Datenschutz | 28.01.2021

Ins Netz gegangen – Kundenakquise mal anders: Lauterkeitsrechtliche Aspekte des Geofencings


Smartphones dienen nicht nur als multimediale Kommunikationsplattform, sondern sind dank einer schier endlosen Auswahl von praktischen Apps zum unverzichtbaren Alltagsbegleiter, gar „Berater“ für alle Fragen des täglichen Lebens geworden. Viele dieser Apps greifen – bei entsprechender Einstellung – auf den jeweiligen Standort des Nutzers zu, um Geschäfte, Restaurants oder Sonderangebote in unmittelbarer Nähe anzuzeigen. Kein Wunder, dass der stationäre Handel genau dort ansetzt und dazu übergeht, potenzielle Kunden über ihr Endgerät mit ortsbezogener Werbung zu versorgen. Besonders attraktiv erscheint in diesem Zusammenhang das sogenannte Geofencing. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Geofencing lauterkeitsrechtlich zulässig ist und was es zu beachten gilt.    

Marketing ist dann besonders effektiv, wenn es alle Umstände mit einbezieht, insbesondere im Umfeld mobiler Anwendungen oder am Point of Sale. Durch Geofencing werden potenzielle Kunden zielgerichtet angesprochen und dort aktiviert, wo sie sich gerade aufhalten. Da der Standort dieser potenziellen Kunden heutzutage sehr genau über Smartphones ermittelt werden kann, können Unternehmen sie in unmittelbarer Nähe zu deren Verkaufsstätte kontaktieren. Man spricht von sog. „Location Based Services“ („standortbezogene Dienste”), wozu auch der Einsatz von Geofencing-Methoden zählt. Der Begriff des Geofencings fasst solche Angebote zusammen, die automatisierte Ereignisse, wie beispielsweise das Versenden von Push-Mitteilungen oder SMS auf Smartphones, dadurch auslösen, dass eine Person einen zuvor virtuell abgesteckten Bereich betritt. Das kann z. B. ein Umkreis von 30 Meter um jede Filiale eines bestimmten Unternehmens sein. Wenn Personen diese Geofencing-Zone betreten, werden sie via GPS-Ortung oder Funkzellenabfrage erkannt und erhalten automatisch eine Nachricht auf ihr Smartphone, die ortsrelevante Informationen, z. B. Werbung für das Unternehmen, enthält. Durch die Kontaktaufnahme zu potenziellen Kunden im Nahbereich des eigenen Verkaufsortes können Kunden auf Sonderangebote, Rabattaktionen oder Events am Point of Sale hingewiesen und durch diese Anreize zum Kauf motiviert werden.  

Geofencing-Zonen sind beliebig wählbar. So ist es technisch nicht nur möglich, Anreize für Kunden zum Betreten des eigenen Ladenlokals zu setzen, sondern auch potenzielle Kunden der Konkurrenz „anzusprechen“. Aus Marketingsicht ist es daher durchaus geschickt, eine Geofencing-Zone vor dem Verkaufsort eines Konkurrenten einzurichten und so einen potenziellen Kunden, der sich vor oder bereits auf dem Gebiet des fremden Ladenlokals befindet, zielgerichtet zu kontaktieren und ihm einen besonders attraktiven Rabattgutschein via Push-Mitteilung oder SMS auf das Smartphone zu schicken.

Unlautere Behinderung eines Mitbewerbers

Genau hier wird es lauterkeitsrechtlich interessant: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt nicht nur Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken. Auch Unternehmen müssen sich an bestimmte Verhaltensregeln halten, die vor allem in § 4 UWG festgehalten sind. So bestimmt § 4 Abs. 4 UWG, dass sich Mitbewerber untereinander nicht unlauter behindern dürfen.

Ob und inwieweit solche Marketingkampagnen mittels Geofencing unter dem Gesichtspunkt einer gezielten Behinderung von Mitbewerbern gemäß § 4 Nr. 4 UWG unlauter sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Grundsätzlich gilt, dass ein Mitbewerber kein Recht auf die Erhaltung seines Kundenstammes oder auf den Fortbestand von Vertragsverhältnissen hat. Der Kundenkreis ist kein geschütztes Rechtsgut. Vielmehr ist das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen von Kunden, selbst wenn es zielgerichtet und systematisch erfolgt, Kern der freien Marktwirtschaft und liegt im Wesen des Wettbewerbs. Dies gilt insbesondere, wenn es sich nur um potenzielle Kunden eines Mitbewerbers handelt.

Die unlautere Behinderung eines Mitbewerbers setzt daher eine Beeinträchtigung von dessen wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter wird das Eindringen in einen fremden Kundenkreis (man spricht vom „Abfangen“ und „Abwerben“ eines Kunden) erst, wenn der Werbende gegenüber dem potenziellen Kunden oder gegenüber seinem Konkurrenten ein besonders unangemessenes (unfaires) Verhalten an den Tag legt.

Abfangen von Kunden

Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn auf potenzielle Kunden in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob der Werbende sich gewissermaßen zwischen den Kaufinteressenten und den Mitbewerber schiebt, um ihm eine Änderung seines Kaufentschlusses aufzudrängen. Der Begriff des Kaufentschlusses ist dabei im Sinne einer geschäftlichen Entscheidung zu verstehen, die auch vorgelagerte Entscheidungen, z. B. das Aufsuchen und Betreten eines Geschäftslokals, erfasst. Ob eine unangemessene Einwirkung vorliegt, hängt von den eingesetzten Mitteln und der typischen Reaktion der Kunden ab. Dabei ist immer auf die Gesamtumstände und den Einzelfall abzustellen.

