Netzanschluss und Netzzugang von Energieanlagen: Die Herausforderungen für Netzbetreiber (Teil 2)

Netzbetreiber müssen Letztverbrauchern einen Netzanschluss und Netzzugang diskriminierungsfrei, transparent und zu angemessenen Bedingungen zu gewähren. Technische, wirtschaftliche & regulatorische Hürden machen die Umsetzung jedoch komplex. Wir beleuchten im zweiten Teil unserer Beitragsreihe die zentralen Problematiken, die Ablehnungsrechte sowie die Interessenlage der Netzbetreiber im Kontext dieser gesetzlichen Verpflichtungen.

Im ersten Teil unserer insgesamt dreiteiligen Beitragsserie haben wir Ihnen einen praxisorientierten Überblick über die gesetzlichen Grundlagen des Netzanschluss- und Netzzugangsanspruchs vermittelt – auch mit Blick auf die Besonderheiten bei erneuerbaren Energien.

In diesem Beitrag, unserem Teil 2 der Reihe, gehen wir auf die Sicht der Netzbetreiber ein und beleuchten näher, wie Netzbetreiber ihre technischen und wirtschaftlichen Interessen angesichts ihrer Systemverantwortung und ihres regulatorischen Pflichtenprogramms absichern können.

Problematiken und Hürden aus Netzbetreibersicht

Die zentrale Herausforderung besteht darin, die gesetzlichen Anforderungen mit der betrieblichen Realität in Einklang zu bringen. Netzbetreiber müssen die Netzsicherheit und Systemstabilität gewährleisten (§ 11 EnWG). Die Aufnahme neuer Anschlussnehmer oder Netznutzer kann jedoch zu Kapazitätsengpässen, Spannungsschwankungen oder sogar zur Gefährdung der Netzstabilität führen. Insbesondere im Kontext der Energiewende und der zunehmenden Dezentralisierung (z. B. durch PV-Anlagen, Ladepunkte für E-Mobilität etc.) steigen die Anforderungen an das Netzmanagement und die Flexibilität der Infrastruktur.

Die Integration neuer Netznutzer birgt zusätzliche Haftungsrisiken (z. B. bei Störungen, Rückwirkungen auf das Netz, Schäden durch fehlerhafte Einspeisung). Netzbetreiber müssen daher sorgfältig prüfen, ob und unter welchen Bedingungen ein Anschluss oder Zugang technisch und rechtlich vertretbar ist.

Zudem sind Netzausbau- und Verstärkungsmaßnahmen häufig mit erheblichen Investitionen verbunden, deren Refinanzierung nicht immer gesichert ist. Die Wirtschaftlichkeit des Netzbetriebs steht daher regelmäßig im Spannungsfeld zu den gesetzlichen Anschluss- und Zugangspflichten.

Dabei unterliegen Netzbetreiber einem komplexen und sich stetig wandelnden regulatorischen Rahmen. Änderungen durch die Bundesnetzagentur, neue Festlegungen, Anpassungen im EnWG oder im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie europarechtliche Vorgaben (z. B. Clean Energy Package) führen zu Planungsunsicherheiten. Die Entgeltregulierung setzt zudem enge Grenzen für die Weitergabe von Kosten, was die Investitionsbereitschaft und die langfristige Netzplanung erschwert.

Teil dieses regulatorischen Rahmens sind außerdem umfangreiche Informations-, Begründungs- und Kooperationspflichten. Dies führt zu einem erhöhten administrativen Aufwand, insbesondere bei komplexen Anschlussvorhaben oder bei der Koordination mit anderen Netzbetreibern im Rahmen von Marktgebieten und Bilanzkreisen.

Interessenlage der Netzbetreiber

Netzbetreiber verfolgen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben verschiedene legitime Interessen, die schutzwürdig sind:

  • Sicherung der Netzstabilität und Versorgungssicherheit: Oberste Priorität hat die Aufrechterhaltung eines sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs.
  • Wirtschaftlichkeit: Die Investitionen in Netzausbau und Betrieb müssen sich im Rahmen der regulatorischen Vorgaben refinanzieren lassen. Unverhältnismäßige Kostenbelastungen sollen vermieden werden.
  • Planungs- und Investitionssicherheit: Stabile regulatorische Rahmenbedingungen sind Voraussetzung für langfristige Investitionen und effiziente Netzbewirtschaftung.
  • Minimierung von Haftungs- und Sicherheitsrisiken: Die Aufnahme neuer Netznutzer darf nicht zu unvertretbaren Risiken für den Netzbetrieb führen.
  • Effiziente Abwicklung und Administration: Die Vielzahl an Anträgen, Informationspflichten und Kooperationsanforderungen erfordert effiziente Prozesse und klare Zuständigkeiten.

Diesen Interessen hat der Gesetzgeber u. a. dadurch Rechnung getragen, dass er Netzbetreibern einräumt, den Netzanschluss und Netzzugang unter bestimmten Voraussetzungen zu verweigern.

