Netzanschluss und Netzzugang von Energieanlagen: Wichtige Grundlagen für Unternehmen

Netzanschluss und Netzzugang sind entscheidend für Wettbewerb, Versorgungssicherheit und die Integration erneuerbarer Energien. Teil 1 unserer dreiteiligen Beitragsserie bietet einen klaren Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen und typischen Herausforderungen.

Die §§ 17 und 20 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) regeln die Voraussetzungen für den Netzanschluss sowie den Netzzugang und bilden damit die Grundlage für einen diskriminierungsfreien, wettbewerblichen und sicheren Energiemarkt. Für Letztverbraucher, d. h. natürliche oder juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen, sind diese Vorschriften von erheblicher praktischer Bedeutung, da sie die Versorgungssicherheit, die freie Wahl des Energieanbieters und die Integration eigener Erzeugungsanlagen ermöglichen.

Anspruch auf Netzanschluss

§ 17 EnWG regelt den grundsätzlichen Anspruch auf Netzanschluss und stellt damit eine der zentralen Normen des deutschen Energierechts dar. Die Norm regelt die erstmalige oder zusätzliche physische Verbindung einer Anlage mit dem Energieversorgungsnetz. Anspruchsberechtigt sind Letztverbraucher, Betreiber von Erzeugungs- und Speicheranlagen, Ladepunkte für Elektromobile sowie nachgelagerte Netze.

Voraussetzung ist ein Antrag beim Netzbetreiber. Die anzuschließende Anlage muss dafür technisch anschlussfähig sein, d. h. sie muss den technischen Anforderungen des jeweiligen Netzes entsprechen.

Die Bedingungen des Netzbetreibers für den Netzanschluss müssen angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein. Sie dürfen nicht ungünstiger als für vergleichbare Fälle innerhalb des Unternehmens des Netzbetreibers oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen sein.

Außerdem darf der Netzbetreiber den Anschluss nach § 17 Abs. 2 EnWG nur in Ausnahmefällen verweigern, wenn er nachweisen kann, dass die Gewährung aus betrieblichen, wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht möglich oder ihm nicht zumutbar ist. Die Ablehnung ist in Textform zu begründen und muss auf Verlangen auch Informationen zu notwendigen Netzausbaumaßnahmen und deren Kosten enthalten.

Anspruch auf Netzzugang

§ 20 EnWG regelt den Anspruch auf Netzzugang und dient der Ermöglichung des Wettbewerbs auf den Märkten für Energieerzeugung und Energieversorgung. Die Norm stellt sicher, dass die Nutzung der zwischen Energieerzeugung und Energieversorgung liegenden Netze durch Dritte zu diskriminierungsfreien und effizienten Konditionen ermöglicht wird. Geregelt wird insbesondere der Anspruch auf Nutzung des bestehenden Netzes für den Transport, die Einspeisung oder Entnahme von Strom oder Gas. Anspruchsberechtigt ist grundsätzlich „jedermann“.

Voraussetzung ist ein bestehender Netzanschluss (§ 17 EnWG) sowie ein Antrag auf Netzzugang. Netzbetreiber werden gemäß § 20 EnWG verpflichtet, die Nutzung ihrer Netze durch Dritte auf vertraglicher Basis zu gewähren. Die Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang müssen dabei diskriminierungsfrei, transparent und angemessen sein. Netzbetreiber sind verpflichtet, die Entgelte unmittelbar nach deren Ermittlung, spätestens aber jährlich bis zum 15. Oktober eines Jahres für das Folgejahr im Internet zu veröffentlichen. Zudem müssen sie etwaige bundesweit einheitliche Musterverträge und Konzessionsabgaben veröffentlichen. Ziel dieser Regelungen ist unter anderem auch, den Wettbewerb zwischen Netzbetreibern zu fördern.

Der Netzbetreiber darf den Zugang nach § 20 Abs. 2 EnWG nur ausnahmsweise verweigern, wenn er nachweist, dass die Gewährung aus betrieblichen, wirtschaftlichen oder technischen Gründen unter Berücksichtigung des Zwecks des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist – so beispielsweise, wenn die Netzkapazität nicht ausreicht oder technisch zwingende Gründe dem Zugang entgegenstehen.

Besonderheiten für erneuerbare Energien

Im Bereich erneuerbaren Energien gibt es eine speziellere Anspruchsgrundlage. Für Anlagenbetreiber erneuerbarer Energien besteht nach § 8 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nämlich ein Anspruch auf unverzüglichen Netzanschluss. Danach sind Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien vorrangig an der Stelle an ihr Netz anzuschließen, die hinsichtlich der Spannungsebene geeignet ist und die sich in der kürzesten Luftlinie zum Standort der Anlage befindet.

