Luftfahrt und Verteidigung11.04.2025 Newsletter
Viel Wille, wenig Wucht: Verteidigungspolitik im Koalitionsvertrag bleibt vage
Kommentar von Michael Abels
Im Koalitionsvertrag finden wir an erster Stelle das Bekenntnis zur Nato – gut so, aber weder neu noch überraschend. Ein Mangel an Überraschungen kann aber auch beruhigen – so auch hier.
Begibt man sich dann auf den Weg durch die danach folgenden Statements, begegnet einem viel Bleiwüste und sehr wenig Konkretes – vielleicht ist es auch zu viel verlangt, bei der für diese Vereinbarungen sehr große Flughöhe.
Wir lesen dann:
„Die europäische Zusammenarbeit in Rüstungsfragen muss dafür sorgen, dass die Ausstattung einfacher und standardisierter wird und Kosten- und Qualitätsvorteile durch gemeinsame Bestellungen entstehen („Simplification, Standardization und Scale“).“
Das klingt gut und die Schlagworte – heute immer auf Englisch (warum eigentlich?) – klingen nett. Damit aber diese Ziele, ins Schlagwort gegossen, erreicht werden können, wird die wichtigste Voraussetzung gar nicht erwähnt: Solange die Einsatzgrundsätze befreundeter Streitkräfte nicht harmonisiert sind, wird der Bedarf unterschiedlich bleiben, und damit auch die Produkte, die den (jeweiligen) Bedarf decken. Man muss also vor den Produkten ansetzen.
Kommt aller Erfahrung nach hinzu: Alle Regierungen wollen, dass das eigene Steuergeld im eigenen Land ausgegeben wird und alleine dieser Wunsch verhinderte in der Vergangenheit "Simplification, Standardization" und auskömmlichere Stückzahlen identischer Produkte, und, schlimmer noch, verhinderte die Interoperabilität und einheitliche Logistikketten.
„Wir streben deswegen die Einführung eines mehrjährigen Investitionsplans für die Verteidigungsfähigkeit an, der im Einklang mit dem Deutschen Bundestag langfristige finanzielle Planungssicherheit gewährleistet, um damit den Bedarfen der Bundeswehr und den Verpflichtungen gegenüber der NATO sowie ihren Fähigkeitsanforderungen gerecht zu werden.“
Kein neues Ziel, aber eine wichtiges. Damit ein funktionsfähiger Schuh daraus wird, muss das auch umschlagen in langfristige, sichere Auslastung der Industriekapazitäten, also in Aufträge, die jetzt und nicht erst später nach Maßgabe der dann relevanten Haushaltslage vielleicht erteilt werden.
„Wir fokussieren uns dabei auf den militärischen Zweck und Nutzen zur Erfüllung des Kernauftrags und richten die militärischen und zivilen Strukturen der Bundeswehr darauf aus.“
Das könnte eine gute Botschaft sein, wenn in der Konsequenz für den militärischen Bereich unsinnige, missionsstörende Vorschriften etwa im den Bereichen Verbraucherschutz (z. B. Produktsicherheitsgesetz) oder des Umweltschutzes (z. B. Halon-Verbote oder Abgasvorschriften für Panzermotoren) beseitigt würden.
„Das Planungs- und das Beschaffungswesen wird reformiert. Für einzelne Großprojekte, aber auch für Zukunftstechnologiebereiche, die einer hohen Innovationsdynamik unterliegen, werden wir neue Realisierungswege implementieren.“
Nett – aber wer vermag daraus irgendetwas Konkretes abzuleiten? Erfahrungsgemäß zerschellen derartige Absichten am Beharrungsvermögen der eingeschwungenen Behördenstrukturen.
„Wir werden das Verfahren der Parlamentsbeteiligung in Beschaffungsfragen beschleunigen und empfehlen, die Höhe des Schwellenwertes für Beschaffungsvorlagen zu erhöhen.“
Auch nicht neu, aber die Anhebung der seit den 1980er Jahren bestehenden 25 Millionen Euro Schwelle der parlamentarischen Befassung im Haushaltsausschuss gäbe dem BAAINBw die längst nötige Kniefreiheit und könnte auch zu weniger politisch beeinflussten Beschaffungen und zu schnelleren Vertragsschlüssen führen.
„Wir schaffen hierzu resilientere Lieferketten.“
Was bedeutet das genau – also nicht „resiliente“, sondern „resilientere“ Lieferketten – und wie soll das bewerkstelligt werden? Hier ist ein weites Feld administrativer und politischer Phantasie aufgemacht. Eine solche Zielsetzung mag nett klingen, und wir sind gespannt darauf, welche Konsequenzen dies haben wird.
„Wenn die vollumfängliche Gewährleistung der Sicherheits- und Verteidigungsinteressen Deutschlands durch Änderungen der Eigentums- und Anteilsverhältnisse an Schlüsselunternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bedroht ist, werden wir auch strategische Beteiligungen des Bundes in Betracht ziehen.“
Das könnte ein konkreter Hinweis sein, jenseits der Möglichkeiten der §§ 55 AWV (Investitionskontrolle) Maßnahmen zu ergreifen – wie bei Hensold geschehen und bei tkms bisher misslungen. Die Wettbewerber von Unternehmen, an denen sich der Bund beteiligt, werden aufmerksam beobachten, ob das wettbewerblich neutral umgesetzt werden kann.
„Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz Ausnahmeregelungen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht sowie beim Schutz und der Widmung militärischer Flächen.“
Gut so – die Verbesserung der militärischen Infrastruktur – von Hangars für F35 bis zu neuen, dringend benötigten Kasernen, in die Zange der jeweiligen Landesbauordnungen und Landesbehörden zu legen, einschließlich vielfältiger Rechtsmittel gegen solche Maßnahmen, ist kontraproduktiv und nicht bedrohungsgerecht. Wir sind auf die Umsetzung gespannt.
Fazit: Die Ziele sind sachgerecht, aber nicht gerade ambitioniert. An wichtigen Stellen ist die Koalitionsvereinbarung sehr weichgespült – etwa bei der Wehrpflicht bleibt es beim schwedischen Modell, und ungehört verhallen die besseren Vorschläge der Wehrbeauftragten nach einer allgemeinen Dienstpflicht.
Aber vielleicht ist es nach der politischen Lage einer eher Zweck- als Liebesehe auch gar nicht möglich, wirklich große Würfe zu machen.
Hoffen wir also, dass wenigsten die formulierten Ziele ernsthaft, schnell und sachgerecht umgesetzt werden.
Wir werden es aufmerksam begleiten.