kann beispielsweise ein im Hintergrund durchgeführtes Update dazu führen, dass sich der Umfang der erhobenen personenbezogenen Daten oder die Auswertungsmöglichkeiten ändern. Dadurch kann sich ein mitbestimmungswidriger Zustand ergeben. Da Software-Updates in vielen Fällen dringend, sprich innerhalb weniger Tage oder Stunden vorgenommen werden müssen, sollte dies in Betriebsvereinbarungen berücksichtigt werden.

Auch die Auswirkungen auf Vergütungssysteme sind schließlich nicht außen vor zu lassen. Ist beabsichtigt, Indikatoren aus den Vertriebssystemen zur Grundlage der Bemessung variabler Vergütungsbestandteile zu machen, muss dieses gesondert mit dem Betriebsrat vereinbart werden.

Gerne stehen Ihnen für Fragen unsere Experten Jörn Kuhn und Annabelle Marceau zur Verfügung.

 

* Zu diesen Vertriebssystemen gehören insbesondere die Kundenoptionen Click & Collect (Abholung der online bestellten Ware im Geschäft), Order in Store (Bestellung des Produkts im Laden und Lieferung nach Hause), Reserve & Collect (Onlinereservierung, Kauf und Bezahlung der Ware im Laden), Return to Store (Rückgabe des online gekauftes Produkts im Laden), Instore Availability (Online-Prüfung der Verfügbarkeit im Laden), Ship to Store (Abholung von Onlineartikeln im Ladengeschäft) und Ship from Store (Verknüpfung des Online-Shops mit Warenbestand des stationären Ladens).

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