Ablehnungsrechte des Netzbetreibers

Nach § 17 Abs. 2 EnWG kann der Netzbetreiber den Anschluss ablehnen, wenn er nachweist, dass die Gewährung aus betrieblichen, wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Ablehnung ist in Textform zu begründen und muss auf Verlangen detaillierte Informationen zu erforderlichen Ausbaumaßnahmen und deren Kosten enthalten. Typische Ablehnungsgründe sind:

  • Technische Unmöglichkeit (z.B. fehlende Netzkapazität, Netzstruktur lässt Anschluss nicht zu)
  • Unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Aufwand (z.B. Anschluss in abgelegenen Gebieten, hohe Kosten im Verhältnis zum Nutzen)
  • Betriebliche Gründe (z.B. Gefährdung der Netzstabilität, Sicherheitsrisiken)

Die Hürden für eine Ablehnung sind allerdings hoch: Der Netzbetreiber trägt die volle Darlegungs- und Beweislast. Pauschale Hinweise auf Kapazitätsprobleme oder Kosten reichen dabei nicht aus.

Auch beim Netzzugang kann der Netzbetreiber nach § 20 Abs. 2 EnWG den Zugang verweigern, wenn er nachweist, dass die Gewährung aus betrieblichen, wirtschaftlichen oder technischen Gründen unter Berücksichtigung des Zwecks des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Ablehnung ist ebenfalls in Textform zu begründen und zusätzlich unverzüglich der Regulierungsbehörde mitzuteilen. Taugliche Ablehnungsgründe sind:

  • Kapazitätsengpässe im Netz (z.B. Engpässe bei Transportwegen)
  • Unzumutbare wirtschaftliche Belastung durch die Bereitstellung zusätzlicher Kapazitäten
  • Technische Risiken für die Netzsicherheit oder Systemstabilität

Auch hier gilt: Bei Kapazitätsengpässen muss die Begründung ferner Informationen zu möglichen Netzausbaumaßnahmen und deren Kosten enthalten. Ferner sind die Anforderungen an die Begründung hoch. Die Ablehnung muss zudem objektiv nachvollziehbar und transparent sein.

Fazit und Ausblick

Netzbetreiber stehen im Spannungsfeld zwischen gesetzlichen Anschluss- und Zugangspflichten einerseits und der Wahrung von Netzsicherheit, Wirtschaftlichkeit und regulatorischer Planbarkeit andererseits. Die §§ 17 und 20 EnWG gewähren ihnen zwar Ablehnungsrechte, setzen hierfür aber hohe materielle und formelle Hürden. In der Praxis sind Netzbetreiber daher gefordert, jeden Antrag sorgfältig zu prüfen, Ablehnungen detailliert zu begründen und zugleich die eigenen Interessen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu wahren.

Mit Blick auf die Energiewende, die Digitalisierung und den steigenden Anteil dezentraler Erzeugung werden die Herausforderungen für Netzbetreiber weiter zunehmen. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens, insbesondere im Hinblick auf Investitionsanreize, Flexibilitätsoptionen und die Beschleunigung von Genehmigungs- und Ausbauprozessen, bleibt daher unerlässlich. Gleichzeitig ist es nicht verwunderlich, dass die Positionen von Letztverbrauchern und Netzbetreibern immer häufiger miteinander kollidieren und Streitigkeiten verursachen: Zu dem gerichtlichen bzw. behördlichen Rahmen dieser Streitigkeiten erfahren Sie mehr in unserem Teil 3 der Beitragsserie.

Unsere Beitragsserie

In Teil 1 unserer dreiteiligen Beitragsserie vermitteln wir Unternehmen einen praxisorientierten Überblick über die gesetzlichen Grundlagen ihres Netzanschluss- und Netzzugangsanspruchs – auch mit Blick auf die Besonderheiten bei erneuerbaren Energien.

In diesem Teil 2 sind wir auf die Sicht der Netzbetreiber eingegangen und haben näher beleuchtet, wie Netzbetreiber ihre technischen und wirtschaftlichen Interessen angesichts ihrer Systemverantwortung und ihres regulatorischen Pflichtenprogramms absichern können.

In Teil 3 befassen wir uns sodann mit den gerichtlichen und behördlichen Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Netzanschluss- und Netzzugangsanspruch.

Über uns

Die Sektorgruppe Energie und Infrastruktur bei Oppenhoff bündelt umfassendes Know-how in allen für die Energiebranche relevanten Rechtsgebieten. Neben dem Energiewirtschaftsrecht umfasst das interdisziplinäre Energieteam bei Oppenhoff Spezialisten aus den Bereichen Gesellschaftsrecht/M&A, Steuern, Finanzierung, Anlagenbau, Umwelt-, Planungs- und Genehmigungsrecht, Vergaberecht, Commercial, Kartellrecht, IT- und Datenschutzrecht und Prozessführung.

Das Team Prozessführung & Schiedsgerichtsverfahren bei Oppenhoff unterstützt bei der Vermeidung von Konflikten durch sorgfältige Vertragsgestaltungen und klare Definition von Rechten und Pflichten.

Ist eine Auseinandersetzung unvermeidbar, vertritt das Team Ihre Interessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten – mit überzeugenden Argumenten und der individuell passenden Prozesstaktik. Das Team hat bereits mehrere Unternehmen erfolgreich gegen massenhafte Individualklagen verteidigt.

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Sarah Zingel-Hagemann

Sarah Zingel-Hagemann

AssociateRechtsanwältin

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