Nachfolge, Vermögen, Stiftungen25.08.2020 Newsletter

Gemeinnützige Organisationen: BFH entscheidet endlich über Angemessenheit von Geschäftsführer-Gehältern

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung (Az. V R 5/17) mit der Angemessenheit von Vergütungen für Geschäftsführungsorgane bei gemeinnützigen Organisationen beschäftigt. Erfreulicherweise hat er dabei der bis dato von der Finanzverwaltung vertretenen restriktiven Sichtweise Einhalt geboten. Die Kernaussage des BFH hierbei: Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung gelten für die Prüfung der Angemessenheit von Geschäftsführergehältern bei gemeinnützigen Organisationen keine Besonderheiten.

Problemstellung

Bereits seit Jahren erweist sich die Frage nach der Angemessenheit von Vergütungen der Geschäftsführungsorgane als eines der klassischen Aufgriffsthemen der Finanzverwaltung im Hinblick auf die Aktivitäten steuerbegünstigter Rechtsträger.

Oftmals vertritt die Finanzverwaltung den Standpunkt, die Angemessenheit der Vergütung sei hierbei anders zu bemessen, als dies im nicht gemeinnützigen („werbenden“) Umfeld geschieht. Die Vergütung dürfe sich daher allenfalls im Mittelfeld der marktüblichen Bandbreite bewegen, besser noch am unteren Rande. Hilfsweise wird zudem gerne das Argument vorgebracht, das gezahlte Gehalt sei zwar der Qualifikation der Personalie angemessen, jedoch sei nicht nachgewiesen worden, dass es einer derart qualifizierten Person bedürfe. Demzufolge besteht im dritten Sektor eine latente Verunsicherung, was die Vergütungsstrukturen und die vermeintlich zulässige Vergütungshöhe anbelangt.

Ein (objektiv) unangemessenes Gehalt wäre als Mittelfehlverwendung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO anzusehen, womit sich (unter Umständen erhebliche) Risiken für den Status der Steuerbegünstigung der Körperschaft ergeben könnten.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs

In dem der Entscheidung des BFH zugrundeliegenden Fall hatte die Finanzverwaltung einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) wegen unangemessen hoher Geschäftsführerbezüge die Gemeinnützigkeit für mehrere abgelaufene Wirtschaftsjahre versagt. Das Finanzgericht hatte die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom BFH im Wesentlichen bestätigt, jedoch nicht ohne zugleich verschiedene praxisrelevante Aussagen zu treffen:

Nach Auffassung des BFH ist durch einen Fremdvergleich zu ermitteln, ob im Einzelfall unverhältnismäßig hohe Vergütungen gezahlt wurden. Als Ausgangspunkt für diesen Fremdvergleich können die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung, insbesondere allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen für Wirtschaftsunternehmen, herangezogen werden. Hierbei bestehen keine Besonderheiten bei steuerbegünstigten Organisationen, insbesondere muss kein Abschlag o.ä. vorgenommen werden, wonach ein Geschäftsführungsorgan weniger verdienen darf als in einem „Wirtschaftsunternehmen“.

Dies begründete der BFH zu Recht unter anderem damit, dass es keinen speziellen Arbeitsmarkt für Beschäftigte bei gemeinnützigen Organisationen gibt und diese daher auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit gewerblichen Unternehmen um geeignete Mitarbeiter konkurrieren.

Der BFH führte zudem aus, dass nicht nur ein bestimmtes Gehalt als „angemessen“ angesehen werden kann, sondern der Bereich des Angemessenen sich auf eine gewisse Bandbreite erstreckt. Liegen die Bezüge oberhalb dieser Bandbreite, können sie unangemessen seien. Im Hinblick auf die statistischen Werte von Gehaltsstudien stellte er fest, dass in Bezug auf die dort ausgewiesenen Vergütungen typischerweise der Medianwert (50% der Befragungsergebnisse liegen darüber, 50% liegen darunter) als Bezugsgrenze anzuwenden ist. In spezifischen Konstellationen ist jedoch sogar der Betrag des oberen Quartils (rechnerischer Wert, bei dem 25% der Befragungsergebnisse über, der Rest unter diesem Wert liegen) maßgebend. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die betreffende Organisation zur Spitzengruppe gehört, beispielsweise nach Umsätzen oder Gewinnen.

Zugleich stellte der BFH fest, dass nicht jede Überschreitung der Bandbreite stets unangemessen ist. Hierzu bedarf es – wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung auch – eines krassen Missverhältnisses mit Blick auf die Gesamtvergütung. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Angemessenheitsgrenze um mehr als 20% überschritten wird.

Zu guter Letzt bezog der BFH noch zu einem in der Fachliteratur bereits seit längerem diskutierten Aspekt Stellung: eine geringfügige Mittelfehlverwendung kann, unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprinzips, einen Entzug der Gemeinnützigkeit erst dann rechtfertigen, wenn es sich nicht mehr lediglich um einen geringfügigen Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot handelt.

Praxisfolgen der Entscheidung

Aus Sicht des dritten Sektors ist das Urteil des BFH von weitreichender Bedeutung. Die darin aufgestellten Grundsätze sind zu begrüßen. So werden zunächst viele der offenen Punkte in Bezug auf die Vergütung von Geschäftsführungsorganen klargestellt. Ferner lassen sich die Rechtsprechungsgrundsätze auch auf die sonstigen Vertragsverhältnisse (bspw. Miet-, Pacht-, Darlehensverträge usw.) steuerbegünstigter Organisationen übertragen. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Finanzverwaltung sich den vorgenannten Punkten, bzw. der Entscheidung als solcher, anschließt.

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Dr. Axel Wenzel<br/>LL.M. (Norwich)

Dr. Axel Wenzel
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