Energie und InfrastrukturProzessführung und Schiedsgerichtsverfahren16.12.2025Köln Newsletter
Netzanschluss und Netzzugang von Energieanlagen: So gelingt eine effiziente Streitbeilegung (Teil 3)
Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Netzanschluss- und Netzzugangsanspruch sind keine Seltenheit. In Teil 3 unserer Serie erläutern wir Ihnen, wie Unternehmen und Netzbetreiber Konflikte rund um Ablehnung, Verzögerung oder Diskriminierung effizient lösen können – ob vor Gericht, bei der BNetzA oder über die Clearingstelle EEG | KWKG.
Im ersten Teil unserer insgesamt dreiteiligen Beitragsserie haben wir Ihnen einen praxisorientierten Überblick über die gesetzlichen Grundlagen des Netzanschluss- und Netzzugangsanspruchs vermittelt – auch mit Blick auf die Besonderheiten bei erneuerbaren Energien.
In Teil 2 der Reihe sind wir auf die Sicht der Netzbetreiber eingegangen und haben näher beleuchtet, wie Netzbetreiber ihre technischen und wirtschaftlichen Interessen angesichts ihrer Systemverantwortung und ihres regulatorischen Pflichtenprogramms absichern können.
In diesem finalen dritten Teil unserer Serie befassen wir uns mit den gerichtlichen und behördlichen Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Netzanschluss- und Netzzugangsanspruch.
Streitigkeiten wegen Ablehnung oder Verzögerung
Die §§ 17 und 20 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sichern Letztverbrauchern einen Anspruch auf Netzanschluss und Netzzugang. Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien können sich auf einen unverzüglichen und vorrangigen Anschlussanspruch nach § 8 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stützen.
Netzbetreiber können diesen Anspruch nur ausnahmsweise zurückweisen, wenn der Netzanschluss bzw. -zugang ihnen aus betrieblichen, wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Da die technischen und regulatorischen Begebenheiten für die Umsetzung des Netzanschlusses äußerst komplex sind, kommt es zudem oftmals zu Verzögerungen. Das betrifft insbesondere Fälle, in denen ein umfangreicher Netzausbau erforderlich ist, um große Offshore- und Onshore-Windparks, Photovoltaik- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Elektrolyseure, Stromspeicher oder dezentrale Versorgungskonzepte einzugliedern. Ablehnungen oder Verzögerungen können dabei erhebliche wirtschaftliche Folgen für Unternehmen haben.
In der Praxis streiten Letztverbraucher und Netzbetreiber dann regelmäßig über die Frage, ob die Ablehnung des Netzanschluss- oder Netzzugangsbegehrens gerechtfertigt war oder darüber, wer vor allen Dingen die wirtschaftliche Verantwortung für die Verzögerungen trägt. Diese Streitigkeiten können sowohl zivilgerichtlich als auch behördlich ausgefochten werden.
Behördliche Durchsetzung
§ 31 EnWG eröffnet Personen und Vereinigungen, deren Interessen durch das Verhalten eines Netzbetreibers erheblich berührt werden, die Möglichkeit, bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) bzw. der zuständigen Regulierungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes ein sogenanntes besonderes Missbrauchsverfahren einzuleiten. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verhaltens eines Netzbetreibers bestehen – etwa, wenn der Netzbetreiber den Anschluss oder Zugang unrechtmäßig verweigert, oder nur zu diskriminierenden oder ungerechtfertigten Netzentgelten zur Verfügung stellen will.
Antragsberechtigt sind nicht nur unmittelbar betroffene Unternehmen, sondern auch Verbraucherzentralen und andere geförderte Verbraucherverbände, sofern eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen ist.
Der Antrag muss folgende Angaben enthalten:
- Name, Anschrift und Unterschrift des Antragstellers,
- Firma und Sitz des betroffenen Netzbetreibers,
- Beschreibung des zu überprüfenden Verhaltens,
- konkrete Gründe für Zweifel an der Rechtmäßigkeit,
- Darlegung, wie der Antragsteller betroffen ist.
Unvollständige Anträge werden als unzulässig abgewiesen. Nach Eingang eines zulässigen Antrags prüft die Behörde, ob das Verhalten des Netzbetreibers mit den gesetzlichen Vorgaben und genehmigten Bedingungen übereinstimmt. Bei genehmigungspflichtigen Maßnahmen prüft sie zusätzlich, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Genehmigung vorliegen. Die Kosten einer möglicherweise erforderlichen Beweiserhebung können den Beteiligten nach billigem Ermessen auferlegt werden.
Die Entscheidung erfolgt grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags. Eine Verlängerung ist möglich, insbesondere bei komplexen Sachverhalten wie dem Anschluss großer Erzeugungs- oder Speicheranlagen. Über den Ausgang des Verfahrens werden die Beteiligten sodann schriftlich oder elektronisch informiert. Die Behörde kann insbesondere verbindliche Anordnungen treffen und den Netzbetreiber zur Herstellung des Anschlusses oder zur Gewährung des Zugangs verpflichten.
