Immobilienwirtschaftsrecht25.02.2020 Newsletter

Newsflash Immobilienrecht: Geplante Reform der Kündigungsmöglichkeiten bei Verletzung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember 2019 auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen beschlossen, einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht in den Bundestag einzubringen (BR-Drs. 469/19 (B)). Dieser Entwurf stößt bei der Bundesregierung auf Widerstand.
 

Hintergrund
Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er gemäß § 550 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Mietsache zulässig. Der Mietvertrag ist also weiterhin wirksam, das Mietverhältnis kann jedoch von jeder Vertragspartei ordentlich mit den gesetzlichen Fristen gekündigt werden, auch wenn der Mietvertrag nach dem Willen der Parteien eigentlich für eine längere Festlaufzeit geschlossen werden sollte. Diese Reglung gilt auch für das gewerbliche Mietrecht und hat dort auch weitaus größere Bedeutung als im Wohnraummietrecht, da sich der Mieter im Wohnraummietrecht ohnehin auf kurze Kündigungsfristen berufen kann. Mit der Regelung des § 550 BGB wollte der Gesetzgeber den Erwerber einer Immobilie schützen, der kraft Gesetzes in ein bestehendes Mietverhältnis eintritt (§ 566 BGB: Kauf bricht nicht Miete).

Gestaltungen mit dem Ziel, eine Kündigung auf Basis von Schriftformverstößen vertraglich auszuschließen, hat der BGH 2017 und 2018 gestoppt (Urteile vom 11.04.2018, Az. XII ZR 43/17 und vom 27.09.2017, Az. XII ZR 114/16). Durch solche sog. Schriftformheilungsklauseln verpflichteten sich die Vertragsparteien, sich nicht auf einen Schriftformmangel zu berufen, beziehungsweise einen eventuellen Schriftformmangel zu heilen. Der BGH führte zur Begründung der Unwirksamkeit dieser Schriftformheilungsklauseln aus, dass die gesetzliche Schriftform aber nicht nur den Erwerber einer Immobilie darin unterstützen wolle, einen umfänglichen Überblick über die bestehenden Mietverhältnisse rechtssicher zu erhalten, sondern der Schriftform auch eine Beweisfunktion bzgl. langfristig geltender Abreden zukomme.

Durch die Rechtsprechung des BGH zu der Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln sieht sich der Gesetzgeber nun zur Aktivität veranlasst.
 

Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 20. Dezember 2019
Der Bundesrat sieht eine Tendenz, dass Mietvertragsparteien gerade im Gewerbemietrecht bewusst nach einer etwaigen fehlenden Schriftformkonformität suchen, um sich von nicht mehr genehmen langfristigen Verträgen früher lösen zu können. Um dies zu unterbinden und zur Schaffung von Rechtssicherheit hat er am 20. Dezember 2019 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht vorgelegt.

Der Entwurf sieht vor, dass § 550 BGB gestrichen und durch einen neuen § 566 Abs. 3 BGB ersetzt wird. Fortan soll allein der Erwerber einer Immobilie berechtigt sein, bis zum Ablauf von drei Monaten ab Kenntnis von der nicht schriftformkonformen Abrede, das Mietverhältnis zu kündigen. Damit wird das Kündigungsrecht zeitlich beschränkt. Auch kann sich der Erwerber nicht mehr auf Schriftformverstöße beziehen, die nach dem Erwerb der Immobilie erfolgt sind.
Der Mieter soll dann (nur noch) das Recht erhalten, die Kündigung zu verhindern, indem er (i) der Kündigung binnen zwei Wochen seit ihrem Zugang widerspricht und (ii) sich mit der Fortsetzung des Mietvertrages zu den unter Wahrung der Schriftform getroffenen Vereinbarungen (d.h. ohne die schriftformwidrigen Änderungen) bereit erklärt.
Die vorgenannten Regelungen sollen grundsätzlich auch für Bestandsmietverträge gelten, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes geschlossen wurden. Dies gilt ausweislich der Entwurfsbegründung nur dann nicht, wenn die schriftformbasierte Kündigung eines Bestandsmietvertrages bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes zugegangen ist. In diesem Fall soll es bei der Kündigungsmöglichkeit nach derzeitigem Recht bleiben.
 

Stellungnahme der Bundesregierung
Am 05. Februar 2020 hat die Bundesregierung erklärt, sie unterstütze den derzeitigen Gesetzesentwurf nicht, obgleich sie ebenfalls das Bedürfnis nach einer Neuregelung sehe. Es bestehe das Anliegen im gewerblichen Mietrecht, die Laufzeit der Mietverträge durch Befristung verlässlich zu planen, welches der aktuelle Entwurf jedoch nicht angemessen abbilde. Die Kritikpunkte der Bundesregierung sind im Einzelnen:

  • Die geplante Änderung gelte trotz fehlendem Änderungsbedürfnis auch im Wohnraummietrecht.
     

  • Die Neuregelung sei nicht ausgewogen. Es werde allein das Recht des Mieters zur ordentlichen Kündigung abgeschafft. Der Erwerber erhalte hingegen ein Wahlrecht, ob er stillschweigend die formlose Vereinbarung fortführe oder er ordentlich kündigen wolle. Der Vermieter wiederum könne sich durch Veräußerung der Immobilie an einen Dritten und dadurch Schaffung eines gesetzlichen Kündigungsrechts von dem unliebsamen Mietvertrag lösen.
     
  • Die Aufweichung eines Schriftformerfordernisses führe zu einer Aushöhlung der Beweis- und Warnfunktion zulasten der schwächeren Seite in einem Rechtsstreit.
     

Wie geht es weiter?
Die Bundesregierung hält ausdrücklich fest, dass sie den derzeitigen Gesetzesentwurf nicht für geeignet hält, dem Änderungsbedarf hinreichend nachzukommen, es aber gleichwohl ein Bedürfnis nach Rechtssicherheit für die Mietvertragsparteien gebe. Es bleibt daher abzuwarten, welche Alternativen präsentiert werden. Fest steht, dass die aktuelle Kündigungsregelung bei einer Schriftformverletzung nicht unverändert bestehen bleiben wird.
 

Praxistipp: Den Vertragsparteien ist zu raten, auch weiterhin darauf achten, dass der Abschluss und die Änderungen eines Mietvertrages den derzeit geltenden Schriftformerfordernissen genügen. Dies ist schon – und ggfs. zukünftig nicht nur aus Mietersicht – aus Beweisgründen jeder mündlichen Absprache vorzuziehen. Die politische Tendenz, das Schriftformerfordernis und die damit eröffnete Möglichkeit der frühzeitigen Kündigung von befristeten Mietverträgen deutlich zu ändern, ist bei der weiteren Mietvertragsgestaltung – sei es bei einem Neuabschluss oder bei anstehenden Verlängerungsverhandlungen – zu beachten.

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