Unangemessenheit liegt jedenfalls – aber nicht nur – dann vor, wenn der Kunde unzumutbar belästigt, unter Druck gesetzt oder sonst aggressiv beeinflusst oder irregeführt wird, oder wenn die Maßnahmen primär auf die Verdrängung des Mitbewerbers abzielen. Dagegen reicht es nicht aus, dass sich die Maßnahmen auf den Absatz des Mitbewerbers nachteilig auswirken können.

Das Verschicken von Werbung auf die Smartphones potenzieller Kunden, die sich in unmittelbarer Nähe zum Geschäftslokal eines Mitbewerbers aufhalten, geht nicht zwangsläufig mit einer unangemessenen Einwirkung einher. Nach unserer Ansicht sind entsprechende Werbestrategien jedenfalls dann wettbewerbskonform, wenn sich die Maßnahmen darauf beschränken, dem potenziellen Kunden eine Information über andere Kaufmöglichkeiten zu geben; mögen sie ihn auch zu einem Vergleich der Angebote und zur Änderung seines Kaufentschlusses veranlassen. Soweit in diesem Zusammenhang kleine Kaufanreize gesetzt werden, etwa durch offerierte Rabatte oder sonstige Vergünstigungen, kann darin noch keine aggressive Beeinflussung oder Unterdrucksetzung gesehen werden. Im Gegenteil: derartige Werbemaßnahmen dürften vielmehr im Interesse des Kunden liegen, weil ihm damit eine Wahl- und Vergleichsmöglichkeit aufgezeigt wird. Aggressive Formulierungen sollten jedoch vermieden werden. Das betrifft insbesondere solche Formulierungen, die ein Produkt oder eine Rabattaktion durch Anpreisungen vermarkten, die massive Überzeugungsarbeit leisten und mit großem Druck vorpreschen.

Abwerben von Kunden

Im Gegensatz zum Abfangen von Kunden geht es beim Abwerben darum, Kunden zur Beendigung eines Vertragsverhältnisses oder einer Geschäftsverbindung zu veranlassen. Der Kunde steht mit dem beeinträchtigten Unternehmen also bereits in vertraglicher Beziehung oder war zumindest fest zum Abschluss entschlossen. Zu den besonderen Umständen, die das Abwerben von Kunden für sich allein oder in der Gesamtschau als unlauter erscheinen lassen, kann der Einsatz unlauterer Mittel und Methoden zählen. Dabei ist eine Gesamtwürdigung des Verhaltens unter Berücksichtigung von Inhalt, Zweck und Beweggrund sowie der Begleitumstände vorzunehmen. Zu den Methoden die eine Unlauterkeit begründen können, gehören: unlauteres Anlocken, Verleitung zum Vertragsbruch, Überrumpelung und Nötigung.

Die Grenze zur Unlauterkeit des Anlockens und damit zugleich zur gezielten Mitbewerberbehinderung wird erst überschritten, wenn das Angebot so gestaltet ist, dass der durchschnittliche Kunde dadurch in seiner Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung spürbar beeinträchtigt wird, etwa wenn die Werbekampagne irreführende Inhalte aufweist – durch inhaltlich unrichtige Informationen über eigene Angebote – oder den Kunden unter Druck setzt, überrumpelt oder gar nötigt.

Je nach Ausgestaltung der Werbekampagne kann auch das gezielte Hinwirken (Verleiten) zum Vertragsbruch mittels entsprechender Werbenachricht eine Unlauterkeit begründen. Das setzt voraus, dass der Abwerbende die Bindung des Kunden kennt und die Initiative zum Vertragsbruch ergreift. Entsprechend wäre eine Kampagne als unlauter zu bewerten, im Zuge derer Kunden eines Konkurrenten nach Verlassen des Geschäftes kontaktiert werden und ihnen ein Vorteil für die Retournierung der gerade gekauften Ware versprochen wird. Daher ist insbesondere bei der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der Werbekampagne Vorsicht walten zu lassen. Aggressive Formulierungen sollten ebenso vermieden werden wie Herabsetzungen des Konkurrenten.  

Fazit

Maßnahmen, die dem Anlocken von Kunden dienen, sind nicht schon deshalb als unlauter anzusehen, weil sie sich auf den Absatz des Mitbewerbers nachteilig auswirken können. Sie werden es erst dann, wenn sie auf die Verdrängung des Mitbewerbers abzielen, den Kunden unzumutbar belästigen oder unangemessen unsachlich beeinflussen. Sofern Unternehmen – neben den datenschutzrechtlichen – die lauterkeitsrechtlichen Grenzen beachten, ist eine rechtskonforme Nutzung von Geofencing-Zonen in der räumlichen Nähe von Mitbewerbern und der Einsatz damit zusammenhängender Marketingstrategien durchaus erlaubt. Letztlich wird es bei der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit aber wie so oft auf den Einzelfall, insbesondere die Art und Weise der Kunden-Ansprache und deren Inhalt, ankommen. Um nicht Gefahr zu laufen, von Mitbewerbern abgemahnt zu werden, ist es für Unternehmen jedenfalls ratsam, geplante Werbekampagnen zuvor einer umfassenden rechtlichen Prüfung zu unterziehen.

Wir beraten Sie bei Bedarf gerne.

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