Das Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG ist somit ein effektives Instrument, um Streitigkeiten mit Netzbetreibern zu lösen. Das Verfahren ist außerdem häufig schneller und kostengünstiger als ein Gerichtsverfahren und bietet zudem den Vorteil, dass die Behörde über technisches und regulatorisches Know-how verfügt und branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen kann.
Gerichtliche Durchsetzung aus Sicht des Kunden
Daneben können Kunden ihre Rechte auf Netzanschluss und Netzzugang vor den ordentlichen Gerichten geltend machen. Je nach Sachlage kommen verschiedene Klagearten in Betracht:
So kann etwa eine Leistungsklage auf Herstellung des Netzanschlusses oder auf Gewährung des Netzzugangs erhoben werden. Bei besonderer Dringlichkeit, beispielsweise um wirtschaftliche Nachteile durch Verzögerungen zu vermeiden, ist auch der Weg über eine einstweilige Verfügung eröffnet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine Unterlassungsklage nach § 32 Abs. 1 EnWG zu erheben, wenn eine Beeinträchtigung bereits vorliegt oder droht, etwa im Fall wiederholter oder systematischer Diskriminierung beim Netzzugang. Auch rechtsfähige Verbände sind klagebefugt, was die kollektive Rechtsdurchsetzung stärkt.
Kommt es zu einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß des Netzbetreibers gegen die einschlägigen Vorschriften und erleidet der Kunde dadurch nachweislich einen wirtschaftlich Schaden, kann der Letztverbraucher zudem eine Schadensersatzklage erheben (so insbesondere nach § 32 Abs. 3 EnWG oder im Falle erneuerbarer Energien nach § 13 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)).
Im gerichtlichen Verfahren muss der Kunde die Anspruchsvoraussetzungen, also insbesondere die Antragstellung beim Netzbetreiber und die Anschlussfähigkeit der Anlage, darlegen. Die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Ablehnungsgründen – etwa technische Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit – liegt hingegen beim Netzbetreiber. Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (siehe etwa BGH, Beschluss vom 23.06.2009, Az. EnVR 48/08, Rn. 21, 24), verlangt hierbei eine substanziierte und einzelfallbezogene Begründung; pauschale Hinweise auf Kapazitätsprobleme oder Kosten reichen nicht aus.
Wird im behördlichen Verfahren ein Verstoß gegen bestimmte EnWG-Vorschriften festgestellt, ist diese Feststellung außerdem nach § 32 Abs. 4 EnWG für das Zivilgericht bindend, was die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen merklich erleichtern kann und abweichende Entscheidungen zu identischen Tatsachen- oder Rechtsfragen verhindert.
Typische Konfliktfelder in der Praxis ergeben sich vor allem aus nicht hinreichend begründeten oder lediglich pauschalen Ablehnungen, Streitigkeiten über die Angemessenheit von Bedingungen und Entgelten, verzögerter Antragsbearbeitung sowie aus gezielter Diskriminierung oder Behinderung von Wettbewerbern.
Clearingstelle EEG | KWKG: Schiedsgerichtliche Geltendmachung im Bereich erneuerbarer Energien
Ergänzend besteht nach dem EEG im Bereich erneuerbarer Energien die Möglichkeit, eine Clearingstelle anzurufen, die insbesondere im Rahmen eines schiedsgerichtlichen Verfahrens die Streitigkeiten zwischen Netz- und Anlagenbetreibern beilegen kann (§ 81 EEG).
Sie wird im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz von einer juristischen Person des Privatrechts betrieben (siehe Clearingstelle EEG | KWKG) und arbeitet eng mit den zuständigen Behörden zusammen, um eine einheitliche Rechtsanwendung und schnelle Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Die Clearingstelle befasst sich insbesondere mit Streitigkeiten rund um zentrale Vorschriften des EnWG und des EEG (z.B. Netzanschluss, Einspeisung, Messung, Direktvermarktung) sowie mit daraus resultierenden Zahlungsansprüchen. Sie kann sowohl zwischen einzelnen Parteien (z.B. Anlagenbetreiber, Netzbetreiber, Messstellenbetreiber) als auch zur Klärung grundsätzlicher Fragen tätig werden, wenn ein öffentliches Interesse besteht.
Die Clearingstelle bietet verschiedene Verfahren an:
- Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung (ZPO),
- sonstige Verfahren auf gemeinsamen Antrag der Parteien,
- Stellungnahmen für Gerichte,
- Grundsatzverfahren zur Klärung von Fragen mit Breitenwirkung (unentgeltlich).
Die Verfahren werden beschleunigt durchgeführt. Sie unterliegen außerdem eigenen Verfahrensvorschriften, die vom Bundesministerium genehmigt werden müssen. Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse, höchstrichterliche Rechtsprechung und Entscheidungen der Bundesnetzagentur sind zu beachten. Für die meisten Verfahren erhebt die Clearingstelle Entgelte zur Deckung ihres Aufwands; Grundsatzverfahren sind demgegenüber kostenfrei.