Gemäß § 11 EEG müssen Netzbetreiber den erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien außerdem unverzüglich vorrangig abnehmen, übertragen und verteilen. Zudem sind sie verpflichtet, das Netz bei Bedarf auszubauen und zu optimieren, um ihrer Netzanschluss- und Einspeiseverpflichtung nachzukommen. Wird dies zu Unrecht verweigert, sieht § 13 EEG einen Schadensersatzanspruch des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber vor.

Berechtigte Interessen aus Kundensicht

Diese gesetzlich verankerten Anspruchsgrundlagen dienen insbesondere den Interessen der Letztverbraucher an Versorgungssicherheit, Wahlfreiheit, ausgewogenem Wettbewerb, Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Sie unterstützen zudem die Integration eigener Energieerzeugungen – nicht zuletzt, um durch die Einspeisung erneuerbarer Energien die Energiewende voranzutreiben. Kunden und Letztverbraucher erwarten eine zuverlässige und unterbrechungsfreie Energieversorgung. Der Anspruch auf Netzanschluss und Netzzugang ist die Grundlage für die sichere Belieferung mit Strom oder Gas.

Durch den diskriminierungsfreien Netzzugang können Letztverbraucher ihren Energieversorger frei wählen und von Wettbewerb und günstigeren Preisen profitieren. Dies stärkt die Marktposition der Kunden und fördert Innovationen.

Transparente Bedingungen und Entgelte für Anschluss und Zugang sind für Kunden essenziell, um Kosten kalkulieren und Angebote vergleichen zu können. Die Veröffentlichungspflichten der Netzbetreiber tragen hierzu bei.

Anschluss und Nutzung des Netzes sollen zu angemessenen und nachvollziehbaren Kosten erfolgen. Unangemessen hohe Entgelte oder versteckte Kosten würden die Marktöffnung behindern.

Immer mehr Letztverbraucher möchten eigene Erzeugungsanlagen (z.B. Photovoltaik) anschließen und überschüssige Energie einspeisen. Nicht selten stellt dies auch das Kerngeschäfts des Unternehmens dar. Ein zügiger Netzanschluss und -zugang sind hierfür unabdingbar.

Recht auf Netzanschluss und Netzzugang

Die §§ 17 und 20 EnWG sichern Kunden und Letztverbrauchern ihr grundlegendes Recht auf Netzanschluss und Netzzugang. Die Anspruchsvoraussetzungen sind bewusst niedrigschwellig und weit gefasst. Gleichzeitig bestehen für Netzbetreiber Möglichkeiten, den Anschluss oder Zugang aus sachlich gerechtfertigten Gründen zu verweigern, wobei strenge Begründungs- und Informationspflichten gelten – hierauf werden wir in Teil 2 unserer Beitragsserie näher eingehen.

Angesichts der Herausforderungen durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Digitalisierung und den steigenden Bedarf an Flexibilität ist es jedoch nicht verwunderlich, dass die Positionen von Letztverbrauchern und Netzbetreibern immer häufiger miteinander kollidieren: der Anspruch ist das eine, die Anspruchsdurchsetzung das andere – dazu mehr in unserem Teil 3 der Beitragsserie.

Unsere Beitragsserie

Unsere Beitragsserie erstreckt sich insgesamt über drei Teile. In Teil 2 gehen wir auf die Sicht der Netzbetreiber ein und beleuchten näher, wie Netzbetreiber ihre technischen und wirtschaftlichen Interessen angesichts ihrer Systemverantwortung und ihres regulatorischen Pflichtenprogramms absichern können. In Teil 3 befassen wir uns sodann mit den gerichtlichen und behördlichen Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Netzanschluss- und Netzzugangsanspruch.

Über uns

Die Sektorgruppe Energie und Infrastruktur bei Oppenhoff bündelt umfassendes Know-how in allen für die Energiebranche relevanten Rechtsgebieten. Neben dem Energiewirtschaftsrecht umfasst das interdisziplinäre Energieteam bei Oppenhoff Spezialisten aus den Bereichen Gesellschaftsrecht/M&A, Steuern, Finanzierung, Anlagenbau, Umwelt-, Planungs- und Genehmigungsrecht, Vergaberecht, Commercial, Kartellrecht, IT- und Datenschutzrecht und Prozessführung.

Das Team Prozessführung & Schiedsgerichtsverfahren bei Oppenhoff unterstützt bei der Vermeidung von Konflikten durch sorgfältige Vertragsgestaltungen und klare Definition von Rechten und Pflichten.

Ist eine Auseinandersetzung unvermeidbar, vertritt das Team Ihre Interessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten – mit überzeugenden Argumenten und der individuell passenden Prozesstaktik. Das Team hat bereits mehrere Unternehmen erfolgreich gegen massenhafte Individualklagen verteidigt.
 

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Sarah Zingel-Hagemann

Sarah Zingel-Hagemann

AssociateRechtsanwältin

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