Arbeitsrecht / Steuerrecht / Gesellschaftsrecht20.11.2023 Newsletter

Neue Investitionen braucht das Land - Was bringt das Zukunftsfinanzierungsgesetz?

In einer Welt, die von neuen Herausforderungen geprägt ist, steht Deutschland vor der Aufgabe, im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein attraktiver Kapitalmarkt ist dabei ein wesentlicher Faktor, um Investitionen in innovative Entwicklungen und technologischen Fortschritt zu erleichtern. Der Zugang zum Kapitalmarkt soll daher insbesondere für Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen (sog. KMU) vereinfacht werden. Zudem sollen Unternehmen im Wettbewerb um internationale Fachkräfte von neuen steuerrechtlichen Regeln für die Mitarbeiterbeteiligung profitieren. Der Bundestag hat hierfür am vergangenen Freitag den Gesetzentwurf zur „Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen“ (sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz - ZuFinG) beschlossen. Welche Neuerungen und Chancen das Zukunftsfinanzierungsgesetz bringt, erklären Alexandra Groth, Hanjo Prondzinski und Robert Fischer-Sonnberg:

Änderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz umfasst eine Reihe von Neuerungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht, die die Rechtsform der Aktiengesellschaft (AG) für Start-ups und KMUs attraktiver machen sowie Börsengänge erleichtern sollen.

Zu diesen zählen insbesondere:

  • Wiedereinführung von Aktien mit Mehrstimmrechten: Mit Mehrstimmrechtsaktien kann auch im Falle eines Einstiegs eines Investors oder eines Börsengangs dauerhaft der Einfluss der Gesellschafter gesichert werden. Die Eigenkapitalfinanzierung kann so von einem Einflussverlust der Gesellschafter abgekoppelt werden. Losgelöst von der Finanzierung sind Mehrstimmrechtsaktien auch bei der Unternehmensnachfolge als Option in den Blick zu nehmen, da sie einen abgestuften Einfluss zwischen den Generationen ermöglichen.
  • Vereinfachung von Kapitalerhöhungen: Die Rahmenbedingungen für die Eigenkapitalaufnahme werden verbessert, indem Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital durch eine Anhebung der Schwellenwerte für einen vereinfachten Bezugsrechtsausschluss flexibler werden. Ferner werden Einschränkungen beim bedingten Kapital in Bezug auf Unternehmenszusammenschlüsse und für Bezugsrechte von Mitarbeitenden und Mitgliedern der Geschäftsführung gelockert. Ebenso wird der Rechtsschutz bei bestimmten Kapitalmaßnahmen modernisiert.
  • Erleichterung von Börsengängen: Mit der Senkung der Mindestmarktkapitalisierung für Börsengänge sowie dem Einsatz von Börsenmantelaktiengesellschaften (sog. SPACS) wird der Gang an die Börse auch für junge bzw. kleinere Unternehmen leichter möglich.


Beteiligung von Mitarbeitenden am Eigenkapital des Unternehmens

Gerade in einem Marktumfeld, in dem qualifizierte Fachkräfte händeringend gesucht werden, sind echte Mitarbeiterbeteiligungen für KMU und Start-ups ein wichtiges Instrument, qualifizierte Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen oder vorhandene Mitarbeitende zu incentivieren. Echte Mitarbeiterbeteiligungen fördern die Identifikation mit dem Unternehmen und bieten einen Anreiz, den Unternehmenserfolg aktiv mitzugestalten.

Allerdings bleiben die steuerlichen Bedingungen für echte Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland bislang hinter den Erwartungen zurück. Kritisiert wird, dass Mitarbeitende im internationalen Vergleich in Deutschland wesentlich höheren steuerlichen Belastungen ausgesetzt seien und dies negative Auswirkungen auf die Standortwahl von Unternehmen und Fachkräften habe.

Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird, ist die sog. Dry-Income-Problematik: die Besteuerung des Vorteils aus dem verbilligten oder unentgeltlichen Erwerb der echten Mitarbeiterbeteiligung, ohne dafür Liquidität zu erhalten.

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz zielt nun darauf ab, die Unternehmen durch Verbesserung der Mitarbeitergewinnung und -bindung zu fördern und die steuerlichen Belastungen für Mitarbeitende zu entschärfen.