Die Möglichkeit der Parteien, ordentliche Gerichte anzurufen, bleibt grundsätzlich unberührt. Die Clearingstelle bietet aber daneben eine praxisnahe Möglichkeit, energierechtliche Konflikte besonders effizient und unter Einbindung von fachlicher Expertise zu lösen – dadurch können mitunter auch langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren vermieden werden.
Verteidigungsmöglichkeiten des Netzbetreibers
Für Netzbetreiber bestehen verschiedene Verteidigungsmöglichkeiten. Materiell-rechtlich können sie sich auf technische, wirtschaftliche oder betriebliche Unzumutbarkeit berufen, wobei die Anforderungen an die Begründung hoch sind, und eine einzelfallbezogene, nachvollziehbare und dokumentierte Argumentation verlangt wird. Die Ablehnung muss bereits außergerichtlich in Textform erfolgen und auf Verlangen detaillierte Informationen zu Ausbaumaßnahmen und deren Kosten enthalten.
Netzbetreiber können sich zudem darauf berufen, dass bestimmte Maßnahmen, wie etwa ein Netzausbau, nicht kurzfristig umsetzbar oder nicht durch die Entgeltregulierung gedeckt sind. Formell ist die Einhaltung der Verfahrensvorgaben von zentraler Bedeutung, insbesondere die fristgerechte und vollständige Begründung der Ablehnung sowie die unverzügliche Mitteilung an die Regulierungsbehörde. Eine sorgfältige Dokumentation aller technischen Prüfungen, Kostenkalkulationen und der Kommunikation mit dem Kunden ist unerlässlich, um im Streitfall die eigene Position zu untermauern.
Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, drohen dem Netzbetreiber nicht nur behördliche Anordnungen oder gerichtliche Verurteilungen zur Herstellung des Anschlusses oder zur Gewährung des Zugangs, sondern auch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 32 EnWG. Die Bindungswirkung behördlicher Feststellungen für spätere Gerichtsverfahren erhöht das Risiko zusätzlicher zivilrechtlicher Haftung. Hinzu kommen Reputationsrisiken und mögliche aufsichtsrechtliche Maßnahmen.
Fazit und Ausblick
Die Vielzahl an Durchsetzungswegen – von der zivilgerichtlichen Klage über das behördliche Verfahren bei der Bundesnetzagentur bis hin zu alternativen Streitbeilegungsmechanismen – verdeutlicht, wie anspruchsvoll die Durchsetzung von Ansprüchen und der Balanceakt zwischen Kundeninteressen und Netzbetreiberpflichten sein kann. Entscheidend für alle Beteiligten ist eine von Anfang an sorgfältige und substantiierte Dokumentation, ein möglichst kooperativer Dialog und Austausch und die frühzeitige Einbindung fachlicher Expertise. Nur so lassen sich langwierige und kostenintensive Auseinandersetzungen vermeiden und eine rechtssichere, faire Lösung im Sinne aller Marktakteure erreichen. Angesichts des stetig steigenden Drucks auf die Netzinfrastruktur wird die Bedeutung einer effizienten und rechtssicheren Streitbelegung immer weiter zunehmen. Wir stehen dabei gern von Anfang an unterstützend an Ihrer Seite.
Unsere Beitragsserie
In Teil 1 unserer dreiteiligen Beitragsserie vermitteln wir Unternehmen einen praxisorientierten Überblick über die gesetzlichen Grundlagen ihres Netzanschluss- und Netzzugangsanspruchs – auch mit Blick auf die Besonderheiten bei erneuerbaren Energien.
In Teil 2 gehen wir auf die Sicht der Netzbetreiber ein und beleuchten näher, wie Netzbetreiber ihre technischen und wirtschaftlichen Interessen angesichts ihrer Systemverantwortung und ihres regulatorischen Pflichtenprogramms absichern können.
In diesem Teil 3 haben wir uns sodann mit den gerichtlichen und behördlichen Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Netzanschluss- und Netzzugangsanspruch befasst.
Über uns
Die Sektorgruppe Energie und Infrastruktur bei Oppenhoff bündelt umfassendes Know-how in allen für die Energiebranche relevanten Rechtsgebieten. Neben dem Energiewirtschaftsrecht umfasst das interdisziplinäre Energieteam bei Oppenhoff Spezialisten aus den Bereichen Gesellschaftsrecht/M&A, Steuern, Finanzierung, Anlagenbau, Umwelt-, Planungs- und Genehmigungsrecht, Vergaberecht, Commercial, Kartellrecht, IT- und Datenschutzrecht und Prozessführung.
Das Team Prozessführung & Schiedsgerichtsverfahren bei Oppenhoff unterstützt bei der Vermeidung von Konflikten durch sorgfältige Vertragsgestaltungen und klare Definition von Rechten und Pflichten. Ist eine Auseinandersetzung unvermeidbar, vertritt das Team Ihre Interessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten – mit überzeugenden Argumenten und der individuell passenden Prozesstaktik. Das Team hat bereits mehrere Unternehmen erfolgreich gegen massenhafte Individualklagen verteidigt.
