13.10.2019Köln Newsletter

Newsletter: Weltweite Reaktionen auf türkische Militäroffensive in Syrien

Die Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien hat sich in der jüngeren Vergangenheit zu einem Krisenherd entwickelt. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Offensive türkischer Truppen in Nord-Syrien am 9. Oktober 2019.

Die USA haben als Reaktion auf die Militärinitiative am 14. Oktober 2019 eine Executive Order (EO) erlassen, welche das Eigentum von zwei türkischen Ministerien sowie drei türkischen Ministern, welches sich in den Vereinigten Staaten befindet oder in den Besitz oder die Kontrolle einer US-Person gelangt, blockiert. US-Persons dürfen daher keinerlei Transaktionen in Bezug auf dieses Eigentum mehr vornehmen.

Die sanktionierten Ministerien und Minister sind:

  • das türkische Verteidigungsministerium,
  • das türkische Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen,
  • der türkische Verteidigungsminister (Hulusi Akar),
  • der türkische Minister für Energie und natürliche Ressourcen (Fatih Dönmez) und
  • der türkische Innenminister (Süleyman Soylu).

Die EO sieht auch vor, dass Foreign Persons, also z. B. deutsche Unternehmen, die mit den entsprechenden Ministerien oder Ministern Geschäfte machen, durch die USA sanktioniert werden können. Durch die EO haben die USA also sog. Secondary Sanctions erlassen, die sich auf Transaktionen ohne US-Verbindung (Nexus) beziehen. Sie zielen darauf ab non-US-Persons Transaktionen mit den genannten Ministern oder Ministerien zu verbieten, selbst wenn diese Transaktionen keinerlei US-Bezug haben. Dies betrifft insbesondere technologische oder finanzielle Unterstützung, sowie die Lieferung von Gütern. Auch Personen, die die Einstellung des militärischen Vorgehens und damit eine politische Lösung in Syrien be- oder verhindern, sind durch die EO US-Sanktionen ausgesetzt.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass diese Sanktionen deutsche Unternehmen nur wenig betreffen. Die wenigsten Unternehmen tätigen wohl Geschäfte mit den betroffenen türkischen Ministern oder versuchen gar, die politische Lösung des Militärkonflikts zu behindern. Allerdings betreffen diese Sanktionen auch Exporte deutscher Unternehmen an staatliche oder staatlich geförderte Projekte in der Türkei. In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch Einrichtungen für die Nutzung erneuerbarer Energien, sowie für geplante und betriebene Atomkraftanlagen in der Türkei betroffen. Auch Exporte von Rüstungsgütern für staatliche Zwecke in der Türkei wären Gegenstand dieser Sanktionen.

Bei Verstößen gegen die Sanktionen drohen auch deutschen Unternehmen z. T. sehr schwerwiegende Konsequenzen. Das Unternehmen selbst könnte von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt werden, so dass keine andere US-Person (und – wie die Erfahrung zeigt – auch keine Person innerhalb der EU) Geschäftsbeziehungen mit diesem Unternehmen eingehen oder fortführen würde. Darüber hinaus können in einigen Fällen direkte Durchsetzungsmaßnahmen gegen Niederlassungen, Tochtergesellschaften oder Einzelpersonen in den USA ergriffen werden.

Die Reaktionen in der EU sind deutlich moderater und fokussieren sich auf den Rüstungsbereich: Die EU hat zunächst die Möglichkeit erörtert, ein formelles Waffenembargo gegen die Türkei zu erlassen. In der Ratssitzung der EU vom 14. Oktober 2019 haben sich die Mitgliedsstaaten letztlich aber nicht auf solch ein generelles Waffenembargo einigen können. Sie nahmen stattdessen Schlussforderungen an, in denen sie die Militäraktion verurteilten, und verpflichteten sich auf der Grundlage der Bestimmungen des gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP über die Waffenausfuhrkontrolle zu entschiedenen nationalen Standpunkten in Bezug auf Rüstungsexporte in die Türkei:

„Alle Mitgliedstaaten haben sich eindeutig dazu verpflichtet, auf der Grundlage der Bestimmungen des gemeinsamen Standpunktes über die Waffenausfuhrkontrolle entschiedene nationale Standpunkte in Bezug auf ihre Politik, der Rüstungsausfuhren in die Türkei einzunehmen. Dies bedeutet, dass es zu einem Ausfuhrstopp kommt. Dieser Mechanismus ermöglicht eine sofortige Beschlussfassung, die auf nationaler Ebene erfolgt und auf europäischer Ebene koordiniert werden kann.“
Frederica Mogherini, Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik

Die EU setzt also auf nationale Lösungen.

Ein formelles Waffenembargo im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Dual-Use Verordnung hätte im Vergleich zu dieser Entscheidung zu deutlich weitreichenderen Einschränkungen geführt: Ist gegen das Käufer- oder Bestimmungsland ein Waffenembargo im Sinne dieser Vorschrift verhängt, so greifen die sog. Catch-all Kontrollen, die sämtliche Arten von Gütern erfassen (nicht nur gelistete Waren), wenn diese Güter für eine militärische Endverwendung bestimmt sind oder bestimmt sein können.

Nun obliegt es also den einzelnen Mitgliedsstaaten, eine angemessene Entscheidung zu treffen:
In der deutsch-französischen Erklärung von Toulouse vom 16. Oktober 2019 haben Deutschland und Frankreich ausdrücklich die gegenwärtigen türkischen militärischen Aktivitäten in Syrien verurteilt und die Türkei zur Abkehr von ihrem Kurs aufgerufen. Eine ausdrückliche Einstellung aller Rüstungsexporte in die Türkei haben sie dort jedoch nicht erklärt.

Die deutsche Bundesregierung erklärte in einer Regierungspressekonferenz vom 14. Oktober 2019, dass die Bundesregierung keine neuen Genehmigungen für Rüstungsgüter, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten, erteilen wird. Weiter heißt es:

„Es gilt weiter, dass wir eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik betreiben.“

Diese Aussagen der Bundesregierung deuten darauf hin, dass es nicht zu einer generellen Untersagung jeglicher Rüstungsexporte in die Türkei kommen wird. Es ist aber sicher, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bzw. das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie nun Genehmigungsanträge für Export von Rüstungsgütern in die Türkei genauer prüfen wird. Ähnlich, wie auch der offizielle Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien, wird sich dies wohl auf die Geschäfte der deutschen Rüstungsindustrie auswirken, für die die Türkei ein umsatzstarker Kunde ist.

 

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Update 24.10.2019: US-Präsident Donald Trump hat die Sanktionen im Syrien-Konflikt wieder zurückgezogen: zum Update

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Stephan Müller

Stephan Müller

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