Vorgesehen ist:

  • Erhöhung des Freibetrages: Der Steuerfreibetrag für Mitarbeiterbeteiligungen soll von derzeit EUR 1.440,00 auf EUR 2.000,00 angehoben werden. Ein Erwerb durch Entgeltumwandlungsmodelle soll möglich sein.
  • Besteuerungsaufschub nach § 19a EStG: Mit dem Fondsstandortgesetz wurde ab 2021 ein Besteuerungsaufschub für die Vorteile aus der verbilligten oder unentgeltlichen Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen eingeführt. Diese Regelungen sollen nunmehr ausgeweitet werden.

    Unter anderem ist eine Erhöhung der bisherigen Schwellenwerte für KMU und Start-ups vorgesehen. Künftig sollen Unternehmen profitieren können, deren Gründung nicht mehr als zwanzig Jahre zurückliegt, die nicht mehr als 1.000 Mitarbeitende beschäftigen sowie einen Jahresumsatz von weniger als 100 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von nicht mehr als 86 Millionen Euro haben. Eine Begünstigung nach § 19a EStG ist möglich, wenn diese Schwellenwerte im Ausgabezeitpunkt oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre nicht überschritten werden. Klargestellt wird außerdem, dass für die Ermittlung der Schwellenwerte ausschließlich auf das Unternehmen des Arbeitgebers abgestellt wird.

    Der Anwendungsbereich von § 19a EStG soll nun auch für vinkulierte Anteile anwendbar sein. Hierbei handelt es sich um eine in der Praxis weit verbreitete Vereinbarung, um Veränderungen im Gesellschafterbestand einzuschränken.

    Neben der Ausgabe von Beteiligungen durch den Arbeitgeber sollen zudem Beteiligungen begünstigt sein, die von den Gesellschaftern des Arbeitgeberunternehmens ausgegeben werden. Anders als in den Entwürfen des bisherigen Verfahrens, ist die Konzernklausel, nach der auch die Ausgabe von Beteiligungen an verbundenen Unternehmen begünstigt werden sollte, in der beschlossenen Gesetzesfassung nicht mehr enthalten. Der Anwendungsbereich bleibt damit zunächst auf Beteiligungen an dem Unternehmen des Arbeitgebers beschränkt.

    Unter diesen Voraussetzungen soll die Besteuerung des geldwerten Vorteils von bisher zwölf Jahren auf 15 Jahre aufgeschoben werden können. Dies gilt aber nur, wenn die Beteiligung nicht zuvor veräußert oder das Anstellungsverhältnis beendet worden ist. Erklärt der Arbeitgeber für die einzubehaltenden Lohnsteuerbeträge zu haften, kommt sogar ein Besteuerungsaufschub bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung in Betracht.

    Nicht vorgesehen ist eine Begünstigung für die in der Praxis gängigen virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen, bei denen den Mitarbeitenden ein schuldrechtlicher Vergütungsanspruch, ähnlich einem variablen Bonus, eingeräumt wird. Andererseits wird die Dry-Income-Problematik hier auch umgangen: Die Besteuerung erfolgt erst mit Zufluss der Vergütung. Zu diesem Zeitpunkt verfügt der Mitarbeitende über die erforderliche Liquidität, sodass es eines Besteuerungsaufschubes nicht bedarf.


Keine Verbesserungen der sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen

Trotz der überarbeiteten steuerlichen Rahmenbedingungen ist bislang nicht vorgesehen, den Besteuerungsaufschub nach § 19a EStG auch auf Sozialversicherungsbeiträge auszuweiten. Entsprechend sind die Vorteile aus der Gewährung einer Mitarbeiterbeteiligung zum Zeitpunkt der Ausübung sozialversicherungspflichtig, sodass es hier bei der Dry-Income-Problematik bleibt. Sozialversicherungsbeiträge fallen regelmäßig jedoch nur an, wenn die begünstigten Mitarbeitenden die relevanten Beitragsbemessungsgrenzen nicht ohnehin schon mit ihrem regulären Gehalt überschreiten.

Fazit

Der Bundestag hat das Gesetz am vergangenen Freitag verabschiedet, damit es noch rechtzeitig bis zum Ende des Jahres mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten kann. Die Änderungen sollen zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Die Neuregelungen sind ein wichtiger Schritt zur Stärkung von Start-ups und KMU und zur Verbesserung des Finanzstandortes Deutschland insgesamt. Auch ermöglicht das Gesetz deutliche Erleichterungen, qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und unter für sie verbesserten Rahmenbedingungen langfristig an das Unternehmen zu binden. Dennoch verbleibt mit Blick auf die Bewertung der ausgegebenen Anteile oder die sozialversicherungsrechtlichen Folgen weiterer Handlungsbedarf.

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Alexandra Groth

Alexandra Groth

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