Arbeitsrecht24.03.2020 Newsletter

Auswirkungen des Coronavirus – Updates Arbeitsrecht

(Stand: 24. März 2020)

Das Coronavirus hat für viele Unternehmen und Betriebe massive Auswirkungen. Nahezu jeder Tag wirft weitere Fragen auf und der Gesetzgeber versucht, die Wirtschaft zu stützen. Auf folgende aktuelle Entwicklungen möchten wir aufmerksam machen:
 

1. Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit

Nachdem Gesetzgeber bereits am 13.03.2020 mit dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld die gesetzlichen Grundlagen geschaffen hat, um das Kurzarbeitergeld anzupassen, hat das Bundeskabinett am 23.03.2020 die maßgebliche Verordnung verabschiedet. Die wichtigsten Eckpunkte sind:

  • Es reicht, wenn 10 Prozent der Beschäftigten eines Betriebes von Arbeitsausfall betroffen sind, damit ein Unternehmen Kurzarbeit beantragen kann.
  • Sozialversicherungsbeiträge werden bei Kurzarbeit von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet.
  • In Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, wird auf den Aufbau negativer Arbeitszeitkonten verzichtet.
  • Kurzarbeitergeld ist auch für Beschäftigte in Zeitarbeit möglich.
  • Die Regelung gilt für den Antragszeitraum ab 01.03.2020.

Die Veröffentlichung der Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit im Bundesgesetzblatt erfolgt kurzfristig.
 

2. Beschlussfassungen von Betriebsräten – Ministererklärung Hubertus Heil

Für Unternehmen ist in der aktuellen Situation die Beschlussfähigkeit von Gremien mehr denn je im Fokus, um mitbestimmungsrechtliche Fragestellungen (u. a. Kurzarbeit, Betriebsferien) umzusetzen. Die derzeitige Situation verhindert oft das Zusammenkommen des Gremiums.

Am 23.03.2020 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Ministererklärung von Hubertus Heil vom 20.03.2020 veröffentlicht. Nach dieser seien in der aktuellen Lage im Ausnahmefall Betriebsratssitzungen per Videokonferenz oder Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen wie WebEx-Meetings oder Skype zulässig. Vom BMAS wird dieses als zulässig erachtet, um in der aktuellen Lage die Beschlussfähigkeit der Gremien zu gewährleisten.

Für Betriebsratssitzungen sollten aus unserer Sicht Mindestanforderungen (abgeleitet aus § 41a EBRG) gelten, auf die der Arbeitgeber hinwirken sollte:

  • Die Geschäftsordnung des Betriebsrats sollte – befristet – Telefon- oder Videokonferenzen zulassen.
  • Es sollten Telefon- oder Videokonferenzen auf ausschließlich nach technischem neuesten Stand gesicherten Kanälen durchgeführt werden.
  • Jedes Betriebsratsmitglied sollte verpflichtet werden, alles zu tun, um den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit zu wahren: d. h., keine Telefon- oder Videokonferenzen in Anwesenheit Dritter; vor allem zu Hause im geschlossenen Raum.
  • Der Betriebsratsvorsitzende sollte in der Einladung auf die Telefon- oder Videokonferenzen hinweisen.

In der juristischen Literatur wird die Ministererklärung kritisiert und auf eine Gesetzesänderung des maßgeblichen § 33 BetrVG gedrängt. Eine solche Gesetzesänderung steht aus unserer Sicht jedoch derzeit nicht zu erwarten, da die grundsätzliche Forderung nach einem „digitalisierten Betriebsrat“ nicht neu ist.
 

3. Gesetz für den erleichterten Zugang zur sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket)

Seit dem 23.03.2020 liegt ein Entwurf zum Sozialschutzpaket vor. Dieser dient vor allem dazu, Einkommenseinbußen abzufedern und entgegenzuwirken. Die Maßnahmen sollen insbesondere Familien mit geringem Einkommen und Selbständige ohne oder mit nur wenigen Angestellten stützen, in dem u.a. der Zugang zu den Grundsicherungssystemen erleichtert wird. Der Gesetzesentwurf sieht damit vielfältigen Änderungen in den sozialversicherungsrechtlich relevanten Regelungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II beziehungsweise der Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XI vor.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht hat der Entwurf weitere Kerninhalte; diese sind u. a.:

Kurzarbeit
Nimmt ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit eine Tätigkeit auf, so musste bislang diese vollständig auf das sog. Ist-Entgelt angerechnet werden, so dass sich das Kurzarbeitergeld für ihn verringerte.

Das Gesetz sieht vor, bei während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Beschäftigungen in systemrelevanten Branchen und Berufen befristet auf die Anrechnung auf das Kurzarbeitergeld teilweise zu verzichten. Dadurch soll nun ein Anreiz geschaffen werden, auf freiwilliger Basis vorübergehend Tätigkeiten in systemrelevanten Bereichen, wie z. B. der Landwirtschaft, aufzunehmen.

Geringfügige Beschäftigung
Eine kurzfristige sozialversicherungsfreie Beschäftigung liegt vor, wenn die Zeitgrenzen von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen eingehalten werden.

Der zeitliche Rahmen für diese Beschäftigungsformen wird insbesondere mit Blick auf die Saisonkräfte in der Landwirtschaft befristet ausgeweitet, da diese aufgrund der Corona-Pandemie in deutlich geringerer Anzahl zur Verfügung stehen. Die Zeitgrenzen für die geringfügige Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung sollen danach befristet auf eine Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Tagen ausgeweitet werden.

Arbeitszeitgesetz
In das Arbeitszeitgesetz wird eine Verordnungsermächtigung eingefügt, um durch Rechtsverordnung in außergewöhnlichen Notfällen mit bundesweiten Auswirkungen, insbesondere in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes, Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz erlassen zu können. Die Regelung soll dazu beitragen, im Notfall die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder die Versorgung der Bevölkerung mit existentiellen Gütern sicherzustellen.

Das Gesetz zur Umsetzung des Sozial-Schutzpaketes soll am 29.03.2020 in Kraft treten.
 

4. Änderungen Infektionsschutzgesetz - Entgeltfortzahlung bei KiTa / Schulbetreuung

Seit spätestens dem 17.03.2020 sind die Schulen und Kindertagesstätten weitestgehend geschlossen und eine Notbetreuung ist nur im Ausnahmefall gegeben. Die Eltern erhalten seither für den Ausfall in den meisten Fällen eine Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB. Dieses kann jedoch nur befristet sein, da nach allgemeiner Auffassung diese Ansprüche nach 7 bis 10 Tagen spätestens enden.

Das BMAS hat nunmehr im Zusammenhang mit dem Sozialschutzpaket veröffentlicht, dass in das Infektionsschutzgesetz ein Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle bei behördlicher Schließung von Schulen und Kitas zur Eindämmung der gegenwärtigen Pandemie aufgenommen wird. Nach den Vorstellungen des BMAS ist die Entschädigung an mehrere Voraussetzungen geknüpft (u. a. nur für Kinder bis zum 12. Lebensjahr). Die Entschädigung wird dann in Höhe von 67 % des Nettoeinkommens für bis zu sechs Wochen gewährt und ist auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro begrenzt. Die Auszahlung übernimmt der Arbeitgeber, der bei der zuständigen Landesbehörde einen Erstattungsantrag stellen kann.

Mit dem Vorstoß ist die in der letzten Woche noch diskutierte Änderung des § 616 BGB scheinbar obsolet. Auch diese Gesetzesänderung soll noch in dieser Woche in Kraft treten.
 

5. Gerichtsverfahren

Nach unseren Erkenntnissen haben nahezu alle Arbeitsgerichte ihren Prozessbetrieb insoweit eingeschränkt, als dass derzeit nur dringliche Angelegenheiten – einstweiligen Verfügungen, außerordentliche Kündigungen oder Bestellungsverfahren für dringliche Einigungsstellen – terminiert werden. In laufenden Verfahren werden Termine aufgehoben und Fristen verlängert.

Es ist klar, dass sich hierdurch ein Rückstau in der Bearbeitung durch die Gerichte ergeben wird, so dass man mit sehr deutlichen Verlängerungen von Gerichtsverfahren rechnen muss. Im Falle von Kündigungsschutzverfahren wird man arbeitgeberseitig im Besonderen das Risiko der Lohnfortzahlung im Prozessarbeitsverhältnis kalkulieren müssen.

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Jörn Kuhn

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